Die öffentlichen Schulen können diese Mängel sicherlich nur so gut es geht ausgleichen. Eigentlich müsste man beim Elternhaus und bei der Sprachentwicklung im Vorschulalter ansetzen.
Aber natürlich müssen die Schulen auf diese wirklich Besorgnis erregenden Tendenzen reagieren. Deshalb ist es schlimm, wenn in einem Land wie SchleswigHolstein Fördermöglichkeiten, wie sie in den bewährten Sprachheilschulen bestehen, eingeschränkt werden. Auch wenn sich das Land nicht auf die Fahne schreibt, diese Sprachheilgrundschulen abzuschaffen, werden sie de facto personell so ausgetrocknet, und zwar scheibchenweise von Jahr zu Jahr, dass sie ihre Aufgabe nicht mehr hinreichend erfüllen können.
Ich glaube, allen Fraktionen liegt das Schreiben der Kreiselternbeiratsvorsitzenden der Kieler Grund-, Haupt- und Sonderschulen, Frau Rüchel, vor. Sie hat sich an die Landtagsfraktionen gewandt und darauf hingewiesen, dass in Kiel vor einem Jahr zwei Planstellen im Bereich der Sprachheilgrundschulen abgezogen wurden und dass durch die Entscheidung des Schulrates nun drei weitere Planstellen wegfallen sollen. Das Ergebnis ist, dass Konzepte wie Frühförderung im Kindergarten, Präventionsgruppen im vorschulischen Bereich, die Bildung von Stammklassen für stark sprachauffällige Kinder oder die sprachheilpädagogischen Förderzentren nicht mehr hinreichend unterfüttert sind. Ich halte das für verheerend; ich finde, das ist ein bildungspolitischer Skandal erster Güte und wirklich ein Schandfleck auf der Weste einer Landesregierung, die vorgibt, etwas für Benachteiligte und Behinderte tun zu wollen, dann aber funktionierende Fördermaßnahmen in dieser Weise einschränkt.
Die Sprachheilgrundschulen sind vor Jahrzehnten als ein wichtiges Reformmodell entstanden. Jetzt werden sie - das ist mein Eindruck - auf dem Altar einer pseudofortschrittlichen Integrationsideologie schlicht und ergreifend geopfert, und zwar in Form einer schrittweisen, sukzessiven Austrocknung dieser Schulen. Eigentlich müsste es doch angesichts der Entwicklung, die ich geschildert habe und auf die Susanne Gaschke in der „Zeit“ hinweist, mehr solcher Förderprojekte geben - und sei es auch in Form von sprachheilpädagogischen Zügen an normalen Grundschulen. Das könnte man sogar - hier und da - außerhalb der Städte im ländlichen Raum organisieren. Ich halte den Abbau der Förderung von sprachbehinderten und sprachgestörten Kindern für einen schweren bildungspolitischen Fehler. Dem Antrag von Frau Eisenberg, der mit
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn wir Politiker vielleicht manchmal etwas zu viel reden, so sind wir uns sicher einig: Alle Kinder haben das Recht, sprechen zu lernen.
Es mehren sich kritische Stimmen, dass die bisherige Integration von Kindern mit Sprachstörungen in der Grundschule nicht gut klappt und die daneben existierenden Sprachheilschulen sowie die von Herrn Höppner angesprochenen sonstigen Förderschulen für den Sprachunterricht zu wenig Kapazitäten haben. Um beurteilen zu können, wie die bisherige Integration des Sprachheilunterrichts in die Grundschule erfolgt und in welcher Form, in welchem Umfang daneben Sprachheilschulen oder sonstige Förderzentren notwendig sind, brauchen wir landesweit erhobene Fakten und Einschätzungen. Daher fordert meine Fraktion gemeinsam mit der SPD einen Bericht der Landesregierung zu diesem Thema.
Eines allerdings steht jetzt schon fest: Wir brauchen eher mehr als weniger Sprachheilunterricht - insofern ziehen wir mit der Opposition an einem Strang -, denn die Zahl der Kinder, bei denen beim Schuleintritt Sprachfehler oder Sprechstörungen festgestellt werden, ist erschreckend hoch. So dokumentiert der Gesundheitsbericht der Hansestadt Lübeck, der neulich vorgelegt wurde, dass bei fast jedem sechsten Kind beim Schuleintritt Sprachfehler oder Sprechstörungen festgestellt wurden. Hinzu kommt noch eine Dunkelziffer, weil bei Kindern, die nicht richtig Deutsch gelernt haben, Sprachfehler oft nicht erkannt werden. Diese Werte liegen im bundesweiten Trend und sind - so jedenfalls der Bericht der Hansestadt Lübeck - in Schleswig-Holstein anderenorts sogar noch höher.
Weil dieser Bericht von Interesse ist, möchte ich doch einige wenige Fakten herausgreifen. Es ist auffällig, dass Jungen mehr Probleme als Mädchen haben. In Lübeck sind es bei den Jungen im Schnitt 17 %, bei den Mädchen 12 bis 13 %. Zumindest bisher ist nicht zu erkennen, dass ausländische Kinder mit einer nicht deutschen Muttersprache einen höheren Anteil der Kinder mit Sprach- und Sprechstörungen stellen. Allerdings muss man wohl konzedieren, dass insofern
auch Fälle übersehen werden, weil man manches, was in Wirklichkeit etwa ein Dysgrammatismus ist, auf die mangelnden Sprachkenntnisse schiebt. Darüber hinaus haben wir - das festzuhalten ist sicher wichtig -, in Lübeck in den jeweiligen Stadtteilen einen Zusammenhang zwischen der Prozentzahl der Kinder mit Sprachstörungen und deren Armut festzustellen. Allerdings ist dieser Zusammenhang nicht so eng, als dass man sagen könnte, dass man Sprachprobleme am Portemonnaie der Eltern festmachen könnte. Insofern ist es natürlich spannend zu sehen, inwiefern die Frühförderung in den Kindergärten gegriffen hat.
Das ist ein weiteres Stichwort für mich. Ich gehe davon aus, dass der Bericht - auch wenn wir das nicht explizit in unserem Antrag genannt haben - natürlich im Rahmen des schleswig-holsteinischen Konzepts auch die Frühförderung innerhalb und außerhalb des Kindergartens umfasst, die aber leider noch nicht überall flächendeckend erfolgt und insbesondere nicht die Kinder mitnehmen kann, die gar nicht in den Kindergarten gehen oder die nicht rechtzeitig einer Ärztin oder einem Arzt vorgestellt wurden.
An dieser Stelle möchte ich eine Bemerkung machen, auch wenn Frau Moser im Moment gerade nicht anwesend ist. Im Rahmen der Debatte um die zukünftige Weiterentwicklung des Gesundheitsdienstes wird es uns natürlich zu interessieren haben, wie viel Kapazitäten die Kommunen haben, um solche frühzeitigen Untersuchungen flächendeckend bei Kindern zu leisten, um festzustellen, ob Kinder Sprach- und Sprechstörungen haben.
Es ist kein Wunder, dass dieses Thema angesichts der fortgeschrittenen Zeit unserer Sitzung heute kaum noch jemanden interessiert. Dennoch möchte ich im Namen der Kinder, die es betrifft, noch einmal ein paar grundsätzliche Bemerkungen machen.
Meine sehr verehrten Kollegen, es wäre schön, wenn Sie sich die Zeit nehmen würden, der Rednerin etwas intensiver zuzuhören. Danke!
Wir brauchen also möglichst bald den Bericht der Landesregierung, denn auch uns ist daran gelegen, dass nicht sozusagen unter der Hand etwas ausgehöhlt wird. Vielmehr müssen wir eine bewusste Entscheidung darüber treffen, was wir wirklich wollen. Insofern muss es also einen Plan geben.
Eine grundsätzliche Überlegung sollte uns aber zu mehr veranlassen. Das führt dann auch wieder zum Thema des ersten Tagesordnungspunktes zurück. Ich meine eine Neubestimmung der Schule. Offensichtlich haben viele Kinder nicht genug Gelegenheit, von Erwachsenen und anderen älteren Kindern sprechen zu lernen. Da nützt auch der große Fernsehkonsum nichts - im Gegenteil: Sprechen lernen Kinder nur von Menschen, die sich ihnen zuwenden, sie ermuntern sich mitzuteilen, ihnen zuhören und freundlich antworten. Hierfür alle Erwachsenen zu gewinnen braucht allerdings mehr als Sprachheilunterricht in der Schule.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heutzutage über Politik für Menschen mit Behinderungen sprechen, dann ist Normalität das oberste Ziel. Diese Menschen sollen so weit wie möglich ein selbstbestimmtes, gesellschaftlich eingebettetes Leben führen können. Eine Folge dieses Prinzips ist, dass wir die Bildungspolitik für Behinderte daran ausrichten, so viele wie möglich so weit wie möglich in Regelschulen mit nicht Behinderten zu integrieren, statt sie in Sonderschulen zu schicken. Integration hat also Vorrang vor gesonderter Behandlung, wobei natürlich zu beachten ist, dass Integration nicht immer möglich, wünschenswert oder erwünscht ist. Ausschlaggebend muss sein, was für die betroffenen Menschen das Beste ist. Das kann auch einmal gesonderter Unterricht sein, wenn die sprachliche Störung so erheblich ist, dass es auch mit zieldifferenziertem Unterricht nicht mehr leistbar ist, die Spanne zu überbrükken.
Der Umgang mit Sprachproblemen ist auch von der Besonderheit geprägt, dass ein frühes und konzentriertes Eingreifen häufig eine spätere Einschulung in
eine Regelschule ermöglichen kann. In diesem Sinne soll der gesonderte Unterricht sprachgestörter Kinder in Sprachheilgrundschulen nur vorübergehend erfolgen und die Grundlage für einen eventuell ambulant betreuten Besuch einer Regelschule sein.
Die heutige Debatte über Zukunft und Erhalt der Sprachheilgrundschulen, die dieses Haus ja schon seit einigen Jahren beschäftigt, kann sich aber nicht allein auf Fragen der richtigen Behandlung von Sprachstörungen konzentrieren. Sie muss auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die Bundesrepublik in den 70er-Jahren international einen Sonderweg gegangen ist, als die Zahl der Sprachheilschulen geradezu explodiert ist. Diese ganz eigenen strukturellen Bedingungen bilden die Kulisse, vor der die heutige Diskussion zu bewerten ist.
In der Bildungspolitik tobt heute - wie überall - ein Kampf um die begrenzten Steuermittel. Auch das darf man nicht vergessen. Die Sprachheilgrundschulen sind als gesonderter Teil des Schulwesens in die Klemme geraten, weil dieses ohnehin sehr großzügig dimensionierte Wesen durch eine neue Form der integrativen Pädagogik zum Teil als durch andere Möglichkeiten ersetzbar angesehen wird. Das heißt bestimmt nicht, dass die Sprachheilpädagogik überflüssig oder wertlos ist. Die pädagogische präventive Arbeit in den Sprachheilgrundschulen ist erfolgreich und unverzichtbar. Richtig ist natürlich auch, dass es heute immer mehr Kinder mit Sprachstörungen gibt. Auch das dürfen wir nicht vergessen.
Wir müssen aber auch erkennen, dass sich die Hilfen für Menschen mit sprachlichen Behinderungen mittlerweile weiterentwickelt haben. Zum einen hat man bewusst darauf gesetzt, diese Menschen möglichst in die Regelschule zu integrieren - ich sprach es schon an - und sie ambulant zu betreuen. Zum anderen zeigt die Erforschung der Sprachentwicklung, dass die Behandlung möglichst früh einsetzen muss. Die betroffenen Kinder sollten daher bereits im frühen Kindergartenalter in der Kindertagesstätte sprachliche Frühförderung erhalten statt in den Vorklassen der Sprachheilgrundschulen.
Diese Entwicklung hat selbstverständlich Folgen für die Sprachheilgrundschulen. Es ist nicht möglich, die neuen, integrativen, frühzeitig-präventiven Zielsetzungen zu verfolgen und gleichzeitig die Sprachheilgrundschulen in vollem Umfang aufrechtzuerhalten. Dass diese Entwicklung nicht alle erfreut, ist auch klar. Ich bin aber davon überzeugt, dass es der richtige Weg ist.
Ich stehe auf dem Standpunkt, dass die beste Betreuung der Kinder im Vordergrund stehen muss. Deshalb halte ich es für falsch, die Sprachheilgrundschulen unter „Denkmalschutz“ zu stellen, indem die Plan
stellen gesondert ausgewiesen werden. Wir haben schon des Öfteren in anderen bildungspolitischen Debatten über mehr Autonomie und Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen gesprochen. Ich meine, dass wir es der unteren Schulbehörde überlassen sollten, die richtige Gewichtung des Einsatzes der Planstellen vor Ort zu finden. Dort ist die Entscheidung richtig angesiedelt.
Einer regelmäßigen Berichterstattung über die Entwicklung der Sprachheilgrundschulen können wir ebenfalls nicht ohne weiteres zustimmen, weil uns bei allem Respekt vor der Arbeit der Lehrkräfte in diesen Schulen die gesonderte Hervorhebung dieses speziellen Schulzweiges etwas unsystematisch erscheint. Das ist aber aus unserer Sicht kein Dollpunkt.
Manchmal beschleicht mich aber der Verdacht, dass es in dieser Debatte weniger darum geht, die Grenzen der Integration von Menschen mit Behinderung aufzuzeigen, als andere, vielleicht behindertenpolitisch fremde Interessen zu vertreten. Es kann nicht zuerst darum gehen, bestehende Einrichtungen aufrechtzuerhalten. Es kann auch nicht darum gehen, die Integration der Kinder mit sprachlichen Behinderungen gegen die Unterrichtsqualität auszuspielen.
Heute haben wir mehrfach unseren bildungspolitischen Ritter, Herrn Dr. Klug, angesprochen. Ich will aus einer seiner Presseerklärungen zitieren.
„Die Vermittlung der Kulturtechniken wird in den Grundschulen angesichts einer wachsenden Zahl förderbedürftiger Problemfälle weiter in den Hintergrund rücken.“
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Schleswig-Holstein wird eine bundesweit vorbildliche sprachheilpädagogische Arbeit geleistet.