Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

40 %. Dazu hat offenbar beigetragen, dass es in den Niederlanden einen Anspruch auf Teilzeitarbeit gibt. Herr Kayenburg, auch dort hat es seitens der Unternehmen Kassandrarufe gegeben, wie Sie sie eben ausgesprochen haben. Herr Ritzek, ich weiß nicht, ob es in den Niederlanden Abgeordnete gegeben hat, die eine so schlechte Meinung von den dort ansässigen Unternehmern hatten, wie Sie das eben zum Besten gegeben haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Wenn es dem Wirtschaftsminister während dieser Debatte irgendwann „grottenschlecht“ gegangen ist, dann bei Ihrer Beschreibung von Unternehmen, die es nicht fertig bringen, Arbeitsabläufe vernünftig zu organisieren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Aktuelle Umfragen sprechen davon, dass etwa 3 Millionen Frauen und Männer Teilzeitarbeit wünschen. Die Nutzung dieses Nachfragepotenzials würde - nach den Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit - ganz erhebliche Entlastungseffekte auf dem Arbeitsmarkt auslösen. Kollege Baasch hat schon von 1 Million zusätzlicher Beschäftigungsverhältnisse gesprochen. Es ist doch richtig, dass es die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert. Insofern ist es auch ein Beitrag zum Gender Mainstreaming, einen verbesserten flexiblen Arbeitsmarkt für Frauen und Männer zu schaffen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Der Gesetzentwurf zielt bei der Ausweitung von Teilzeitarbeit auf ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen. Ich weiß nicht, ob Sie schon den Begriff „Flexicurity“ kennen. Er ist im europäischen Wirtschaftsraum inzwischen „in“. Dabei soll die Flexibilität für Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit der Sicherheit von Arbeitsplätzen und Arbeitskräften kombiniert werden. Das ist ein vernünftiges Ziel; einvernehmliche Lösungen stehen klar im Vordergrund. Dennoch ist die Grundlage eines Anspruchs wichtig zur Erzielung solcher einvernehmlicher Lösungen.

Eine Belastung kleiner Betriebe muss vermieden werden. Auch das ist überhaupt kein Streitpunkt. Deshalb sieht der Gesetzentwurf vor, dass bei Betrieben mit bis zu 15 Arbeitnehmern dieser Teilzeitanspruch nicht besteht. Möglicherweise wird im Gesetzgebungsverfahren über diese Schwelle noch zu sprechen sein. Schleswig-Holstein hat sich für eine Anhebung dieses Schwellenwerts ausgesprochen.

Ich darf Sie allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die weitere Behandlung dieser gestellten Anträge darauf hinweisen, dass es ein zustimmungsfreies Gesetz ist. Das sollte uns den Umgang mit allzu langen Ausschussberatungen erleichtern, die weitere Regulierungen vorschlagen, wie sie Herr Ritzek eben ins Gespräch gebracht hat.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Sie wissen, dass auch zustimmungsfreie Gesetzentwürfe vom Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit beschlos- sen werden können!)

Zum zweiten Kernbereich des Entwurfs, nämlich zu den neuen Regelungen über befristete Arbeitsverträge, will ich nur ein paar kurze Anmerkungen machen. Der Gesetzentwurf enthält auch in diesem Teil seiner Regelungen einen fairen Kompromiss, der für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer tragbar ist. Mit der so genannten erleichterten Befristung, nämlich der Möglichkeit von befristeten Arbeitsverträgen bei Neueinstellungen ohne sachlichen Befristungsgrund, können Arbeitgeber hinreichend flexibel auf Auftragsspitzen reagieren.

Natürlich hat die Frau Abgeordnete Hinrichsen Recht, dass es eine Systemfrage ist, ob man dieses Problem so löst oder ob man das über eine andere Behandlung der Frage des Kündigungsschutzes löst. Letztlich ist wichtig, dass eine notwendige Flexibilität erreicht wird. Ich denke, diese Form der erleichterten Befristung in solchen Fällen ist eine beschäftigungspolitisch sinnvolle Alternative zu Leiharbeit, zu Überstunden, zu Outsourcing.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist doch ge- nau die Konsequenz!)

Dabei stellen nach meiner Überzeugung die aufgrund der Vorgaben der EG-Richtlinie im Gesetzentwurf festgelegten Befristungsbeschränkungen - ich habe es schon gesagt - ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Anpassungsfähigkeit aufseiten des Arbeitgebers einerseits und Schutz des Arbeitnehmers andererseits sicher. Im Übrigen gibt es darüber hinaus auch die Möglichkeit tariflicher Vereinbarungen.

Ich denke, wir sollten - wie in den Niederlanden einem solchen Gesetz die Chance geben, sich in der Praxis zu bewähren, und im Gesetzgebungsverfahren ein aufmerksames Auge darauf haben, ob es in Einzelfragen noch Klärungs- und Verbesserungsbedarf gibt, auch wenn wir formal nicht zustimmen oder ablehnen können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich trete in die Abstimmung ein. Es ist Ausschussüberweisung beantragt. Werden weitere Anträge gestellt?

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: In der Sache abstimmen!)

- Es ist also Ausschussüberweisung auf der einen und Abstimmung in der Sache auf der anderen Seite beantragt.

Zuerst ist über die Ausschussüberweisung abzustimmen. Wer den Antrag der F.D.P., Drucksache 15/469, in den zuständigen Wirtschaftsausschuss überweisen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dieser Antrag ist mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU und F.D.P. abgelehnt.

Ich lasse nun über den Antrag in der Sache abstimmen. Wer dem Antrag Drucksache 15/469 in der Sache zustimmen will, den bitte ich um sein deutliches Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU und F.D.P. abgelehnt worden. Der Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 12 auf:

Pfandpflicht für ökologisch nachteilige Getränkeverpackungen

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/516

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/535

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die SPD-Fraktion erhält der Herr Abgeordnete Helmut Jacobs.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Warum debat- tieren wir jetzt darüber? Das ist nicht zu- stimmungspflichtig! Wir brauchen gar nicht darüber zu debattieren!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist festzustellen, dass trotz einer Verpakkungsverordnung mit dem Drohinstrument, ein Dosenpfand einzuführen, falls die Mehrwegquote über mehrere Jahre hinweg unter die 72-%-Marke sinken sollte, der Anteil der Einwegverpackungen für Getränke kontinuierlich zunimmt. In gleichem Maße reduzierte

sich die Verwendung von Mehrwegverpackungen. In Schleswig-Holstein werden sogar rund 35 % aller Getränke in Einwegverpackungen verkauft. Das liegt sicherlich mit daran, dass zu wenige Kommunen in ihrem Befugnisbereich für dosenfreie Zonen sorgen.

Die alte Bundesregierung mit ihrem Umweltminister Töpfer hatte die Verpackungsverordnung auf den Weg gebracht, weil sie erkannt hatte, dass sich der Trend zu Einwegverpackungen nachteilig auf unser Wirtschaftsgefüge und auf den schonenden Umgang mit den Ressourcen auswirken würde. Es lag in der Hand der Getränkeindustrie, ein Dosenpfand abzuwenden.

Die Getränkeindustrie füllte aber unbeirrt weiter und zunehmend in Dosen ab. So ist nach der derzeit gültigen Verpackungsordnung die logische Konsequenz, im Sommer 2001 ein Dosenpfand von 50 Pf. einzuführen. Dieses Dosenpfand gilt nur für Bier und Mineralwasser, dagegen wären sonstige Getränke, insbesondere kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke, von dieser Regelung ausgenommen.

Fruchtsäfte und Milchgetränke werden zunehmend in Kartonverpackungen abgefüllt. Kartonverpackungen sind wegen ihres geringen Gewichtes und wegen ihrer hohen Recyclingquote in ökologischer Hinsicht fast mit der Mehrwegverpackung vergleichbar.

(Beifall der Abgeordneten Christel Aschmo- neit-Lücke [F.D.P.])

Die Verwertung dieser Einwegverpackungen wurde deutlich verbessert. Es wurde mengenmäßig mehr verwertet und die Qualität der Verwertung ist durch neue Verfahren verbessert worden. Hierzu haben die Verbraucher durch das Getrenntsammeln entscheidenden Anteil.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Wenn sich die Umweltminister der Bundesländer und der Bundesumweltminister für eine Novellierung der Verpackungsverordnung einsetzen, liegt das an der Erkenntnis, dass die derzeitige gesetzliche Regelung mit der Bezugnahme auf Mehrwegquoten aus heutiger Sicht keine optimale Lösung mehr darstellt. Eine neue Verpackungsverordnung sollte als einziges Steuerungsinstrument nicht nur die Einhaltung einer bestimmten Quote haben. Vielmehr erscheint es sinnvoller, in einer novellierten Verpackungsverordnung zwischen ökologisch nachteiligen und ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen zu unterscheiden. Eine Pfandpflicht für alle ökologisch nachteiligen Verpakkungen wäre sinnvoll.

Bemerkenswert ist auch, dass einwegverpackte Produkte oft deutlich längere Wege - teils quer durch

(Helmut Jacobs)

Europa - hinter sich haben als Erzeugnisse in Pfandflaschen.

(Lothar Hay [SPD]: Ja!)

Diese werden sogar in unserer Nachbarschaft abgefüllt. Besonders die mittelständischen Betriebe, die Brauereien, nutzen die Pfandflasche und haben seit Jahrzehnten in vernünftige Mehrwegsysteme investiert.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall beim SSW)

Die Gegner einer Novellierung der Verpackungsverordnung tragen die üblichen, durch ständige Wiederholung allerdings nicht richtiger werdenden Parolen vor, die Getränkepreise würden in die Höhe getrieben und Arbeitsplätze gefährdet.

Dass derartige Aussagen unsinnig sind, führt uns Dänemark vor Augen. Dort gibt es bereits seit Jahren keine Bierdosen und Einwegflaschen mehr. Kohlensäurehaltige Getränke werden dort selbstverständlich in Pfandflaschen abgefüllt. Ich meine, die Dänen sind uns in vielen Bereichen Vorbild und könnten dies vielleicht auch sein, was die konsequente Vermeidung von Einwegverpackungen anbelangt.

(Beifall bei SPD und SSW)

Der größte Gewinner einer novellierten Verpackungsverordnung wird jedoch unsere Umwelt sein. In jeder Gemeinde gibt es Plätze, die durch weggeworfene leere Einwegverpackungen verunstaltet werden. Besonders offensichtlich ist dies noch immer an Autobahnrastplätzen und an den Ufern unserer Gewässer. Eine generelle Pfandpflicht wird zur Folge haben, dass Umweltverschmutzungen durch Einwegflaschen und Getränkedosen endlich ein Ende haben.

(Beifall bei der SPD)

Zu dem CDU-Änderungsantrag, nach dem die Verpakkungsverordnung auf der Grundlage vorliegender ökologischer und ökonomischer Fakten überprüft werden soll, sei gesagt, dass das bereits geschehen ist. Es gibt eine umfangreiche Studie zu diesem Thema, die von vier Instituten erarbeitet worden ist. Diese Ökobilanz wurde im August vom Bundesumweltminister und vom Präsidenten des Umweltbundesamtes vorgelegt. Sie hat gezeigt, dass eine Novellierung erforderlich ist.

Darum bitte ich Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Frauke Tengler das Wort.