Protocol of the Session on January 27, 2005

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(Vereinzelter Beifall)

Ich hatte bereits festgestellt, dass der Antrag der CDU zurückgezogen worden ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung

Gesetzentwurf der Fraktion von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/3752

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 15/3921

Ich erteile zunächst der Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschusses, der Frau Abgeordneten Schwalm, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Innen- und Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf beraten. Mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU und bei Enthaltung der FDP empfiehlt er dem Landtag, den Gesetzentwurf in der Fassung der rechten Spalte der Gegenüberstellung, die Sie in der Drucksache 15/3921 finden, anzunehmen.

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Puls.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ziel des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist es, bestimmte schützenswerte Gruppen in unserer Gesellschaft ausdrücklich unter den Schutz unserer Landesverfassung zu stellen und endlich auch für SchleswigHolstein ein Landesverfassungsgericht einzurichten.

(Beifall der Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD] und Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Schleswig-Holstein ist das einzige Bundesland, dessen Verfassungsrechtsstreitigkeiten nicht im Lande selbst, sondern beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhandelt und entschieden werden. Von einem Landesverfassungsgericht könnten schleswigholsteinische Verfassungsfragen ortsnäher, sachnäher und zeitnäher geklärt und beantwortet werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Anhörung zu unserem Gesetzentwurf ist dieses Begehren von fachkundiger Seite, insbesondere der Christian-Albrechts-Universität und der Neuen Richtervereinigung, „nachhaltig“ unterstützt worden. Für Professor Albert von Mutius - ich zitiere - „lässt es die erhebliche Überbelastung des Bundesverfassungsgerichtes (sogar) nachgerade als abwegig erscheinen, dieses (Gericht) nach wie vor als einziges Bundesland im Wege der Organleihe … in Anspruch zu nehmen“.

(Klaus-Peter Puls)

Die Aufnahme weiterer Staatsziele zum Schutz bestimmter gesellschaftlicher Gruppen ist von allen an der Fachausschussanhörung beteiligten Institutionen und Vereinigungen begrüßt worden. Ich will im Einzelnen kurz darauf eingehen.

Erstens. Der Schutz und die Förderung der Sinti und Roma deutscher Staatsangehörigkeit hätte als Staatsziel schon längst in die Landesverfassung gehört.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Minderheitenbeauftragte der Ministerpräsidentin hat uns zutreffend darauf hingewiesen, dass es in Erfüllung des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten aus dem Jahre 1995 sogar rechtlich geboten ist, dass die Minderheit der deutschen Sinti und Roma den gleichen verfassungsrechtlichen Status erhält, den heute schon die nationale dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe haben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für uns wäre das auch ein Beitrag gegen Ausgrenzung und für Integration. Die Forderung ist in der Anhörung nicht nur vom Verband deutscher Sinti und Roma selbst, sondern auch vom Sydslesvigsk Forening und vom Friesenrat unterstützt worden.

Zweitens. Die Anhörung hat uns auch bestärkt, bei unserer Forderung zu bleiben, ein allgemeines Diskriminierungsverbot in die Landesverfassung zu schreiben. Das diesbezüglich von uns vorgesehene Staatsziel zum „Schutz sozialer Minderheiten“ wird insbesondere von der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände Schleswig-Holstein und vom Landesverband der Lebenshilfe begrüßt.

Wir wollen alle drei Säulen unserer Staatsgewalt verfassungsrechtlich verpflichten, Sorge dafür zu tragen, dass niemand wegen seiner Herkunft, seiner Abstammung, seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner sozialen Stellung, seiner Sprache, seiner politischen, weltanschaulichen oder religiösen Überzeugung, seines Geschlechts oder seiner sexuellen Identität bevorzugt oder benachteiligt wird. Wir wollen das so in die Verfassung hineinschreiben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen darüber hinaus Menschen mit Behinderung und pflegebedürftige Menschen unter den besonderen Schutz der Landesverfassung stellen.

(Andreas Beran [SPD]: Sehr gut!)

Der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen hat in der Anhörung die besondere Schutzwürdigkeit der Menschen mit Behinderung nachdrücklich unterstrichen. Hinsichtlich der pflegebedürftigen Menschen hat uns schon die starke Beteiligung der Menschen an der „Volksinitiative für eine menschenwürdige Pflege“ im Jahr 2001 deutlich gemacht, dass es eines stärkeren Schutzes durch den Staat bedarf.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

AWO und Sozialverband haben damals für die von ihnen organisierte Volksinitiative über 40.000 Unterschriften als Unterstützung erhalten.

Auch in der aktuellen Anhörung zu unserem Gesetzentwurf wird eine Staatszielbestimmung zum Schutz der Rechte und Interessen pflegebedürftiger Menschen insbesondere von AWO und Sozialverband wieder nachdrücklich eingefordert. Auch der Opposition wird nicht entgangen sein, dass beide Verbände noch gestern öffentlich an die Abgeordneten aller Fraktionen des Landtages appelliert haben, der von uns beantragten Verfassungsergänzung zuzustimmen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wollen Sie, meine Damen und Herren von der CDU, sich wirklich erst durch eine erneute Volksinitiative und einen mit Sicherheit daran anschließenden erfolgreichen Volksentscheid dazu zwingen lassen, die Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und für uns alle verbindliches Staatsziel zu respektieren?

(Zuruf von der SPD: Ich hoffe nicht!)

Drittens. Auch den Schutz und die Förderung von Kindern und Jugendlichen wollen wir in die Landesverfassung aufnehmen. Diese Forderung wird insbesondere vom Landesjugendring unterstützt und der Deutsche Kinderschutzbund weist zu Recht darauf hin, dass es hierfür schon seit 1992 sogar eine völkerrechtliche Verpflichtung gibt. Die Grundsätze der damals von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Konvention der Vereinten Nationen über den Schutz und die Förderung von Kindern und Jugendlichen haben sich bis heute nicht in der schleswig-holsteinischen Landesverfassung niedergeschlagen. Auch dazu ist heute die Gelegenheit gegeben.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die FDP-Fraktion hat sich in den Beratungen allen unseren Vorschlägen angeschlossen. Mit der FDPFraktion haben wir zusätzlich für den Tierschutz eine Formulierung erarbeitet.

(Klaus-Peter Puls)

Weil wir für jede Verfassungsänderung aber eine Zweidrittelmehrheit des Parlaments benötigen, hoffen wir, dass im Interesse der zuvor genannten gesellschaftlichen Gruppen auch die CDU-Fraktion unserem Antrag zustimmt. Das wäre für die Öffentlichkeit, die uns häufig nur streitend erlebt, ein - wie ich finde - auch in Wahlkampfzeiten durchaus angemessenes partei- und gesellschaftspolitisches Signal.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Klaus Schlie das Wort.

(Andreas Beran [SPD]: Jetzt werden wir end- lich positiv überrascht!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die Anliegen der Gruppen, der Verbände, derjenigen, die letztlich hinter den Formulierungen stehen, die jetzt in Staatszielbestimmungen gegossen werden sollen, wirklich wichtige gesellschaftspolitisch relevante Anliegen haben, steht völlig außer Zweifel.

(Andreas Beran [SPD]: Sehr gut!)

- Das ist doch unumstritten so. Insofern ist es auch nicht nötig, den Versuch unternehmen zu wollen, das in eine polemische Form zu bringen.

Insofern ist es richtig und notwendig, sich mit den Anliegen, die dahinter stehen - gleich, ob es die Pflege ist oder die einzelnen Gruppen, die hier benannt worden sind, oder das Anliegen des Minderheitenschutzes der Sinti und Roma - im Einzelnen und sachgerecht auseinander zu setzen.

Ich habe in der ersten Lesung für meine Fraktion deutlich gemacht, dass wir einer solchen Verfassungsänderung nicht en passant, sozusagen im Vorübergehen am Ende dieser Wahlperiode zustimmen werden

(Ursula Sassen [CDU]: Richtig!)

ohne eine vernünftige, wirklich ausgiebige Beratung im Ausschuss, ohne eine vernünftige Anhörung, ohne eine vernünftige, auch wissenschaftliche Begleitung.

(Zuruf)

- Nun hören Sie sich das doch auch an. - Wir haben, als wir in früheren Zeiten über die Änderung unserer Landesverfassung gesprochen haben, das sehr sachlich miteinander getan, auch in einem Sonderaus

schuss Verfassungsreform. Wir haben auch damals gesagt, dass es in bestimmter Hinsicht Weiterentwicklungen geben wird. Wir als CDU-Fraktion haben ein außerordentlich positives Gespräch mit dem Landesverband der Sinti und Roma gehabt und sind gemeinsam zu der Erkenntnis gekommen, dass es dieser Gruppe und dem Anliegen dieser Gruppe überhaupt nicht gerecht wäre, wenn wir das sozusagen im Schnellschussverfahren erledigten.