Protocol of the Session on January 26, 2005

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(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW sowie des Abgeordneten Joa- chim Behm [FDP])

Ich erteile Herrn Abgeordneten Ritzek das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die bewegenden Worte von meinem Kollegen Peter Jensen-Nissen bezüglich der Forderung, mehr als 1 % für den Struktur- und den Agrarfonds einzuzahlen, veranlassen mich, hier noch einmal in die Debatte einzugreifen und vielleicht noch ein paar andere Dinge zu sagen.

Frau Ministerpräsidentin, Sie haben mit dem Bekenntnis, dass Sie die 1 % favorisieren beziehungsweise großes Verständnis dafür haben, SchleswigHolstein eigentlich festgelegt, obwohl es in den 25 Mitgliedstaaten eine sehr heiße Diskussion über die Frage gibt, ob nun 1,14 oder 1 %. Nach meinem Verständnis musste dieses Signal eigentlich nicht sein. Denn es ist klar, dass wir sowieso - auch bei 1,14 % - weniger Mittel für unsere Regionen zur Verfügung haben werden. Und bei 1 % des Bruttoinlandproduktes wird es sogar zu ziemlich drastischen Einschnitten kommen. Das muss den verschiedenen Regionen dann erklärt werden.

Nicht verstehen kann ich aber auch Ihre Aussage in dem Bericht - vielleicht ist das aber auch ein Schreibfehler -, dass der Unterschied zwischen 1 und 1,14 % 100 Milliarden € mehr Strukturmittel bedeuten würden. Ich weiß nicht, auf welchen Zeitraum sie sich bezieht. Von 2007 bis 2013 oder pro Jahr? Mit Sicherheit ist die Zahl 10 Milliarden € pro Jahr falsch. Also, eine der Zahlen ist falsch.

Zu dem Thema „Ausschuss der Regionen“ steht in dem Bericht, dass sich unser Mitglied im AdR besonders für die sozialen Dimensionen der Globalisierung eingesetzt habe. Ich hätte gern ein paar mehr Ausführungen dazu, was das bedeutet.

Ein dritter Punkt: In der letzten Woche haben wir uns in einer Sitzung des Europaausschusses mit dem Thema „Europafähige Kommunen“ beschäftigt. Dort wurde von den Vertretern der kommunalen Landesverbände gesagt: Wir wollen nicht mehr Befehlsempfänger sein, nein, wir wollen mitgestalten. Mitgestalten können Sie unter anderem in dem so genannten Frühwarnsystem, das bedeutet Teilhabe in

(Manfred Ritzek)

nerhalb der 6-Wochen-Frist, vom Start der Gesetzgebung bis zum Einbringen in das Europäische Parlament. Hier vermisse ich jeden Ansatz der Vorbereitung für die Teilnahme der Kommunen an diesem europäischen Frühwarnsystem.

Ich hätte gern auch eine klare Aussage dazu gehabt, dass wir grundsätzlich Strukturmittel für Neuinvestitionen oder Erweiterungsinvestitionen in benachbarten Bundesländern oder neuen EU-Staaten ablehnen, um dort gleiche Firmen aufzubauen. Denn das führt hier in Deutschland dann zur Arbeitslosigkeit.

Das sind also vier Positionen, die ich gern noch etwas näher ausführen wollte.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Greve das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte zeigt, wie schade es ist, dass so ein Kernthema, das alle Generationen nach uns betrifft, nicht in einem größeren Rahmen diskutiert wird.

(Beifall der Abgeordneten Rolf Fischer [SPD] und Helmut Plüschau [SPD] - Ulrike Rodust [SPD]: Es ist bisher kein Antrag von der CDU gekommen!)

Ich denke, das ist für unser Parlament negativ. Denn in anderen deutschen Parlamenten, auch in vielen Landesparlamenten, ist dieses Thema debattiert worden.

Ich möchte noch einmal auf die Beiträge von Herrn Benker und Herrn Matthiessen eingehen. Herr Benker, Sie sagten, dass ich von der „Überdehnung Europas“ am Beispiel der Türkei gesprochen hätte. Ich glaube, dass Ihnen nicht entgangen ist, was ein Mann, nämlich der führende Politikberater Europas, Professor Weidenfeld, in der „Welt“ mehrmals geschrieben hat - da Sie meines Wissens die „Welt“ lesen, müssten Sie das wissen -: Israel, Palästina und der Libanon sind die nächsten Staaten, die nach der Türkei aufgenommen werden sollen. Armenien hat sich schon laut gemeldet und nordafrikanische Staaten sind bei der Beantragung der Mitgliedschaft auch schon weit fortgeschritten. Aus meiner Sicht handelt es sich hier wirklich um eine Überdehnung.

Nun zum Kollegen Matthiessen. Lieber Kollege Matthiessen, wenn ich zwei Zitate von türkischen Politi

kern bringe, vom jetzigen Ministerpräsidenten der Türkei und von einem Europaabgeordneten mit deutscher Staatsbürgerschaft, aber türkischer Herkunft, dann hat dies nichts mit chauvinistischen, faschistischen oder irgendwelchen anderen Tendenzen dieser Art zu tun, sondern es hat aus meiner Sicht damit zu tun, dass wir uns auch mit den Argumenten der anderen Seite auseinandersetzen und dass wir sie wahrnehmen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn das Ihrer Meinung nach politisch nicht korrekt ist, finde ich das für eine Demokratie sehr problematisch.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ein letzter Satz: Wenn wir schon über dieses Thema reden, gehört auch dazu, was Ihr hoch gelobter langjähriger Vorsitzender und jetziger Außenminister Joschka Fischer sagte, als er in Wien über dieses Thema sprach: „Diesmal wird Sultan Suleiman vor Wien nicht wieder umkehren müssen.“ - Wenn dieser Vergleich - ich betone: dieser Vergleich - nicht völlig danebenliegt, weiß ich auch nicht mehr, was danebenliegen heißt. Ich sage, dieser Vergleich ist politisch nicht korrekt. Ich will Ihnen nämlich einmal sagen, was damals los war. Als die Osmanen 1529 vor Wien standen, mussten sie nach dreiwöchiger Belagerung den Rückzug antreten. Dann lesen Sie dazu einmal die Chronik!

(Zurufe von der SPD)

- Das muss man einmal sagen, denn das ist die eigentliche Provokation, dass Fischer Suleiman in die Diskussion mit hineingezogen hat.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte formulieren Sie Ihren letzten Satz.

Ich komme zum Schluss. - Wissen Sie, was da steht? - Da steht wörtlich:

„Wie der Türke morgens hinwegziehen wollte, hat er alles deutsche Volk, so bei ihm gefangen gewesen, tyrannisch und erbärmlich erwürgen lassen vor der Stadt. Es war ein solches jämmerliches Geschrei unter dem Volk, als sie so in Wien auf der Wache waren, nie gehört haben.“

(Glocke der Präsidentin)

(Uwe Greve)

Ich sage das deshalb, weil hier ein fehlerhafter Vergleich besteht. Wenn Herr Fischer sich auf Suleiman beruft, der durch Krieg erobern wollte, dann ist das der eigentliche historische Fehler, den man auch nennen sollte.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Rolf Fischer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nur zwei oder drei Sätze zum Sachstand sagen. Ich teile die Auffassung von Herrn Greve, dass wir das Thema Türkei hier hätten vielleicht diskutieren sollen. Wenn wir es aber hätten diskutieren wollen, hätten wir das im letzten Jahr diskutieren müssen, nämlich spätestens im Dezember.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und FDP)

Im Grunde genommen ist heute die Entscheidung gefallen. Sie wissen, die Stellungnahme der Kommission, die Stellungnahmen der Regierungschefs aus dem letzten Dezember sagen, dass es in diesem Jahr eine Aufnahme der Beitrittsverhandlungen geben wird. Das ist der erste Fakt.

Zweitens, diese Beitrittsverhandlungen werden mit einer ganzen Reihe von Hürden versehen sein. Die höchste Hürde - wenn Sie so wollen - ist die, dass die Beitrittsverhandlungen abgebrochen werden können, wenn die Türkei sich nicht entsprechend so entwickelt, wie Europa das gern möchte.

Deshalb sage ich hier: Wir können Suleiman zitieren, wir können Fischer zitieren oder wen auch immer - ich kann mich in diesem Zusammenhang auch gern selbst zitieren -, aber wir sind gar nicht mehr in der Situation, über diesen Beitritt zu streiten. Die Beitrittsverhandlung wird kommen und die Aufgabe, die wir auch als Landtag haben, wird sein, diesen Prozess zu begleiten. Ob es am Ende zu einem Beitritt kommt, darüber können wir vielleicht in 10, 15 Jahren streiten. Das wissen wir heute noch nicht.

Ich würde mir wünschen und vorstellen, dass wir diesen Prozess, der in diesem Jahr beginnt, durch eine sachliche Debatte begleiten - das ist nämlich ganz wichtig -, die frei von Vorurteilen und Überheblichkeiten ist.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Und ich möchte am Schluss sagen: Letztlich ist es - wenn ich das hier so höre - gut, dass nicht wir darüber entscheiden und auch nicht ein Parlament im Süden dieses Landes, in einer bergigen Region, das dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung setzen will.

Lassen Sie uns in dieser Phase diskutieren. Lassen Sie uns über kulturelle Unterschiede und europäische Gemeinsamkeiten sachlich diskutieren; das kann eine ganz spannende Debatte sein. Ich bitte Sie, sich meinen Schlussworten anzuschließen und in diese Debatte einzutreten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Debatte. Es wurde kein Antrag gestellt. Dieser Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.

Ich möchte zunächst eine neue Besuchergruppe auf der Tribüne begrüßen, nämlich die Verbrauchergemeinschaft Segeberg. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 45 auf.

Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie

Landtagsbeschluss vom 24. September 2004 Drucksache 15/3638