Protokoll der Sitzung vom 22.02.2001

Drittens. Wir haben es mit Schwankungen in der Energieproduktion zu tun, die sich, wie Sie wissen, im Trend natürlich wieder ausgleichen. 1999 ist sie besonders stark gestiegen, im Jahr 2000 war sie rückläufig, was mit Revisionszeitpunkten zusammenhing,

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

und 2001 wird sie wieder anziehen. Was mindestens so wichtig ist: Die erneuerbaren Energien in Schleswig-Holstein sind ein Wachstumsmotor.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Schauen Sie sich einmal an, wie viele Arbeitsplätze allein in diesem Bereich in Husum und in Lübeck schon entstanden sind.

Viertens reagiert unsere Wirtschaftsstruktur noch immer weniger stark auf Konjunktur- und Wechselkursschwankungen, als es in anderen Ländern der Fall ist. Das hat natürlich Vor- und Nachteile. Jedenfalls führt es dazu, dass unsere Wirtschaft im Aufschwung langsamer zulegt, im Abschwung aber auch weniger zurückfällt. In 1999 hatten wir - das wissen Sie - beim Wachstum einen Spitzenplatz, weil er nicht so stark außenwirtschaftlich bedingt war, 2000 lagen wir weiter hinten, 2001 wird wieder ein gutes Jahr. Was zählt, ist nicht das Ergebnis eines Jahres, sondern der Trend.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Lassen Sie mich zum Trend etwas sagen. Beim Wirtschaftswachstum nimmt Schleswig-Holstein seit 1990 Platz fünf unter allen Westländern ein, bei den Unternehmensgründungen Platz drei, bei den durch Existenzgründungen geschaffenen Arbeitsplätzen ebenfalls Platz drei, bei der Arbeitslosenquote Platz fünf, bei den Zuwachsraten bei ausländischen Direktinvestitionen Platz drei und bei den Neuansiedlungen Jahr für Jahr neue Rekorde. Ist das eine negative Bilanz? Nein, es ist eine positive Bilanz.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, öfter mit den Unternehmen im Lande oder auch mit dem Präsidenten des Unternehmensverbands oder der Kammern sprechen würden, dann wüssten Sie auch, dass das Wirtschaftsklima in SchleswigHolstein gut ist, so gut übrigens, dass schon niemandem mehr auffällt, dass die Opposition in Sachen Wirtschaftspolitik nicht den Hauch einer Alternative bietet.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Geschäftsklima und die Geschäftserwartung im verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich sind - schauen Sie sich die letzten Umfragen an positiv. Alle vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass 2001 ein gutes Jahr wird.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Dürfen wir Sie da beim Wort nehmen?)

Die Nachfragesituation, meine Damen und Herren von der Opposition, ist besser als im Bundesgebiet. Die Aufträge sind stärker gestiegen, die Auftragslage ist gut.

Aber klar ist auch eines: Wir sind noch nicht so gut, dass wir uns zurücklehnen können. Der Wettbewerb wird, gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen, immer härter. Stichworte sind Preisdumping, härtere Verträge für Zulieferer, illegale Beschäftigung, rigoroses Benchmarking von Betriebsstandorten, Tendenz zu Fusionen, die übrigens nicht immer erfolgreich sind. Die Antwort kann doch nur sein: Wir müssen uns noch mehr anstrengen, und zwar gemeinsam. Für die Unternehmen heißt das, schneller zu reagieren und neue Marktchancen zu nutzen. Für die von Brüssel und Berlin gesetzten Rahmenbedingungen heißt das, mehr Rücksicht auf mittelständische Belange zu nehmen.

Für die Wirtschaftspolitik der Landesregierung heißt das, den Wirtschaftsstandort weiter fit zu machen. Das bedeutet Verkehrsinvestitionen, Unterstützung von Innovationen, Qualifizierung und die Förderung von Unternehmen. Hier ist noch viel zu tun.

(Martin Kayenburg [CDU]: Ja!)

Wir haben eine Menge erreicht. Wir sind dabei, den Standort Schleswig-Holstein weiter nach vorn zu bringen. Herr Kayenburg, schauen Sie sich bitte an, was im Moment in Schleswig-Holstein passiert!

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, bitte beachten Sie die vereinbarte Redezeit.

Herr Präsident, bitte noch einen Moment, ich nenne noch einige Stichpunkte: Die A 20 ist im Bau, der Plan für die Wakenitzquerung ist festgestellt, sie befindet sich demnächst im Bau. Die Planung für Bad Segeberg läuft, die A 1 ist bei Oldenburg/Heiligenhafen im Bau, es gibt mehr Geld für Verkehrsprojekte in SchleswigHolstein, die Elektrifizierung ist im Planungsverfahren, es gibt mehr Schienen im Nahverkehrsbereich Schleswig-Holsteins, der Multimediacampus wird realisiert, es gibt neue Gründer- und Transferzentren, ISiT wird gestärkt, neue Studiengänge werden eingeführt und es gibt Gründerhilfen in der Biotechnologie. Herr Kubicki, Highlights sind die Campushalle und das Weiterbildungszentrum in Flensburg, der Ausbau

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

der Häfen Kiel und Lübeck und so weiter. Herr Kayenburg, wenn das Ankündigungen sind, dann möchte ich wissen, was Sie früher gemacht haben.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es darum geht, gemeinsam etwas für den Standort zu tun, dann wäre ich Ihnen ausgesprochen dankbar, wenn Sie dazu beitrügen, dass wir zum Beispiel die Trassendiskussion für die A 20 vor Ort gemeinsam führen und ich nicht - jedenfalls was Kommunalpolitiker angeht - von der Opposition gegenteilige Signale höre. Das wäre eine Unterstützung.

(Beifall bei SPD und F.D.P. - Zurufe von der CDU - Unruhe)

- Sie brauchen gar nicht in diese Richtung zu blicken. Bitte sprechen Sie mit Ihren Parteifreunden vor Ort. Dann wissen Sie, was ich meine.

Ich wäre froh, wenn wir diese Aktuelle Stunde mit einem gemeinsamen Aufruf beenden könnten, nämlich dass wir gemeinsam für den Standort SchleswigHolstein eintreten wollen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie uns dabei unterstützten. Ich wäre auch froh über Ihre Unterstützung gegenüber der Bundesregierung in Berlin, zum Beispiel um die skandinavischen Partner in dem Anliegen einer festen FehmarnbeltQuerung zu stützen. Das wäre konstruktive Oppositionsarbeit, über die ich mich freuen würde. Wir sind auf einem guten Weg.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wenn aus dem Plenum keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, ist die Aktuelle Stunde abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Drittmittelfinanzierte wissenschaftliche Mitarbeiter

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 15/716

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Jürgen Weber das Wort.

(Unruhe)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich warte noch, damit der eine oder andere, der es gern möchte, den Raum verlassen kann. - In Berlin wird die Bundesregierung in Kürze ihre Gesetzentwürfe zur

Reform von Dienstrecht und Personalstruktur im Hochschulbereich vorlegen. Das ist eine sicherlich dringend notwendige und überfällige Reform. Auf einen kleinen Mosaikstein einer für SchleswigHolstein notwendigen Veränderung im Wissenschaftssektor möchten wir heute mit diesem Antrag Ihr Augenmerk richten.

Es geht um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in so genannten Drittmittelforschungsbereichen. Insbesondere in den Großforschungseinrichtungen - wie zum Beispiel bei Max-Planck, bei Fraunhofer oder in Einrichtungen der so genannten Blaue Liste-Instituten - gibt es sehr viele befristet Angestellte, die aus so genannten Drittmitteln finanziert werden, das heißt aus Mitteln, die nicht aus den Wissenschaftsetats von Hochschulen stammen, sondern aus Mitteln von Stiftungen, Forschungsgemeinschaften, der EU oder anderen Einrichtungen.

Nach § 57 des Hochschulrahmengesetzes werden solche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit kurzfristigen Folgeverträgen für maximal fünf Jahre angestellt. Eine weitere Anstellung ist den Arbeitgebern im Regelfall zu unsicher, weil befürchtet werden muss, dass Festanstellungen eingeklagt werden. Das hat in der Tat überall dort, wo Forschungseinrichtungen bestehen, zu nicht akzeptablen Problemen geführt.

Ich nenne nur einige Anhaltspunkte: In der Praxis ist es immer häufiger so, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst dafür Sorge tragen, dass Projekte eingeworben werden, mit denen ihre Arbeit finanziert wird. Auch wenn sie wissenschaftlich noch so erfolgreich sind und es ihnen aufgrund ihrer Arbeit gelingt, ein neues oder erweitertes Projekt an Land zu ziehen, können sie ihre Arbeit nicht fortsetzen, wenn die fünf Jahre um sind. Da immer mehr wissenschaftliche Forschungsprojekte international vergeben werden und auch internationale Forschungsverbünde und Forschungsteams voraussetzen, sind die deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch diese Fünf-Jahres-Regel zunehmend im Wettbewerbsnachteil gegenüber ihren ausländischen Kolleginnen und Kollegen.

Hinzu kommt, dass wir gerade im naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Bereich immer mehr drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte haben, die länger als fünf Jahre laufen. Zum Beispiel sind im Bereich der Klimaforschung Projekte mit einer Laufzeit von mehr als zehn Jahren keine Ausnahme. Hier ergibt sich oft das absurde Problem, dass im laufenden Projektverfahren qualifizierte Forschungsteams komplett ausgetauscht werden müssen. Das kann keinen

(Jürgen Weber)

Sinn machen, das ist kontraproduktiv für unseren Wissenschaftsstandort.

(Beifall bei SPD, F.D.P. und SSW)

Es ist den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht zumutbar, die in diesen Projekten arbeiten. Wissenschaftlich erworbene Expertise geht ohne Not verloren. Das ist nicht nur wissenschaftspolitisch kontraproduktiv, das ist zum großen Teil auch ökonomisch kontraproduktiv, weil viele dieser Forschungsbereiche sehr stark anwendungsbezogen und wirtschaftsnah organisiert sind.

Wir wollen gern dafür Sorge tragen, dass dies bei den anstehenden Beratungen über die Reform von Dienstrecht und Personalstruktur in Berlin beachtet wird. Wir bitten die Landesregierung deshalb, bei den Beratungen entsprechend tätig zu werden.

Ich möchte noch auf ein Missverständnis eingehen, das in der Debatte häufig auftaucht. Es geht nicht darum, im Hochschulbereich weniger befristete Stellen zu erreichen. Natürlich wollen wir die qualifizierten Stellen an Hochschulen weiterhin unter Beachtung von Befristung, Flexibilität und Nachwuchsförderung belegen. Es geht auch nicht um neue Dauerstellen im wissenschaftlichen Bereich. Es geht lediglich darum, eine Anpassung des Rahmenrechts zu finden und auf eine geänderte globale Forschungslandschaft und Forschungsfinanzierung zu reagieren.

Seit knapp zwei Jahren gibt es eine hier in Kiel entstandene Initiative aus Wissenschaftlern von GEOMAR und dem Institut für Meereskunde, die auf dieses Problem dringlich aufmerksam macht. Nicht zuletzt deswegen steht es uns als Schleswig-Holsteinischem Landtag gut an, diese Initiative aufzugreifen und von dieser Stelle aus zu unterstützen.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.] und Anke Spoorendonk [SSW])

Heute Morgen hat mich die Information erreicht, dass sämtliche Professoren des Instituts für Meereskunde diese Initiative - ausgehend von ihrer Erfahrung - ausdrücklich unterstützen. Das zeigt, dass dies kein Thema ist, das nur von einer kleinen Gruppe des Wissenschaftsbereichs getragen wird. Es ist vielmehr ein Thema, das von den Wissenschaftlern gemeinsam getragen wird. Es ist richtig und sinnvoll, sich heute damit zu befassen. Die Vorlagen in Berlin stehen kurz vor der Präsentation. Wir sollten uns heute einen Ruck geben und ein Zeichen setzen, das jungen Forscherinnen und Forschern unseres Landes den Rücken stärkt. Ich hoffe, dass Sie alle unserem vorgelegten Antrag zustimmen können.