Protocol of the Session on May 11, 2000

Login to download PDF

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, damit wir mit der heutigen Sitzung beginnen können.

Die Sitzung ist eröffnet.

Ich habe zunächst mitzuteilen, dass der Herr Abgeordnete Rainer Wiegard nach wie vor erkrankt ist. Wir wünschen ihm von hier aus gute Besserung.

(Beifall)

Auf der Tribüne begrüße ich Besuchergruppen der Toni-Jensen-Gesamtschule aus Kiel und des Jugendhofs Scheersberg mit Jugendlichen aus MecklenburgVorpommern.

(Beifall)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 9 und 24 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Sonderausschuss „Kommunales zur Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen dem Land und den Kommunen“

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/23

b) Einsetzung einer Enquetekommission „Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen sowie Kommunen untereinander“

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/72

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/94

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/95

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Astrup.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns heute - wie im Ältestenrat vereinbart - in gemeinsamer Debatte erstens über die Einsetzung eines Sonderausschusses - wie ausgedruckt - und zweitens über die Einsetzung einer Enquetekommission zu unterhalten.

Wir hören in diesen Tagen und Wochen landauf, landab, dass beispielsweise der Finanzminister und viele andere nicht müde werden, immer und immer wieder darauf hinzuweisen, dass dem Land SchleswigHolstein, dem Landeshaushalt Schleswig-Holstein, bis zu - das sage ich ausdrücklich - 750 Millionen DM im Haushalt 2001 fehlen könnten, angelehnt an die mittelfristige Finanzplanung. Aus diesem Grund hat die Landesregierung gesagt, alle Förderprogramme seien auf null zu setzen und neu zu beantragen. Es wird der massive Versuch gemacht, den Landeshaushaltsentwurf 2001 zur Deckung zu bringen, denn gemäß Artikel 50 der Landesverfassung muss dieser Entwurf schon im Ansatz in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen sein.

Wir alle warten gespannt auf die Steuerschätzungsergebnisse von Mitte Mai, von denen wir alle nicht genau wissen, wie sie ausfallen werden. Gleichzeitig haben wir zu erwarten, dass die Beschlüsse der Berliner Regierung zur Steuerreform die öffentliche Hand, das heißt auch die Kommunen und das Land, Geld kosten werden. Auf der anderen Seite haben wir - wie wir gestern in der Regierungserklärung und in den Erwiderungen dazu gehört haben - in den nächsten Jahren bis 2006 das größte in sich geschlossene Förderprogramm, das dieses Land jemals gesehen hat, zu erwarten. Mit den Begriffen „ziel“ und „ZAL“ von über 2 Milliarden DM bis 2006 steht uns eine Menge ins Haus, was wir aber - und das ist das Problem an dieser Stelle - komplementär finanzieren müssen.

An diesem Punkt haben sich die Fraktionen Gedanken gemacht. Zunächst haben sich die Regierungsfraktionen Gedanken machen müssen. Das haben sie im Koalitionsvertrag getan und dort sehr deutlich gesagt, sie, die Koalitionsfraktionen, wollen mit den Kommunen in Verhandlung zur finanziellen Lösung - auch zur finanziellen Lösung - des gemeinsamen Problems zwischen Land und Kommunen eintreten und damit die Verhandlungen über die Beziehungen zwischen dem Land und den Kommunen insgesamt beginnen.

Die Kolleginnen und Kollegen von der CDU haben am 31. März 2000 - in dieselbe Richtung denkend - die Einsetzung einer Enquetekommission gefordert. Ein paar Tage später ist diese Überlegung vonseiten der Bündnisgrünen in einer Presseerklärung unterstützt worden. Gleichzeitig ist am selben Tag - das hing mit dem Zeitablauf zusammen - eine Übereinkunft zwischen den beiden regierungtragenden Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustande gekommen, die da sagt: Wir wollen zunächst einmal einen kurzfristigen und zunächst auf das Haushaltsjahr 2001 ausgerichteten Sonderausschuss einsetzen. Wir haben aber immer wieder betont, dass

(Holger Astrup)

wir gegen die Einsetzung einer Enquetekommission nichts einzuwenden haben und offen dafür sind, eine Enquetekommission einzusetzen, falls dies weiter gefordert wird.

Der Antrag zur Einrichtung eines Sonderausschusses liegt Ihnen vor. In diesem Sonderausschuss soll bis zur 4. Tagung des Landtages, das heißt bis zum Juli, der Versuch gemacht werden, Überlegungen und Vorschläge zum Thema „Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den Kommunen“ gemeint ist zunächst bezogen auf das Haushaltsjahr 2001 und folgende - dem hohen Haus auf den Tisch zu legen. In dem Zusammenhang sollen und müssen die Weiterentwicklung des kommunalen Verfassungsrechts und die Fortführung der Funktionalreform diskutiert werden. Wir sind uns nämlich darüber im Klaren, dass wir spätestens dann, wenn die Regierung und die regierungtragenden Fraktionen etwas von der kommunalen Seite wollen, auch bereit sein müssen, die Interessenlage der Kommunen - da rede ich jetzt nicht nur von Geld, sondern formuliere an der Stelle immer gern: geldwerte Vorteile für die kommunale Seite auszugleichen. Das müssen wir mit berücksichtigen und werden das auch ausdrücklich tun.

Wir sind auf eine Vielzahl von Gesprächen angewiesen, die wir in weiten Bereichen mit der kommunalen Seite schon angefangen haben. Bei diesen Gesprächen stellen wir immer wieder fest, dass die Dramatik der finanziellen Situation zwischen Land und Kommunen der kommunalen Seite ebenso bewusst ist wie uns auch.

Wir haben in diesem Zusammenhang einen Sonderausschuss nach § 13 Abs. 3 der Geschäftsordnung unseres Landtages vorgeschlagen und möchten gern, dass dieser Sonderausschuss, der ein Siebenerausschuss sein soll - damit ist ein sehr effektiv arbeitendes kleines Gremium gemeint, das sich nicht im Tagesgeschäft verzettelt, sondern den Versuch macht, in der Kürze der Zeit, also innerhalb der nächsten zwei Monate, entsprechende Vorschläge zusammenzustellen - und der in der Zusammensetzung so aussieht, dass ihm drei Mitglieder meiner Fraktion angehören, zwei Mitglieder der CDU-Fraktion und jeweils ein Mitglied der Fraktionen von F.D.P. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Der SSW, Frau Kollegin Spoorendonk, kann nicht berücksichtigt werden, weil wir an die Sitzvergabe nach d’Hondt gebunden sind. Das bedeutet, dass der SSW erst bei einer Teilnehmerzahl von 27 Mitgliedern Anspruch auf einen Sitz hätte.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das fanden wir dann doch etwas übertrieben.

Im Zusammenhang mit unserem Änderungsvorschlag zum folgenden - im inhaltlichen Zusammenhang zu diskutierenden - Tagesordnungspunkt 23 „Finanzsituation der kommunalen Gebietskörperschaften“ wird deutlich, dass zumindest wir davon ausgehen, dass die Landesregierung in den nächsten zwei Monaten, also bis zur Juli-Tagung, bereit und vor allem in der Lage sein wird, Material und Fakten insbesondere für den Sonderausschuss und damit für das gesamte Parlament zu liefern, um damit Entscheidungen für den Sonderausschuss für den Haushalt 2001 überhaupt erst zu ermöglichen.

Die kommunale Seite hat einen Anspruch darauf, intern und extern mit einer Fülle von Gesprächen eingebunden zu werden. Ich hatte angedeutet, dass wir dies schon getan haben. Andere Fraktionen werden das ähnlich sehen.

Wir werden diesen Sonderausschuss bekommen und ich wünsche mir, dass die Damen und Herren von der Opposition bereit sind, an dieser Stelle mitzumachen. Wir werden umgekehrt bereit sein, die CDU nicht nur auf Grundlage von § 12 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu unterstützen, nach der die CDU durch das Erreichen eines Viertels der Mitglieder - also von mehr als 23 Mitgliedern - des hohen Hauses ohne weiteres allein in der Lage wäre, eine Enquetekommission zu fordern. Nein, wir unterstützen - wie versprochen - die Einrichtung einer Enquetekommission und werden ihrem Vorschlag zustimmen. Inhaltlich ist das völlig okay. Wir werden auch keinerlei Versuche unternehmen, über - wie Sie es formuliert haben - welche Tricks auch immer, ihr Ansinnen zu unterlaufen.

Möglicherweise werden wir innerhalb der Enquetekommission gemeinsam zu der Auffassung kommen, die eine oder andere Frage zusätzlich erörtern zu wollen. Natürlich werden wir jedoch keinerlei Versuche machen, ihr Ansinnen zu unterlaufen. Daher werden wir dem kompletten Inhalt ihrer Vorschläge zustimmen.

Wir werden aber der Anzahl der Mitglieder nicht zustimmen. Sie haben hoffentlich schon einen Änderungsvorschlag auf dem Tisch, der sich lediglich auf die Nummer 2 Ihres Antrags bezieht. Frau Präsidentin, wir bitten, über diese Nummer gesondert abstimmen zu lassen.

Wir sind der Auffassung, dass der Vorschlag der CDU-Fraktion, die Enquetekommission mit einer geraden Anzahl von Mitgliedern zu besetzen, nicht unbedingt der klügste ist, weil wir - da bitte ich um ihr Verständnis - Wert darauf legen - und vielleicht auch legen müssen -, Mehrheitsentscheidungen zumindest rechnerisch zu gewährleisten oder möglich

(Holger Astrup)

zu machen. Das heißt, wir bestehen auf einer ungeraden Anzahl der Mitglieder.

Weiter würden wir gern eine Mitgliederzahl haben, die nicht zu groß ist. Einige Mitglieder dieses hohen Hauses haben bereits mehrfach an Enquetekommissionen teilgenommen. Man weiß, dass nach kürzerer Frist klar wird, wohin die externen Beraterinnen und Berater tendieren. Weil es für uns alle - ob wir nun regieren oder in der Opposition sind - wichtig ist, was das Ergebnis der Enquetekommission sein wird, möchten wir insofern eine Einflussmöglichkeit behalten, als wir sicherstellen wollen, dass genügend Mitglieder aus dem Parlament teilnehmen können.

Wir haben 13 Mitglieder vorgeschlagen. Das ist die Mindestzahl, wenn wir alle Fraktionen - einschließlich des SSW - beteiligen wollen. An dieser Stelle ist das möglich und auch ein Muss.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn wir den SSW mit Stimmrecht beteiligen wollen - das ist der entscheidende Punkt -, dann ist 13 die Mindestzahl. Jede Fraktion entsendet ein Mitglied. Hier gibt es keine Einschränkung wie beispielsweise beim Sonderausschuss, bei dem der SSW herzlich zur Teilnahme eingeladen ist, jedoch leider ohne Stimmrecht bleiben muss. Das ist anders nicht möglich; ich habe bereits darauf hingewiesen.

Die Mitgliederzahl 13 gewährleistet, dass externer Sachverstand von uns - stellvertretend für die einzelnen Fraktionen - benannt werden kann, sodass zumindest die großen Fraktionen, die mit mehr als einem Mitglied in der Enquetekommission vertreten sind mit sechs beziehungsweise vier Mitgliedern - ohne weiteres in der Lage sind, je nach eigener Vorstellung einen Sachverständigen, zwei oder drei Sachverständige sozusagen auf ihrem Ticket für die Enquetekommission zu entsenden.

Ich fasse zusammen: Wir wünschen uns einen Sonderausschuss, der bis zur Juli-Tagung Ergebnisse vorzulegen hat, und wir unterstützen die Einsetzung einer Enquetekommission, weil wir sie für richtig und wichtig halten.

Abschließend bitte ich aber die Kollegen von der Opposition: Bitte denken Sie schon aus Gründen der Arbeitsfähigkeit des hohen Hauses darüber nach, ob Sie möglicherweise unserem Vorschlag folgen könnten, der da heißt: Lassen Sie uns beide Kommissionen einsetzen, aber lassen Sie uns mit dem Sonderausschuss beginnen und die Enquetekommission aus diesem Sonderausschuss ableiten. Ich glaube, davon hätten wir alle etwas.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie sich dem anschließen könnten, wären wir so glaube ich - auf einem guten Weg.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile dem Herrn Oppositionsführer das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Astrup hat es bestätigt: Die Finanzsituation des Landes ist katastrophal. Herr Möller hat Schwierigkeiten, für 2001 einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen. Die rot-grüne Landesregierung ist nicht bereit, die konsumtiven Ausgaben zu kürzen, also müssen zusätzliche Einnahmen her. Den Weg über den Immobiliendeal hat das Bundesverfassungsgericht verbaut. Der schlaue Herr Möller ist aber erfinderisch. Eine Oberflächenwasserentnahme-Abgabe soll her, auch wenn die kaum verfassungskonform sein dürfte, Herr Möller! Es geht frei nach dem Motto: Abkassieren bis zum Abschalten.

Der Erdölförderzins soll erhöht werden, auch wenn dadurch das wirtschaftliche Klima im Land belastet wird. Diese Maßnahme reicht aber - mit zusätzlichen Einnahmen aus der Steuerreform oder aufgrund der positiven Konjunkturentwicklung - offenbar nicht aus, also müssen andere Quellen erschlossen werden.

Da gab es noch die reichen Kommunen. So plump wie beim letzten Mal wollte Herr Möller jedoch nicht vorgehen. Erinnern sie sich noch? Es ging um zweimal 50 Millionen DM. Weitere 100 Millionen DM konnte er dann aber - aufgrund des großen Protestes im Lande - nicht mehr erheben. Also gab es einen neuen Anlauf und eine andere Methode, die subtiler, geschickter, besser vorbereitet und möglichst im Konsens lag, denn schließlich arbeite man für dieselben Bürgerinnen und Bürger und dem großen Bruder gehe es doch so schlecht.