Protocol of the Session on January 26, 2005

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(Wolfgang Kubicki)

scher Mörtel“, der nicht codierende Bereich, auf den es die Strafverfolgungsbehörden abgesehen haben. Aus diesem Mörtel sind nicht die Erbinformationen abrufbar, die im codierenden Bereich vorhanden sind, also in den 5 %. Dennoch reicht der nicht codierende Bereich, um die Identität einer Person mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen, da die Längen der nicht codierenden Stränge von Mensch zu Mensch verschieden sind.

Mit dem genetischen Fingerabdruck haben die Strafverfolgungsbehörden seit Mitte der 80er-Jahre ein ausgesprochen wirksames Mittel zur eindeutigen Identifizierung einer Person in der Hand. Nur bei eineiigen Zwillingen scheitert das Verfahren wegen der identischen Erbanlagen.

Der genetische Fingerabdruck erlaubt eine Aussage über die Identität von Spurenverursachern und Tatverdächtigen. Man kann also mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sagen, eine bestimmte Person hat eine am Tatort gefundene Spur verursacht.

Für den genetischen Fingerabdruck reichen Minispuren am Tatort aus, solange sie noch Erbmaterial enthalten, beispielsweise die Blutspur an einem Glassplitter, die Wurzel eines ausgefallenen Haares oder Speichel- und Zellreste an einer Zigarettenkippe.

Die DNA-Analyse ist bisher auf eine ausreichende rechtliche Grundlage gestellt. Sie hat sich aus polizeilicher Sicht in den letzten zwei Jahrzehnten sehr bewährt. Daran gibt es keinen Zweifel. So war es möglich, die beiden Mörder der Geschwister Sonja und Tom aus Eschweiler mithilfe der DNA-Analyse zu überführen. In Viersen wurde ein 15 Jahre zurückliegendes Vergewaltigungsdelikt mithilfe der DNAAnalyse aufgeklärt. Nicht zuletzt der Mord am Geschäftsmann Moshammer konnte schnell aufgeklärt werden, weil der Täter bereits in der DNA-Datei erfasst war.

Was zeigen uns diese Fälle? - Sie zeigen uns erstens, dass die DNA-Analyse ein wirksames Mittel bei der Verbrechensaufklärung ist, zweitens, dass die DNAAnalyse ihre Berechtigung hat, drittens, dass die Erfolge bei den genannten Delikten aufgrund der bereits heute geltenden Bestimmungen möglich waren und hierzu keine Erweiterung der Eingriffsbefugnisse notwendig ist, und sie zeigen uns viertens, dass trotz der bereits vorhandenen Speicherung einer DNAAnalyse eine Straftat nicht verhindert werden konnte.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und SPD)

Bei Ersttaten ist dies grundsätzlich nicht möglich. Jemand, der bis zum Zeitpunkt seiner Tat unbescholten gelebt hat, befindet sich in keiner Datei. Es wird

also auch bei der Sicherung und Auswertung einer entsprechenden Spur keinen Treffer ergeben. Die Speicherung in einer DNA-Datei führt nicht grundsätzlich zu dem präventiven Effekt, dass ein Täter von weiteren Verbrechen abgehalten würde.

So war es im Fall Moshammer. Die DNA-Analyse des Täters Herisch A. war bereits wegen eines Sexualdeliktes in der Gendatei eingestellt. Das hielt ihn nicht von dem Tötungsdelikt ab.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Frage, ob wir die DNA-Analyse auf Bagatelldelikte ausweiten dürfen, weichen deren Befürworter schlicht und ergreifend aus. Herr Kollege Schlie, es gibt hierzu ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2000. Das sollten Sie vielleicht noch einmal lesen, wenn Sie es kennen. Denn wir sind ja dazu aufgerufen, die Verfassung zu schützen und sie nicht ständig weiter einzuschränken.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ein Urteil, das als Ausgangstat mindestens - mindestens! - eine Straftat im Bereich der mittleren Kriminalität vorsieht und die DNA-Analyse für Taten darunter von Verfassungs wegen ausdrücklich verbietet. Wir jedenfalls fühlen uns an diese Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts gebunden. Ich wäre froh, wenn auch die Vertreter der Polizei gelegentlich einmal sorgsam darauf achteten, dass sie etwas schützen sollen, was von Verfassungs wegen geboten ist,

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

und nicht immer die Effizienzfrage stellen. Herr Kollege Schlie, was würde uns denn bei der Frage der Effizienz, einer schnellen Aufklärung von Straftaten daran hindern, von allen Bürgerinnen und Bürgern Genmaterial in einer Datei zu speichern? Dann hätten wir sofort nach jeder Tat immer die Identifizierung einer entsprechenden Person. Das ist ein Gemeinwesen, das wir als FDP und ich als Person nicht wollen und wofür wir nicht unsere Hand reichen werden.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wenn es bei Ihnen nur um die Frage geht: „Wie klären wir schnell auf?“, gibt es keine logische Begründung dafür, warum sie nicht von allen Menschen unseres Landes eine entsprechende Genprobe nehmen und speichern. Dann hätten Sie nach jeder Tat eine schnelle Aufklärung. Das allein ist nicht das Kriterium; das wissen Sie genau. Deshalb halten wir uns mit völliger Hingabe an die Vorgaben des Bundesverfas

(Wolfgang Kubicki)

sungsgerichts und wir werden sie mit Zähnen und Klauen auch Ihnen gegenüber verteidigen, Herr Kollege Schlie.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Fröhlich das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema DNA-Analyse hat den Landtag wiederholt beschäftigt, ohne jeweils besondere Erkenntnisse zutage zu bringen. Die Befassung im Rahmen einer Aktuellen Stunde ist allerdings neu. Es bleibt offen, was genau der Anlass für die Aktuelle Stunde ist.

In Bayern hat die Polizei vor knapp zwei Wochen ein Tötungsdelikt aufgeklärt unter Nutzung der derzeitigen gesetzlichen Ermächtigungen und der derzeitig verfügbaren Technik. Kriminalistisch ein erfolgreicher Routinefall. Die Sache wurde bei uns überhaupt nur deshalb zur Nachricht, weil das beklagenswerte Opfer eine schillernde, prominente Figur war. Oder soll der vermeintlich aktuelle Anlass die derzeitige Diskussion sein?

Das Thema ist ein uralter Hut. Im Landtag haben wir uns - wie gesagt - in den letzten Jahren mit verschiedenen Anträgen der CDU zu diesem Thema ausführlich befasst. Das hat leider nicht dazu geführt, dass sich die CDU in dem Zusammenhang endlich einmal konstruktiv und kritisch mit dem Verfassungsgerichtsurteil in dieser Sache beschäftigt. Ich habe das auch eben in Ihrer Rede sehr vermisst, Herr Schlie. Wenn Sie in diesem Land tatsächlich Verantwortung übernehmen wollen - und das wollen Sie ja -, müssten Sie das Verfassungsgerichtsurteil zumindest in Ihre Debatte mit einbringen. Das haben Sie bisher versäumt.

Parallel haben sich die Justizministerkonferenz und die Innenministerkonferenz mit dem Thema auseinander gesetzt und Beschlüsse gefasst beziehungsweise sie arbeiten noch daran.

Die Aktualität dieses Themas ist also an den Haaren herbeigezogen. Die CDU wollte es lediglich besetzen, um einen prominenten Platz für die ewig gleiche und genauso ewig falsche Rechnung zu erlangen: Mehr Datenspeicherung führe zu mehr Sicherheit. Dann sollten Sie aber auch so ehrlich sein, den SchleswigHolsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern gleich zu sagen, was Sie sonst noch so vorhaben: Schleierfahndung, mehr Videoüberwachung und ein automati

sches Scannen von Autokennzeichen, um zur Fahndung ausgeschriebene Fahrzeuge zu identifizieren.

Die DNA-Analyse - ich wiederhole es hier - ist ein hoch effizientes und sehr zuverlässiges Ermittlungsinstrument, das von hoher Bedeutung für die kriminalistische Arbeit ist und weiterhin sein wird. Die Feststellung und Speicherung von DNA-Daten ist aber auch ein schwerwiegender Grundrechtseingriff, der zur Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes dringend gesetzlich ausformulierte Beschränkungen benötigt. Diese müssen so ausgestattet sein, dass die DNA-Analyse auf besondere Fälle beschränkt wird. Diese Anforderungen stellt das Bundesverfassungsgericht. Wir alle sind daran gebunden. Wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sehen daher keinen Grund, die derzeitigen Voraussetzungen für die Speicherung von DNA-Daten zu erweitern.

Rechtspolitisch ganz besonders unverständlich ist es vor diesem Hintergrund, die DNA-Analyse als erkennungsdienstliche Maßnahme vorzuschlagen. Die erkennungsdienstlichen Maßnahmen sind von ihren gesetzlichen Voraussetzungen her aus unserer Sicht sehr weit gefasst und lassen einheitliche Löschungsregeln vermissen. Sie erfüllen also am allerwenigsten die Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht als Rahmen für DNA-Analysen vorgibt. Dies habe ich in meinem Schreiben an den Innenminister dieses Landes anlässlich der aufkommenden Debatte zum Ausdruck gebracht. Das haben Sie also nicht ganz korrekt wiedergegeben, Herr Schlie. Außerdem fallen diese Kriterien komplett in die Zuständigkeit des Justizressorts und aus gutem Grund nicht in das der Polizei. Dennoch sollten wir das Thema erkennungsdienstliche Maßnahmen anfassen, um die Regelungen für die Speicherung von Fingerabdruck und Foto endlich so zu gestalten, dass sie rechtsstaatlichen Anforderungen genügen.

Der nicht codierende Teil der DNA - das haben wir hier schon mehrmals gesagt, Herr Kubicki hat es auch nochmals erklärt - kann nach heutigem Stand der Wissenschaft keine Auskünfte über individuelle Dispositionen geben. Er dient, so die Biologie, lediglich als nutzloses Füllmaterial, das im Laufe der Evolution übrig geblieben ist. Der nicht codierende Teil macht weit über 99 % des DNA-Strangs aus. Die einzigen interessanten Informationen, die man diesem Teil der DNA zurzeit entnehmen kann, sind die nach dem Geschlecht und gegebenenfalls eine statistische Wahrscheinlichkeit der Angehörigkeit einer bestimmten Ethnie.

Dies alles - ich wiederhole es - ist der heutige Stand der Wissenschaft, der sicherlich bald überholt sein wird. Die Sensibilität der in den Körperzellen gespei

(Irene Fröhlich)

cherten Daten macht es unbedingt erforderlich, den Vorgang der Erfassung des Identifizierungsmusters gegen Fehler durch Qualitätsmängel in der Untersuchung und möglicherweise gegen missbräuchliche Ausweitung zu sichern. Eine wirksame staatliche Qualitäts- und Missbrauchskontrolle muss eingeführt werden. Das gilt umso mehr, wenn die staatliche DNA-Untersuchung wie in Schleswig-Holstein an private Labore vergeben wird. Diese stehen im Preiswettbewerb.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich dachte, ich hätte zehn Minuten.

Nein, fünf Minuten.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Diese privaten Labore nehmen gegebenenfalls für andere Auftraggeber auch weitergehende Untersuchungen an der DNA vor. Das gilt erst recht, wenn sich wie hier der wissenschaftliche Fortschritt und die Begehrlichkeiten verschiedenster Akteure hinsichtlich der Verwertung der Erbinformationen rasant weiterentwickeln.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Hinrichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind die spektakulären Fälle, die immer wieder diese Diskussion entflammen. Vor wenigen Monaten hat die Mehrheit in diesem Landtag eine Ausweitung der kriminalistischen DNA-Speicherung abgelehnt. Der Fall Moshammer hat dazu geführt, dass quer durch die Republik nach einer Ausweitung der DNAAnalyse geschrien wird. CDU und GdP wollen, dass die Entnahme einer DNA-Probe ebenso zum Standard wird wie bisher die Entnahme der Fingerabdrücke. Es wird gefordert, die DNA-Analyse auf weniger schwerwiegende Delikte auszuweiten. Auch wird gefordert, dass die Polizisten direkt eine DNA-Probe anordnen können.

Für uns aber, für den SSW, hat der Fall Moshammer gerade keine neuen Erkenntnisse gebracht, die unsere Meinung ändern könnten, im Gegenteil. Die derzeitige Gesetzeslage hat ausgereicht, um den Täter schnell zu fassen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb halten wir daran fest: Mit der Speicherung dieser Daten greift man in die Persönlichkeitsrechte von Tatverdächtigen ein. Deshalb muss der Anwendung dieses Instruments enge Grenzen gesetzt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in zwei Entscheidungen dazu festgestellt, dass DNA-Analysen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen. Da hat das Bundesverfassungsgericht eine etwas andere Meinung als Herr Freiberg von der GdP.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb - so die Abwägung der Richter - hat jeweils ein Richter die Entscheidung zu treffen, wann ein solcher Eingriff in die Grundrechte im Interesse der öffentlichen Sicherheit angemessen ist. Hierzu muss auch noch eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegen.

Der Datenschutzbeauftragte des Landes SchleswigHolstein warnt zudem davor, dass bei einer Ausweitung der DNA-Analyse die Gefahr von Falschverdächtigungen steigen kann. Dieser Befürchtung können wir uns nur anschließen.

Der SSW lehnt nach wie vor die Anwendung von DNA-Profilen als erkennungsdienstliche Standardmaßnahme ab. Denn eine solche Erweiterung würde die Gen-Daten von Unschuldigen in die polizeilichen Register bringen. Erkennungsdienstliche Maßnahmen werden bei Tatverdächtigen durchgeführt. Die Frage ist, wie die Prüfung der Verhältnismäßigkeit durch die Polizei erfolgen soll, ob die Schwere der Tat ausreicht und - was hinzukommt - ob diese Person die Tat überhaupt begangen hat. Deshalb lehnen wir den Vorschlag ab, ohne richterlichen Beschluss bei erkennungsdienstlichen Maßnahmen standardmäßig ein DNA-Profil abnehmen zu können.

Uns ist klar, dass es noch die Freiwilligkeitserklärung gibt. Aber ich gehe von dem Regelversuch, wie er im Gesetz beschrieben ist, aus. Wer von der Polizei zu Unrecht verdächtigt wird, könnte ebenso erfasst werden wie ein Mörder. Schon heute ist die Möglichkeit von DNA-Tests bei Sexualstraftaten und anderen schweren Straftaten gegeben. Das reicht auch aus. Verbrechen, die besonders brutal sind oder in denen Kinder die Opfer sind, machen uns alle betroffen und ratlos. Bei allem Verständnis für Wut, Trauer und Betroffenheit dürfen diese Gefühle gerade nicht zum Leitfaden unserer Rechtspolitik werden. Es sind im