Kollege Hentschel, durch mehr hauptamtliche Studienleiter könnte das IPTS auch die Fortbildungsaufgaben besser als bisher wahrnehmen. Neben dem IPTS sind in der Fortbildung der Lehrer verstärkt auch andere geeignete Anbieter einzubeziehen. Insofern besteht auch in diesem Punkt Konsens, was die Vorstellungen der Union angeht. Ich halte aber das von der Union vorgeschlagene Modell der Fortbildungsgutscheine für reichlich unausgegoren.
Jeder weiß, dass Lehrerfortbildung zum Beispiel für Lehrer an berufsbildenden Schulen unendlich viel teurer ist als beispielsweise Fortbildungsmaßnahmen für Grundschullehrer. Sie haben hier einen Betrag von 1.000 DM pro Lehrkraft benannt. Wenn Sie das in Zukunft alles über Kopfbeträge organisieren wollen, ist die unendlich viel kostenaufwendigere Fortbildung etwa in den IT-Fächern oder anderen gewerblichtechnischen Unterrichtsfächern der berufsbildenden Schulen auf diese Weise überhaupt nicht mehr angemessen zu finanzieren, Frau Kollegin Eisenberg. Erkundigen Sie sich einmal, was Fachfortbildung für Lehrkräfte der berufsbildenden Schulen tatsächlich kostet!
- Dass die Fortbildung intensiviert werden muss, darüber sind wir uns einig. Dafür muss es entsprechende Ressourcen geben. Meine Fraktion hat zum Haushalt dieses Jahres beantragt, die Fortbildungsmittel zu verdoppeln. Welchen entsprechenden haushaltswirksamen Antrag hat die Unionsfraktion zu diesem Thema denn gestellt?
Bevor Sie hier 1.000 DM-Beträge für 25.000 Lehrer fordern, also insgesamt 25 Millionen DM - wo bleibt eigentlich Ihr Haushaltsantrag zu dem Thema? -, sollten Sie einmal darüber nachdenken, was Sie an handhabbaren und praktikableren Lösungen in diesem Bereich präsentieren.
(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD] - Zuruf des Abgeord- neten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir werden über das Kommissionspapier zur Weiterentwicklung des IPTS sicherlich auch im Ausschuss noch diskutieren, ich möchte zum Schluss nur eine kurze Anmerkung machen. Das im Bericht der Kommission vorgesehene Konzept einer straffen organisatorischen Aufsplitterung zwischen verschiedenen Institutionen, die für verschiedene Bereiche zuständig sein sollen, möglicherweise zum Teil auch mit einem eigenen regionalen Unterbau, führt tendenziell eher zu einer Desorganisation in diesem Bereich und ist insoweit zu überdenken. Wir sind gespannt darauf, was das Ministerium an Auswertungen dazu vorschlagen wird.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An die CDU: Sie sind mit einem interessanten Vorschlag gestartet, aber auf halber Strecke stecken geblieben. Von mir aus die Einladung: Ein bisschen mutiger voran!
Was finden wir interssant an Ihren Vorschläge? - Sie sagen, das IPTS, also die Institution für Lehrerfortbildung in diesem Lande, die gleichzeitig auch die Ausbildung der zweiten Phase übernimmt, soll an die Hochschulen. Warum so halbherzig? Wäre es da nicht konsequent, wie wir zu fordern, die Lehrerausbildung aus ihrer Zweiteilung herauszuholen und eine Ausbildung in einem Stück zu machen? Schleswig-Holstein könnte sich hier als Modellland profilieren, umso mehr, als die Universität Flensburg, die ja einen großen Teil der Lehrerausbildung übernommen hat, dies unterstützt.
(Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Spoorendonk [SSW])
Aber selbst wenn man nicht so schnell so weit kann denn das müssen natürlich die Kultusministerien der anderen Länder anerkennen; ich kenne die Schwierigkeiten -, sollten wir uns bei der anstehenden Reform doch von diesem Ziel leiten lassen und sollten es anstreben und die ersten Schritte dahin machen, und zwar große Schritte.
Zu beachten ist natürlich die unterschiedliche Verfasstheit der Lehrerausbildung sozusagen als staatliche Ausbildung und der Freiheit von Wissenschaft und Forschung einer Hochschule. Wenn aber alle Beteiligten - selbst, wenn auch in sehr viel geringerem Maße an der CAU - bereit sind, hier Hürden zu überwinden, sollten wir dies aufgreifen.
Auch Ihr Vorschlag, einen Bildungsgutschein einzuführen, ist ein interessanter Vorschlag, aber uns zu individualisiert. Denn wir wollen tatsächlich - das haben Sie ja auch schon erwähnt, Herr de Jager -, dass die Schule die Verantwortung für die Fortbildung ihrer Lehrkräfte übernimmt.
Die Schulkonferenz, die Lehrerkonferenz soll sagen: Das ist unser Profil und dafür brauchen wir die und die Fachleute, die sich dann entsprechend qualifizieren müssen. Das heißt natürlich schon, dass man sich ein anderes System überlegen kann, wie man das verbucht. Ob Gutscheine dafür ein guter Weg sind, will ich dahingestellt sein lassen. Wichtig ist uns allerdings, dass die Fortbildung einen sehr viel größeren Stellenwert einnimmt und nicht ein Privileg für wenige bleibt.
Es wundert uns nicht, dass die CDU am gegliederten Schulwesen festhalten will. Auch wir haben in unserem Papier zwar den Stufenlehrer nicht in den Mittelpunkt gestellt, aber wenn man genau liest, was wir der Presse schon im April vorgestellt haben, wird deutlich: Es ist nicht ein ständischer Geist, den wir fortschreiben wollen, sondern wir wollen zu einer Überwindung der Ausbildung der verschiedenen Schularten kommen. Es ist doch völlig klar, dass jemand, der in der Oberstufe unterrichtet, ein anderes Ausbildungsprofil braucht als jemand in der Grundschule, aber es gibt trotzdem viele Gemeinsamkeiten. Es ist zum Beispiel eine Gemeinsamkeit zu schaffen, dass alle Lehrkräfte wirklich alle - einen gewissen Fundus an sonderpädagogischen Grundkenntnissen brauchen, weil Kinder mit Problemen in allen Schultypen auftauchen. Dass dies bisher immer noch Utopie ist und die Sonderpädagogen im Augenblick fürchten, bei der Reform völlig unter die Räder zu geraten, sollten wir ernst nehmen. Deshalb müssen wir eine Ausbildung aus einem Guss haben, die tatsächlich die Reformkräfte im Land an einen Tisch organisatorisch zusammenholt.
Ich möchte an dieser Stelle kurz auf die Hamburger Kommission eingehen, die etwas früher als die schleswig-holsteinische Kommission fertig war. Beide Kommissionen sind sich einig: Die Lehrerbildung muss den Anschluss an europäische Qualitätsstandards finden, in dem Sinne, dass wir das European Credit Transfer System zur Leitlinie machen sollten und damit Hinweise haben, wie wir die Lehrerbildung an der Universität besser organisieren.
Die Hamburger Kommission hat aber noch sehr viel eindringlicher gesagt: Es geht darum, dass sich die pädagogische Ausbildung selbst neuen Themen widmet wie Schulentwicklung, Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule, interkulturelles Lernen. Auch das hat natürlich die schleswig-holsteinische Kommission betont, aber sie hat sich mehr auf das Organisatorische konzentriert.
Die Hamburger Kommission hat mehr Leitlinien skizziert, nämlich Lehrerselbstmanagement, FeedbackKultur, Schulentwicklung und Elternberatung. Sie hat festgestellt, dass diese Dinge gelernt werden müssen
Es kann nicht angehen, dass wir nur Fachwissenschaft betreiben, aber das, was eigentlich pädagogisch an der Schule passiert und diese Institution ausmacht, überhaupt nicht Gegenstand von Evaluation und der Wissenschaft in Deutschland ist. Das passiert nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel in der Laborschule in Bielefeld, die die bekannteste, erste und einzige ist. Insofern brauchen wir hier eine Neuorganisation sowohl in der Ausbildung und in der Forschung als auch in der Fortbildung.
Ich möchte noch auf ein Weiteres eingehen, nämlich auf das Thema Benotung und Bewertung. Auch hierzu hat die Hamburger Kommission einen interessanten Vorschlag gemacht. Sie hat gesagt, wir müssen ohne das Staatsexamen zu entwerten, auch die persönliche Biografie der Lehrer in einer Art Beschreibung und Portfolio in die Bewertung einfließen lassen, damit nicht nur die Staatsexamensnote entscheidend ist. Wenn sich die Schulen zukünftig - was wir ja wollen ihre Lehrer selber aussuchen sollen, müssen sie auch die Leute aussuchen können, die zu dem Profil ihrer Schule passen. Das ergibt sich nicht allein aus der Fachkombination oder aus dem Notendurchschnitt mit einer fünf oder einer vier hinter dem Komma, sondern dann müssen auch andere Kompetenzen, die im Laufe des Lebens erworben worden sind, ausschlaggebend sein. Deshalb wollen wir eine zertifizierte Fortbildung, deshalb wollen wir eine Vielfalt von Fortbildungsanbietern. Da befinden wir uns mit Ihnen wieder auf einer Linie.
Ein Letztes noch zur FDP. Herr Dr. Klug, auch wenn Sie jetzt im Gespräch mit Kollegen vertieft sind, lassen Sie sich gesagt sein: Ihr Ansatz, an dieses Thema heranzugehen, erinnert mich stark an den Philologenverband. Diesen Ansatz aus dem vorletzten Jahrhundert sollten wir überwinden.
Es ist eine Crux, dass unsere Gymnasiallehrer pädagogisch noch nicht so weit sind wie die Grundschul- und Sonderschullehrer.
Das sind diejenigen, die Vorbildfunktion haben. Nicht umsonst sind das mehrheitlich Frauen. Ich finde, Sie sollten sich mit diesen fortschrittlichen Verbänden,
zum Beispiel mit dem Grundschulverband, unterhalten und nicht immer bei den Ewiggestrigen verweilen.
(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zu- rufe der Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP] und Sylvia Eisenberg [CDU])
Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur ein paar Punkte erwähnen. Es steht fest, dass wir eine Reform der Lehrerbildung brauchen. Diese Debatte wird bundesweit geführt. Sie wird auch hier in Schleswig-Holstein geführt. Die Bildungsministerin hat eine Fachkommission einberufen, diese hat ihre Empfehlungen schon abgegeben. Die Empfehlungen werden unter anderem über den Landesbildungsserver diskutiert. Ich finde, das ist gut. Das ist ein wichtiger Einstieg in diese wichtige Diskussion.
Zu den Punkten des CDU-Antrages möchte ich nur noch auf das eingehen, was auch der Kollege Dr. Klug aufgegriffen hat. Es geht um das Stichwort Schulartenbezug. Wie der SSW zu dem Thema steht, brauche ich nicht zu vertiefen, aber ich möchte ganz deutlich machen, wir stehen zu den Empfehlungen der Universität Flensburg - nicht, weil diese Empfehlungen aus Flensburg kommen, sondern weil sie Sinn machen.
Wer meint, dass der Schulartenbezug derart in Beton gegossen ist, das er von heute bis ins nächste Jahrtausend unverändert bleiben muss, der hat nicht begriffen, worum es in der europaweiten Diskussion bei der Lehrerbildung geht. Immer wieder wird gesagt: Guckt euch die TIMMS-Studie an. Man muss doch wissen, dass die Lehrerausbildung in anderen Ländern anders strukturiert ist als bei uns. Die Kinder dort sind doch auch nicht doofer als unsere Kinder!
Ich kann mich darüber aufregen und bin ganz indigniert darüber, dass wir uns zum hundertsten Mal mit dem Schulartenbezug auseinander setzen müssen.
Ganz schnell noch einen Satz zur besseren Verzahnung von Theorie und Praxis. Es ist bekannt, dass es Schwierigkeiten in der Verzahnung gibt. Da muss in einer Reform der Lehrerbildung auch vieles anders gestaltet werden. Wer aber meint, dass das möglich sein wird, ohne dass sich das Referendariat verändert, hat nicht begriffen, was der Wort Reform inhaltlich bedeutet.