Protokoll der Sitzung vom 27.01.2005

(Beifall bei FDP und SSW)

Im Übrigen schadet ein solches Vorgehen auch der Autorität desjenigen, der die Norm setzt, wie natürlich auch der Autorität derjenigen, die diese Norm durchsetzen sollen, ohne dies beim besten Willen in der Praxis hinreichend gewährleisten zu können.

Das ist der Kernpunkt der Problematik der von Ihnen vorgeschlagenen Lösung. Deshalb - nicht deshalb, weil wir etwa gegen eine rauchfreie Zone in Schulen seien -, also wegen der Problematik einer Verbotslösung, stimmen wir gegen Ihren Antrag.

(Beifall bei FDP und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Jugendschutzgesetz ist im Jahre 2003 erfreulicherweise im Hinblick auf das Thema Rauchen verschärft worden. Während bisher sogar der Verkauf von Tabakwaren an Kinder erlaubt war, müssen endlich bis zum Jahre 2007 Zigarettenautomaten aus der Öffentlichkeit verschwinden. (Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Peter Eichstädt [SPD])

(Angelika Birk)

Der Landtag hatte dies gefordert. Einige von uns haben sich aber auch geärgert, dass es immer noch ein Hintertürchen für die Zigarettenindustrie gibt, nämlich das Aufstellen von Automaten, die man mit Chipkarten bedient.

Aber immerhin: Wer als Veranstalter unter 16-Jährigen das Rauchen gestattet, hat Bußgeld zu zahlen.

Was dies für die Praxis bedeutet, erläutert die 2003 vom Bundesfamilienministerium veröffentlichte Broschüre, in der auf Seite 26 ausgeführt wird, dass sich das Verbot

„nicht nur an Gewerbetreibende, sondern auch an Eltern, Erzieher und Lehrer in ihrer Verantwortung für Jugendliche richtet, die nicht veranlassen oder fördern dürfen, dass unter sechzehnjährige Mädchen oder Jungen in der Öffentlichkeit rauchen. Ein Veranlassen oder Fördern sei auch die Duldung durch aufsichtspflichtige Personen. Das Rauchverbot für noch nicht 16-Jährige gilt auch in Schulen, Einrichtungen der Jugendarbeit und Krankenhäusern, auch in dortigen Raucherzimmern, soweit sie öffentlich zugänglich sind.“

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist eindeutig. Die Schule hat durch das Jugendschutzgesetz einen klaren Präventions- und Interventionsauftrag, zumindest für die unter 16-Jährigen.

Dies habe ich in den vergangenen Debatten für meine Fraktion, wenn auch nicht mit diesem Zitat, wiederholt hier an diesem Pult ausgeführt.

Unterstrichen wird der Auftrag der Schulen, dem Suchtverhalten auch anderer Art als dem Rauchen vorzubeugen, durch einen Erlass des schleswigholsteinischen Bildungsministeriums seit Anfang der 90er-Jahre.

Aus diesem Grund haben wir Grünen bisher keine Veranlassung gesehen, einen zusätzlichen Erlass für die Schulen zu formulieren. Gerade angesichts der immer jüngeren Erstraucherinnen und Erstraucher, vor allem an Hauptschulen, sahen und sehen wir aber die Notwendigkeit, die bisherigen Kampagnen und Projekte gerade an diesen Schulen zu verstärken. Die Koordinierungsstelle für Schulische Suchtvorbeugung, KOSS, und auch das IFT, das Institut für Therapie und Gesundheitsforschung des Bundes hier in Kiel, haben mit ihrem Programm „Gläserne Schule“ oder der Kampagne „Be smart - don’t start“ hierzu hervorragende, bundesweit beachtete Konzepte geliefert und jährlich Hunderte von Schulklassen in

Schleswig-Holstein auch erreicht und Multiplikatoren fortgebildet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Funktionieren wird die rauchfreie Schule nur, wenn es gelingt, über solche Aktivitäten alle Beteiligten vom Leitbild der rauchfreien Schule zu überzeugen, sodass sie auch persönlich mitwirken. Darauf hat uns zum Beispiel jüngst die GEW hingewiesen, die sich von einem neuen Erlass keine Verhaltensänderung verspricht.

Auch wir Grünen sind inzwischen durchaus dafür bekannt, dass wir uns gegen eine Überregulierung der Schule von oben wenden. Warum plädieren wir nun trotzdem, anders als bisher, für einen neuerlichen ministeriellen Erlass zum Leitbild „Rauchfreie Schule“?

Die öffentliche Diskussion der letzten Wochen zu diesem Thema hat uns gezeigt - das zeigen im Übrigen auch die Zitate von Herrn Dr. Klug -, dass Jugendschutz und Schule immer noch zwei Welten sind. Leider gibt es offenbar an Schulen immer noch zu viele pädagogische Kräfte, die sich für dieses Thema nicht zuständig fühlen, die glauben, ihre Aufgabe erschöpfe sich in Fachunterricht, die ihre Mitverantwortung für die Erziehung der Kinder und Jugendlichen ausblenden, die offenbar auch Jugendschutzreformen nicht zur Kenntnis nehmen.

Die Frage: „Was soll ich denn machen?“, die hier vorhin anklang, könnte ich genauso in anderen Fällen stellen. Was soll ich denn machen, wenn ein Schüler eine Schülerin verprügelt? Was soll ich denn machen, wenn es an meiner Schule zu Brandstiftung kommt? In jedem Fall wird es ein Verhaltensrepertoire geben. Dass der Schulverweis nicht die Lösung ist, ist ja wohl überdeutlich. Gerade die Schülerinnen und Schüler, die an der Hauptschule besonders schnell zur Zigarette greifen, sind auch diejenigen, die häufig andere schulische Probleme haben, und bei denen man als allererstes dem Schuleschwänzen vorbeugen und nicht den Weg in die Schulabsenz ebnen sollte. Das wäre geradezu eine Einladung zur Suchtkarriere.

Insofern teilen wir auch nicht die Drohgebärde anderer Bundesländer, von der zum Teil auch in den Medien berichtet wurde, dass dies die Lösung zur Durchführung eines Rauchverbots an den Schulen ist.

Ein Erlass zur rauchfreien Schule sollte vielmehr dazu auffordern, sich immer wieder dem Faktischen, vor allem aber auch heimlichem Rauchverhalten von Kindern und Erwachsenen an der Schule ehrlich und

(Angelika Birk)

aktiv zu stellen und alle dafür zu gewinnen, dass sie nicht rauchen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich glaube, in diesem Sinne haben Herr Eichstädt und ich uns sehr gut verstanden, und in diesem Sinne könnten wir auch einem Erlass folgen. Ich hoffe, wir finden hierfür mehr Zustimmung als bisher.

Ich hoffe, Frau Tengler, dass Sie mit dieser Lösung zufrieden sind. Es kommt darauf an, dass sich Persönlichkeiten tatsächlich aktiv für die rauchfreie Schule stark machen. Das ist - das ist immer noch meine Überzeugung - wichtiger als bedrucktes Papier.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich darf an dieser Stelle neue Gäste auf der Tribüne begrüßen, unter anderem die Mitarbeiterinnen der AWO-Kindertagesstätte in Altenholz. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt seiner Sprecherin, Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung vorweg: Ich glaube, ich gehöre zu den ganz wenigen hier im Raum, die schon einmal an einer Urabstimmung an einer Schule beteiligt gewesen sind, wo gerade dieses Leitbild der rauchfreien Schule zur Diskussion stand. Ich weiß also, wovon ich rede. Ich habe auch daran mitgewirkt, dass mein alter Arbeitsplatz eine Schulordnung bekam, in der von vornherein festgeschrieben wurde, dass alle verantwortlich und alle beteiligt sind. Das nur am Rande.

Ich möchte deutlich machen, dass der SSW für das Leitbild der rauchfreien Schule eintritt. So ist das.

Wir sind - genau wie alle anderen - darüber besorgt, dass so viele junge Menschen das Rauchen anfangen und wir wollen, dass das Rauchen an Schulen aufhört. Die Zahlen sind wirklich beunruhigend, aber wir fordern trotzdem eine Versachlichung der Debatte und wünschen hier keine Symbolpolitik.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wie schon im Ausschuss von mir gesagt, hält der SSW dieses Thema für zu wichtig, um Entscheidun

gen einfach so übers Knie zu brechen. Wir haben deshalb vorgeschlagen, dass der Bildungsausschuss sich nach der Wahl mit dem Thema rauchfreie Schule intensiv befassen sollte, um eine Lösung für das Problem zu erarbeiten. Das hilft den Schulen nach unserer Ansicht mehr als ein gut gemeinter Erlass, der zurzeit technisch nicht umsetzbar ist. Auch die GEW - das ist hier schon gesagt worden - hat dies in ihrer Pressemitteilung vom 21. Januar 2005 erkannt. Ich zitiere den GEW-Landesvorsitzenden, der hierzu sagt:

„Erfahrungsgemäß finden gerade Schülerinnen und Schüler immer wieder Wege, derartige Verbote zu umgehen.“

Das Leitbild der rauchfreien Schule ist also nur dann umsetzbar, wenn alle hinter dieser Entscheidung stehen. Deshalb wollen wir, dass die Schulkonferenzen dazu verpflichtet werden, sich mit dem Thema zu befassen. Sie sollen für ihre Schule ein maßgeschneidertes Konzept - einen Aktionsplan - zur Umsetzung dieses Ziels erstellen. Hierbei muss die Prävention natürlich eine maßgebliche Rolle spielen,

(Beifall beim SSW sowie der Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD] und Dr. Ekkehard Klug [FDP])

aber auch die Unterstützung für solche, die mit dem Rauchen aufhören wollen, muss vorhanden sein. Das ist ganz klar.

Es ist richtig, dass die Einstellungen der Kinder und Jugendlichen und der Lehrerinnen und Lehrer verändert werden müssen, wenn man den Einstieg in die Nikotinabhängigkeit vermeiden und den Ausstieg erleichtern will. Hier hilft ein Verbot per Ukas aber genauso viel wie der Versuch, einen Großbrand mit der Gießkanne zu löschen.

(Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW], Dr. Ekkehard Klug [FDP] und Wolf- gang Kubicki [FDP])

Wir regen daher an, dass das Land seine Präventionsmaßnahmen verbessert und ausweitet. Es soll den Schulen bei der Umsetzung eines schuleigenen Aktionsplans zur Seite stehen. Ganz klar muss es auch noch mehr Anreiz für das Nichtrauchen geben. Mehr Initiativen wie das Programm „Be smart - don`t start“ oder eine Ausweitung dessen, wären hier sehr hilfreich.

Zusammenfassend noch einmal: Auch wir vom SSW wollen rauchfreie Schulen; wir wollen mehr und bessere Prävention und vor allem wollen wir konkrete Politik für die Schulen und die Gesundheit hier im Land machen, aber wir wollen keine Symbolpolitik.

(Anke Spoorendonk)

Wir werden uns daher dem vorliegenden Antrag nicht anschließen.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Das Wort für die Landesregierung erteile ich Frau Bildungsministerin Erdsiek-Rave.