Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

Angestellten und Beamte im Lande auf Plattdeutsch, Dänisch und Friesisch ansprechbar sein müssen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Ansprechbar sind sie, aber antworten können sie nicht! - Unruhe)

Es gibt aber bestimmte Stellen in der Verwaltung, bei denen die Sprachkenntnisse im Sinne des jeweiligen Aufgabenfeldes wirklich sinnvoll sind. Bei solchen Stellen könnte vernünftigerweise mit der Umsetzung der Sprachencharta angesetzt werden.

(Anhaltende Unruhe)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hätten diesen Antrag auch anders begründen können. Wir hätten hier ganz populistisch auf Friesisch, auf Niederdeutsch, auf Dänisch sprechen können. Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Wir leiden auch nicht an rechtlicher Unkenntnis. Daher ist es uns natürlich bewusst, dass in diesen Fragen das Beamtenrecht nicht angetastet werden kann und soll. Bewerberinnen und Bewerber für die öffentlichen Verwaltungen sollen weiterhin nach Eignung und Leistung eingestellt werden. Unabhängig davon, dass wir uns auch weiterhin die qualifiziertesten Mitarbeiter für unsere Ämter und Behörden wünschen, sollte es aber möglich sein, Sprachqualifikationen zu berücksichtigen. Vor allem bei Tätigkeiten, bei denen die Kenntnisse der genannten Sprachen zweckmäßig sind, könnte entsprechend Artikel 10 der Sprachencharta die Beherrschung einer Regional- oder Minderheitensprache als zusätzliche Qualifikation berücksichtigt werden, genauso wie in manchen Fällen zum Beispiel besondere Computerkenntnisse ein Vorteil bei der Bewerbung sind.

(Beifall der Abgeordneten Silke Hinrichsen [SSW])

Wir leiden ganz einfach an der Vorstellung, dass ein Land, das sich seiner kulturellen Vielfalt rühmt, in besonderer Weise in der Pflicht ist, wenn es darum geht, diese Vielfalt zu pflegen. Daher schlagen wir vor, dass bei zukünftigen Einstellungen in den öffentlichen Dienst in Schleswig-Holstein die Kenntnis der Regional- und Minderheitensprachen Plattdeutsch, Dänisch und Friesisch als Einstellungskriterium berücksichtigt wird. Wir fordern ein, dass das Land hier seiner Vorreiterrolle gerecht wird, und wir appellieren an die Kreise, kreisfreien Städte und Kommunen, auch die Regionalsprache Plattdeutsch und die lokal vorhandenen Minderheitensprachen Dänisch und Friesisch zu berücksichtigen.

Unser Antrag umfasst noch einen dritten Punkt, nämlich die Auszeichnung von Kommunen, die sich in diesem Sinne besonders hervortun. Mir ist klar, dass wir allmählich eine Inflation bei der Kennzeichnung von Gebäuden erreicht haben. Trotzdem ist gerade bei der Sprachencharta die Kennzeichnung besonders sinnvoll, weil die Bürger nur ihre Regional- oder Minderheitensprache verwenden werden, wenn sie von vornherein erkennen können, dass sie bei der betreffenden Stelle damit weiterkommen. Deshalb bitte ich darum, auch diesen Punkt konstruktiv zu prüfen.

Vor der heutigen Plenarsitzung gab es verschiedene Kommentare zu unserem Antrag über die europäische Sprachencharta. Sie deuteten insgesamt darauf hin, dass es nicht so einfach werden würde, daraus einen interfraktionellen Vorstoß zu machen, wie wir dachten. Daher hat sich der SSW dafür entschieden, den genannten Antrag allein einzubringen, was ich jetzt gerade tue. Vor diesem Hintergrund hob ich gestern in meinem Redebeitrag zur Regierungserklärung hervor, dass die Sprachencharta nichts mit Provinzialismus zu tun hat. Sie spiegelt im Gegenteil ein Stück europäische Politik wider.

(Beifall bei SSW, SPD und des Abgeordneten Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir könnten uns eine Scheibe von den Niederländern abschneiden. Dort sagt man explizit, dass die Sprachenpolitik auch mit Blick auf die Lage in Mittel- und Osteuropa betrieben werde, um den Schutz der dortigen Minderheiten zu erreichen. Eine solche europäische Perspektive täte auch der Minderheitenpolitik hierzulande gut. Sie entspräche mithin der Vorbildfunktion, die unserem Land zugeschrieben wird. Minderheiten- und Sprachenpolitik sind eben auch etwas spezifisch Europäisches.

Eines mehr sollte uns bewusst sein: Im Gegensatz zu den Niederlanden betrachtet man nördlich der Grenze die Minderheitenpolitik als etwas, das eng mit dem deutsch-dänischen Verhältnis verwoben ist. In diesem Sinne gründet die Minderheitenpolitik auf Gegenseitigkeit. Ob man letztlich die europäische Perspektive bevorzugt oder eine engere Sichtweise wählt - Schleswig-Holstein kann sich dem nicht entziehen, dass eine Weiterentwicklung in unserem Grenzland darauf beruht, dass nur durch gemeinsame Bewegung Fortschritt entstehen kann. Auch das ist ein wesentlicher Aspekt, der uns zum Handeln zwingt.

Die Sprachencharta wird getragen von der Idee, dass Minderheiten- und Regionalsprachen zur europäischen Vielfalt gehören und nicht zu „Museumssprachen“ verkümmern sollen. Das ist

(Anke Spoorendonk)

gerade nicht Provinzialismus, sondern gelebte kulturelle Vielfalt, wie sie für Schleswig-Holstein häufig reklamiert wird. In diesem Sinne werbe ich um Zustimmung.

Ich weiß, dass Sie Ausschussüberweisung wünschen. Dem stimme ich auch zu. Ich beantrage, den Antrag federführend dem Europaausschuss und mitberatend dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen.

(Beifall bei SSW, SPD und des Abgeordneten Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Karl-Rudolf Fischer.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer Vorbemerkung beginnen. Manche Kommentare im Vorfeld, aber vor allen Dingen das Verhalten in der ersten Reihe bei der Rede von Frau Spoorendonk, lieber Herr Kubicki, sind weder dem Thema noch dem Parlament, noch den liberalen Traditionen Ihrer Partei angemessen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Die europäische Sprachencharta ist ein Kernstück europäischer Minderheitenpolitik. Sie steht als dritte Säule neben der Rahmenkonvention zum Minderheitenschutz und der zu diskutierenden neuen Grundrechtecharta. Ich möchte diese Dreierreihung extra benennen, weil wir insbesondere über die Grundrechtecharta auch in diesem Haus noch sprechen müssen.

Lassen Sie mich zwei weitere Vorbemerkungen machen. Die Charta ist nach langer Vorbereitungszeit im Januar 1999 in Kraft getreten. Wir konnten in Schleswig-Holstein mehr als die notwendigen 35 Forderungen erfüllen. Sie ist ein Gemeinschaftsprojekt im besten Sinne. Daran haben nicht nur die Politik und die Verwaltung mitgearbeitet, sondern insbesondere auch die Minderheiten. Deswegen wird die Debatte, die wir über diese Frage führen, auch mit besonderer Sensibilität gesehen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zweite Vorbemerkung! Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Sprachencharta eine Initiative der Kommunen und Regionen Europas ist. Sie ist also von unten gewachsen und von Europa wieder zurückgekommen.

Sie kommt von der Basis. Deswegen haben wir eine besondere Verpflichtung, sie aktiv zu erfüllen.

Beide Punkte, hohes Engagement der Betroffenen und Initiativen der Kommunen und Regionen, machen den hohen Stellenwert dieser Charta aus.

Und lassen Sie mich noch eine Bemerkung hinzufügen: Eigentlich haben wir sie ja erfüllt, wir haben ja die Charta und die uns darin aufgelegten Forderungen erfüllt. Aber der Charakter der Charta ist nicht statisch. Sie hat einen Prozesscharakter. An diesem Punkt sind wir jetzt, wir beginnen nämlich den nächstfolgenden Schritt, die Umsetzung und die Realisierung.

Dazu kommt: Nicht nur in Schleswig-Holstein wird die Diskussion um die Charta und ihre Konsequenzen intensiv geführt. Deshalb ist es wichtig, damit es nicht zu großen regionalen Unterschieden kommt, dass wir uns mit den Nachbarn absprechen. Verschiedene Geschwindigkeiten in der Umsetzung, zum Beispiel in Norddeutschland, würden der Charta und damit auch den betroffenen Gruppen schaden.

Ich möchte auch darauf hinweisen, die Charta hat keine direkten Sanktionsmöglichkeiten. Sie lebt tatsächlich von unserem politischen Willen, sie umzusetzen. Deshalb sage ich: Nur wer berücksichtigt, dass die Pflege der Sprache eines der wichtigsten Identifikationsmerkmale für eine Minderheit ist, spürt, wie groß die Bedeutung der Sprachencharta für uns ist.

(Beifall bei SPD und SSW)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinweisen: Wer intensiv die Berichterstattung zum Beispiel im „Nordschleswiger“ oder auch in den dänischen Medien in den letzten Wochen über die Reaktionen in Dänemark zur Sprachencharta verfolgt hat, weiß, dass das nicht eine Sache ist, die in irgendeiner Form abgebügelt oder sonst wie behandelt werden kann, sondern sie muss ernst genommen werden.

(Beifall bei SPD und SSW)

Wir stehen also am Beginn der Umsetzung der Sprachencharta.

Aber für uns sind noch nicht alle Fragen geklärt. Deshalb gibt es eine Reihe von Gründen, die es uns nicht möglich gemacht haben, dem Antrag zuzustimmen. Ich möchte nur drei nennen: Es gibt zum Beispiel Nachfragen, was die Bewertung der rechtlichen Konsequenzen angeht, insbesondere auf die Formulierung „Einstellungskriterium“ bezogen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass es auch andere

(Rolf Fischer)

Punkte in der Charta gibt, die wir nicht vergessen sollten, und die auch rechtlich geprüft werden müssen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich darf um etwas mehr Aufmerksamkeit für den Redner bitten!

Ich kann auch noch viel leiser reden, vielleicht wird es dann auch stiller.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie sollten mehr Inhalt bringen!)

Es gilt zu prüfen, wie die anderen, nicht weniger wichtigen Bereiche der Charta, wie zum Beispiel Medien, Wirtschaft und Kultur in die Umsetzung einbezogen werden können - Umsetzung also in einer Gesamtschau.

Als Drittes gilt zu prüfen und vielleicht sogar zu vereinbaren, wie die anderen Bundesländer mit der Sache umgehen.

Solange das nicht grundsätzlich geklärt ist, schlagen wir eine Überweisung an den Europaausschuss - wie Sie gesagt haben - und eine Mitberatung durch den Innen- und Rechtsausschuss vor.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Mit dieser Charta wird Europa ganz konkret. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir gemeinsam diese Charta zu einem Erfolg bringen würden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort hat jetzt die Frau Abgeordnete Caroline Schwarz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die europäische Sprachencharta muss mit Leben erfüllt werden - das ist wahr, liebe Anke Spoorendonk - und wir CDU-Abgeordneten wären die Letzten, die sich bei diesem Thema mit Sonntagsreden zufrieden geben würden.

Wir alle zusammen haben uns für die Aufnahme des Niederdeutschen, Dänischen und Friesischen in die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen eingesetzt und deren Schutz und Pflege auch in die Landesverfassung aufgenommen. Den damit verbundenen Verpflichtungen möchten und müssen wir