Einen schönen guten Morgen, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Sitzung. Erkrankt ist Frau Ministerin Franzen, der wir von hier aus noch einmal gute Genesung wünschen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir einen kurzen Hinweis vorab: Vor dem Plenarsaal finden Sie einen Stand von UNICEF. Es wird zu einer Spende für die Aktion „Bringt die Kinder durch den Winter in Afghanistan“ aufgerufen. In diesem Winter werden in Afghanistan etwa 100.000 Kinder durch Kälte und Hunger bedroht sein. Diese Aktion unter Schirmherrschaft unserer Ministerpräsidentin Heide Simonis fordert unsere gemeinsame Unterstützung. Wer sich von Ihnen mit einer kleinen Spende beteiligen möchte, tut sicherlich ein gutes Werk.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schule und Jugendhilfe haben es mit Kindern und Jugendlichen zu tun, mit denselben Kindern und Jugendlichen. Bei der Erfüllung ihres Auftrages zur Sozialisation junger Menschen werden sie mit gesellschaftlichen Entwicklungen konfrontiert, die zunehmend in atemberaubender Geschwindigkeit erfolgen. Pädagogische Arbeit, die aus gutem Grund auf Verlässlichkeit und Kontinuität setzt, läuft dabei Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten und vor dem differenzierten und komplizierten Prozess des Erziehens zu resignieren.
Schule und Jugendhilfe können dabei zweifellos nicht alles allein leisten, was die gemeinsamen Aufgaben der jeweiligen Erwachsenengeneration, in erster Linie
der Eltern, sind. Sie stehen jedoch in der Pflicht, eine kooperative Begleitung der jungen Menschen zu vereinbaren, eine Kooperation, die fachlich und gesellschaftspolitisch dringend geboten ist.
Es gibt einerseits durchaus nachvollziehbare Gründe dafür, dass eine enge Zusammenarbeit beider Institutionen noch nicht zu den Selbstverständlichkeiten gehört. Es gibt aber andererseits auch gewachsene Vorbehalte, die eine solche Partnerschaft erschweren und die endlich der Vergangenheit angehören sollten.
In dem Ihnen vorliegenden Landtagsbericht wird auf diese nur kurz eingegangen, denn es geht heute darum, die Bereitschaft zur Kooperation zu verstärken und damit die künftigen Zusammenarbeit auf eine solide Grundlage zu stellen. Dass es sich dabei um einen langen, intensiven und kontinuierlich zu betreibenden gemeinsamen Arbeitsprozess handelt, steht sicherlich außer Frage.
Nach der im vergangenen Sommer gemeinsam vom Bildungsministerium und von meinem Ministerium durchgeführten Klausurtagung wurden interministerielle Arbeitsgruppen gebildet, um Handlungsempfehlungen für eine Kooperation von Jugendhilfe und Schule zu entwickeln. Mit dem Berichtsauftrag vom Dezember 2000 sind diese interministeriellen Arbeitsgruppen sodann auf die umfangreichen, fachlich orientierten Berichtsanforderungen eingegangen, wobei in der Bestandsaufnahme und Bedarfsermittlung die Erziehungswissenschaftliche Fakultät der CAU wesentlich mitgewirkt hat.
In dem vorliegenden Bericht beschreiben wir in den einzelnen Kapiteln ausführlich und dezidiert die verschiedenen Schnittstellen beider Aufgabenfelder. Wir stellen einige Beispiele für gelungene Kooperationen dar. Zum Beispiel kooperieren Kindertagesstätten bei der Erfüllung des Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungsauftrages mit Schulen und stimmen sich beim Übergang von der einen in die andere Institution ab. Bereits heute gibt es eine vielfältige Zusammenarbeit von Jugendarbeit und Schule in Jugendzentren, Jugendverbänden, im großen Bereich des Sports und in der politischen und kulturellen Bildung. Auch die themenbezogene Zusammenarbeit beispielsweise zu Fragen wie Sexualität, Drogen, sexueller Missbrauch, sexuelle Orientierung und Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen hat sich als sinnvoll und erfolgreich erwiesen.
Durch die Schaffung von Tagesgruppen an Schulen und durch die Einrichtung von Inselprojekten lassen sich kooperierend kostenintensive Hilfen zur Erzie
hung wie die Fremdunterbringung vermeiden. Dabei wird dem fachlichen Gebot der Niedrigschwelligkeit, der Lebensweltorientierung sowie einer präventiven und integrativen Vorgehensweise Rechnung getragen. Auch hierfür gibt es eine Reihe guter Beispiele.
Wichtige Erkenntnisse hat die Bestands- und Bedarfserhebung für bestehende Projekte ergeben. So gibt es zwar bereits eine Vielzahl von betreuten Grundschulen, Frühstücks- und Nachmittagsangeboten und Mittagstische, aber diese Betreuungsangebote reichen trotz der vom Land und von den Kommunen in den vergangenen zehn Jahren erbrachten erheblichen Leistungen nicht aus.
Durch die Ausweitung der Förderung von Ganztagsangeboten an Schulen mit immerhin 3,7 Millionen DM für die nächsten beiden Jahre sowie mit der vorliegenden Empfehlung für eine strukturelle Verbesserung der Kooperation wird diesen Erkenntnissen auch in einer äußerst angespannten Haushaltslage schrittweise Rechnung getragen. Welch großen Stellenwert die Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule im Jugendministerium hat, können Sie auch aus der Tatsache ableiten, dass wir noch in diesem Jahr einen erheblichen Betrag an die kreisfreien Städte und die Kreise, 50.000 €, zur Verfügung gestellt haben. Damit sollen der Aufbau von Kooperationen und Vernetzungsangeboten gefördert und bestehende Projekte unterstützt werden. Auch neue Projekte können mit dieser Hilfe konzipiert und angeleiert werden.
Mit unserem gemeinsamen Handlungsfaden zielen wir auf eine verbesserte Zusammenarbeit der institutionellen Ebene; denn wir sind der Überzeugung, dass diese Zusammenarbeit erst mit verbindlichen Regelungen und festen Strukturen nicht länger dem Zufallsprinzip überlassen bleibt.
Mit dem ebenfalls vorgestellten Handlungsleitfaden und dem damit entwickelten Konzept zur Ausweitung von Ganztagsangeboten wollen wir - das heißt, die Bildungsministerin, die Sozialministerin und ich als Jugendministerin dieses Landes - eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen. Wir wollen und wir müssen das Leben mit Kindern familienpolitisch unterstützen und durch sinnvolle Freizeit- und Bildungsangebote der Gefährdung junger Menschen präventiv begegnen.
Entsprechend dem Landtagsauftrag - aber selbstverständlich auch, weil wir das ebenso sehen - haben wir den Bericht mit den kommunalen Landesverbänden intensiv besprochen. Diese hatten Gelegenheit zur Stellungnahme und haben betont, dass Umfang und
Komplexität des Themas keine abschließende Bewertung zulassen. Frau Kollegin Erdsiek-Rave und ich haben den Bericht aber mit allen drei kommunalen Landesverbänden ausführlich erörtert. Die kommunalen Landesverbände haben dem eingeschlagenen Weg grundsätzlich zugestimmt. Zugleich ist Einvernehmen darüber erzielt worden, dass der Bericht eine gute Grundlage für die weitere Zusammenarbeit ist und eine Basis für den jetzt notwendigen weiteren intensiven Arbeitsprozess bildet.
Ein erster Schritt in diese Richtung war die von uns gemeinsam - also von den Ministerien und den Spitzenverbänden - vor einigen Tagen ausgerichtete Fachveranstaltung zum Thema „Jugendhilfe und Schule auf einem gemeinsamen Weg“ am 5. November; sie diente dem gegenseitigen Informationsaustausch, der Analyse von Problemen und hatte zum Ziel, zur Überwindung der Systemgrenzen und der Annäherung der Berufsfelder beizutragen.
Über die grundsätzliche Zielsetzung einer verbesserten Zusammenarbeit besteht - das möchte ich betonen mit den Kommunen keinerlei Dissens. Insbesondere besteht Einigkeit hinsichtlich des Ziels, Betreuungsangebote bedarfsgerecht auszubauen. Obwohl natürlich strukturelle Fragen zu klären, institutionelle Hindernisse zu beseitigen und rechtliche Fragen zu prüfen sind, ist die Landesregierung auch vor dem Hintergrund des bestehenden Bedarfs überzeugt, dass nicht abgewartet werden darf, bis all diese Fragen beantwortet und alle Zweifel beseitigt sind. Vielmehr müssen wir einen Prozess der schrittweisen Optimierung durchführen und sollten damit sofort beginnen.
Dass dies möglich ist, zeigt die bestehende Praxis im Lande. Die Landesregierung begrüßt ausdrücklich das erklärte Ziel der kommunalen Landesverbände, die weitere Diskussion maßgeblich mitzugestalten und fortwährend einen konstruktiven Dialog wirklich positiv zu leben.
Ich denke, das ist eine Hoffnung, die von uns allen getragen und gemeinsam umgesetzt werden kann. Ich hoffe, dass Sie ebenso wie wir den Bericht als die Fortsetzung eines guten Arbeitsprozesses und damit als einen guten Schritt in die Zukunft werten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am Dienstag der vergangenen Woche mobilisierte die Landesregierung weite Teile ihres weiblichen Charmes,
um ein Konzept zum Ausbau von Ganztagsangeboten in Schleswig-Holstein vorzustellen. Aber auch die geballte Charme-Offensive, Frau Erdsiek-Rave, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich am Ende um nicht sehr viel mehr als um eine ministerielle Mogelpackung handelte;
denn nach Ihrem Konzept zur Ausweitung der Ganztagsbetreuung sollen im Wesentlichen die Schulen das Angebot vorhalten, die Schulträger es finanzieren und am Ende Vereine und Initiativen es organisieren. Zusammengefasst bedeutet das, Frau Erdsiek-Rave, Frau Lütkes und Frau Moser, die vorsichtshalber gar nicht da ist: Sie geben das Geld anderer Leute aus und lassen die auch noch die Arbeit tun.
Das ist Arbeit, die Sie selber nicht geleistet haben, denn für das, was Sie vorhaben, hätte es einer landespolitischen Initiative und dieses dicken Berichtes nicht bedurft. Denn dieser Bericht ist mitnichten aufschlussreich, was die praktische Verwendbarkeit für die Landespolitik in diesen Fragen anbelangt. Das Einzige, was Sie durch Ihren PR-Aufwand tatsächlich erreicht haben, ist, dass Sie jede Menge Erwartungen geweckt haben, die jetzt andere erfüllen müssen - finanziell wie inhaltlich.
Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas dazu sagen, dass die kommunalen Spitzenverbände angeblich ihr Plazet gegeben haben. Das haben sie mitnichten! Das Einzige, was Sie berichten können, ist, dass es grundsätzlich Einigkeit darüber gibt, dass man so etwas machen will. Sie haben aber mit den kommunalen Landesverbänden keine Einigkeit darüber erzielt, wie man es machen will. Ziehen sie deshalb die kommunalen Spitzenverbände nicht für Ihr Konzept in eine Verantwortung, die sie gar nicht haben!