Protokoll der Sitzung vom 25.01.2002

Meine Damen und Herren, der zweite Punkt betrifft die leistungsbezogene Besoldung der Professoren. Wir alle wissen, wie unterschiedlich - ich sage lieber: wie unterschiedlich gewichtet der Arbeitseinsatz einzelner Professoren ist, und zwar in Forschung und Lehre. Das geht vom Engagement in einem Graduiertenkolleg über die Einwerbung von Drittmitteln bis hin zur Organisation von Tagungen. Der eine hat viel Studierende, der andere wenig, dafür aber eine zeitintensive Betreuung. Es geht um Innovation in der Lehre, um Aufbau von virtuellen Angeboten und vieles andere mehr. Dieses unterschiedliche Engagement soll gewichtet, gefördert und auch leistungsbezogen besoldet werden, jedenfalls zu einem Teil. Das ist die deutliche Marschrichtung dieser neuen Regelung.

Meine Damen und Herren, wir können davon ausgehen, dass die Gesetze im März 2002 in Kraft treten werden. Sie enthalten eine, wie ich finde, kluge Regelung, dass nämlich nach 5 Jahren, also im Jahre 2007, erneut geprüft werden soll, ob die beabsichtigten Ziele tatsächlich erreicht worden sind.

Jetzt beginnt die schwierige Phase der Umsetzung und der Information aller Betroffenen. An deren Ende werden durch die Einführung der Juniorprofessuren erheblich verbesserte Qualifizierungsmöglichkeiten für Nachwuchswissenschaftler stehen. Das Besoldungssystem für Professoren ist nicht nur fair, es enthält auch deutlich stärkere Anreize für eine verbesserte Lehre und Forschung.

Eine Wort zu den Befristungsregelungen. Die Schrekkensszenarien, die in den letzten Tagen im Zusammenhang mit der Dienstrechtsreform beschworen worden sind, entsprechen nicht der Realität. Die Berufungschancen von habilitierten Privatdozenten, deren Verträge auslaufen werden oder schon ausgelaufen sind, werden durch diese Neuregelungen nicht geschmälert. Sie gehen auf die alte Qualifizierungsstruktur zurück. Niemand wird zum Auslaufmodell erklärt, wie es hieß, und erst recht wird niemandem der Gnadenstoß versetzt, wie kürzlich ein 40-jähriger Hochschuldozent in der „Süddeutschen Zeitung“ geschrieben hat. Es stimmt nicht, dass eine ganze Generation von Wissenschaftlern, die nach dem alten Modell angetreten ist, die Rechnung bezahlen muss. Sie haben nun minde

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

stens 6 Jahre Zeit, ehe die ersten Juniorprofessuren auslaufen und die Stelleninhaber zu möglichen Konkurrenten werden.

Um die Situation ganz klar zu beschreiben: Die neu im Gesetz enthaltene Befristungsregelung sieht eine Qualifizierungszeit von 12 Jahren vor, bei Medizinern 15 Jahre, also Promotion und Projektstelle oder Promotion und befristete wissenschaftliche Mitarbeiterstelle. Nach Ablauf dieser 12 Jahre ist eine Befristung der Arbeitsverhältnisse auf der Basis des Hochschulrahmengesetzes nicht mehr möglich. Allerdings kann dann eine weitere Befristung nach Maßgabe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes erfolgen, zum Beispiel im Rahmen von Drittmittelprojekten oder Sonderforschungsbereichen.

Ich glaube, es ist ganz wichtig, das hier festzuhalten. Sie können das auch in einer dezidierten Stellungnahme der Deutschen Forschungsgemeinschaft dazu nachlesen, die dieselbe Auffassung vertritt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss sagen: Noch stehen wir in Deutschland als Anbieter von Forschung und Wissenschaft auf Platz drei hinter den USA und Großbritannien und vor Frankreich. Das ist wirklich alles andere als ein gemütliches Ruhekissen. Ich halte das jetzt beschlossene Gesetz für einen wichtigen Beitrag zum Erhalt und vielleicht zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Hochschulsystems.

Lassen Sie uns im vor uns liegenden Jahr gemeinsam an der Umsetzung in Landesrecht arbeiten, die Spielräume ausloten und gemeinsam entscheiden, wo wir landesspezifische Regelungen treffen wollen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Für den Antragsteller, die Fraktion der FDP, erhält jetzt der parlamentarische Geschäftsführer Dr. Ekkehard Klug das Wort.

(Lothar Hay [SPD]: Dann hat er etwas Zeit, nach vorn zu kommen! Sehr geschickt ge- macht!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das neue Hochschuldienstrecht birgt große Risiken und Nebenwirkungen. Es besteht die akute Gefahr, dass die vom Bund durchgesetzten Änderungen den Wissenschaftsstandort Deutschland weiter schwächen, statt seine Attraktivität zu erhöhen. Statt einer Jahrhundertre

form, wie sie uns Frau Bulmahn angekündigt hat, droht uns nun ein Jahrhundertflop im Bereich der Hochschulpolitik.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Bitte keine Ständevertretung!)

Vieles ist Etikettenschwindel. Vieles hört sich schön an, aber wenn man dahinter guckt, erweist es sich als Etikettenschwindel.

Frau Bulmahn verspricht mit ihrer Reform eine leistungsbezogene Professorenbesoldung. Das ist ja etwas, was sich sehr schön anhört. Dieses Versprechen wird aber gerade in der Einführungsphase überhaupt nicht einlösbar sein. Ich will das am Beispiel der Situation der Fachhochschulen deutlich machen.

Die Fachhochschulen müssen zum Beispiel in den ingenieurwissenschaftlichen Fächern ihren Hochschullehrernachwuchs aus dem Kreis promovierter Ingenieure mit mindestens fünfjähriger verantwortlicher Berufstätigkeit in der Industrie rekrutieren. Das ist der Personenkreis, aus dem Fachhochschulprofessoren in den Ingenieurwissenschaften gewonnen werden. Zugleich sollen diese Leute natürlich eine herausragende pädagogische Eignung vorweisen. Ihnen wird dann in der Besoldungsgruppe W 2 ein Grundgehalt von 3.724 € garantiert.

Nun kann man sagen, das können die natürlich durch leistungsorientierte Zulagen noch erhöhen und deutlich aufbessern. Aber das geht nur im Rahmen der Spielräume, die den Hochschulen finanziell zur Verfügung stehen. Die Hochschulen sagen mit Recht, dass ihnen die aber in den nächsten zehn Jahren, weil sie die Dienstaltersstufenzulagen der nach altem Dienstrecht dort bereits tätigen Hochschullehrer bedienen müssen, nicht hinreichend zur Verfügung stehen werden. Dann frage ich mich: Wie wird es möglich sein, unter solchen Voraussetzungen qualifizierten Hochschullehrernachwuchs für die Fachhochschulen gerade aus den Bereichen zu rekrutieren, in denen man auf dem Arbeitsmarkt auch mit der freien Wirtschaft konkurriert? Das ist ja bei den Ingenieurwissenschaften allemal der Fall.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Zweites Beispiel, die Juniorprofessur! Dem Ziel, die Stellung der wissenschaftlichen Assistenten im Sinne des amerikanischen Assistant Professors zu verändern, könnten auch wir durchaus zustimmen. Aber das geht eben nicht, wenn man bloß punktuell, bruchstückhaft eine strukturelle Sache aus dem amerikanischen System überträgt und alles Übrige dann mit der üblichen deutschen Überregulierung im Detail festschreibt.

(Dr. Ekkehard Klug)

Die Konditionen, unter denen die Juniorprofessur im neuen Hochschuldienstrecht eingeführt wird, sind nach unserer Überzeugung für die Hochschulen, für die betroffenen jungen Wissenschaftler nichts anderes als ein Schuss ins eigene Knie.

Nach maximal sechs Jahren stehen Juniorprofessoren, sofern sie bis dahin keine Berufung auf eine Lebenszeitprofessur erreicht haben, de facto vor dem beruflichen Aus. Das ist eine deutliche Verkürzung gegenüber den bisherigen Rahmenbedingungen.

Während ihrer sechsjährigen Tätigkeit haben sie in Forschung und Lehre, in Prüfung-, Gutachter- und Gremientätigkeit ähnliche Aufgaben wie ihre auf Lebenszeit berufenen älteren Kollegen. In einem Papier spricht Frau Bulmahn von bis zu acht Semesterwochenstunden Lehrverpflichtung, also vom gleichen Deputat wie dem der auf Lebenszeit eingestellten Professoren. Sie verfügen damit im Rahmen dieser sechs Jahre über extrem enge Spielräume für ihre eigene Profilierung im Bereich der Forschung. Sie müssen aber vor Ablauf der sechs Jahre bei der Bewerbung um Dauerstellen mit Mitbewerbern konkurrieren, die sich von Lebenszeitstellen auf diese freien Professorenstellen bewerben oder die sich nach dem alten Dienstrecht und dem alten Qualifikationssystem mit Habilitation und entsprechenden Forschungsleistungen, auch mit einem entsprechend längeren zeitlichen Vorlauf, qualifiziert haben. Da frage ich mich: Werden diese Juniorprofessoren wirklich die Chance haben, innerhalb dieser sechs Jahre die Wettbewerbsmöglichkeiten, die Wettbewerbschancen zu erhalten, um sich dann auf dem akademischen Arbeitsmarkt mit bewerben zu können?

(Beifall bei der FDP)

Also, die Starrheit dieser Regelung ist das Problem.

Das Gleiche gilt, Frau Erdsiek-Rave, auch für die Frage der zeitlichen Befristung im Bereich der Mitarbeiterstellen, der so genannten Drittmittelstellen.

Ich zitiere Jürgen Kocka, einen gewiss nicht zu den konservativen Kräften zählenden Historiker aus Bielefeld, der am 16. Januar in der „Süddeutschen Zeitung“ formuliert hat:

„Trotz aller Dementis: Die Chance für promovierte, teilweise habilitierte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, nach zwölf Jahren Anstellung im Wissenschaftsbereich - und dabei wird schon die erste Hilfskraftstelle in Zukunft mitgezählt - ohne Lebenszeitstelle weiterbeschäftigt zu werden, nimmt radikal ab.“

So in der „Süddeutschen Zeitung“ am 16. Januar 2002.

Es gibt weiter Überschriften wie „Fristenlösung für Forscher“ oder „Tausende Wissenschaftler bangen um ihren Arbeitsplatz“. Frau Bulmahn bezeichnet dies alles als Panikmache und setzt dagegen auf ihrer Internetseite Hinweise auf Buchveröffentlichungen - das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen von Juristen über befristete Arbeitsverhältnisse im Hochschulbereich. Dann wird als erste Beruhigungspille auf einen immerhin 38 Seiten langen Text im Internet mit einzelnen Fallbeispielen, über welche Möglichkeiten man im Bereich der Befristung verfügt, verweisen.

Das zeigt doch alles nichts anderes als die gnadenlose Regelungsdichte, den gnadenlosen Hang zur Detailregulierung im Hochschuldienstrecht.

Wenn wir uns an Amerika orientieren, Frau Ministerin Erdsiek-Rave, dann sollten wir diesen wirklich typisch deutschen Ansatz, alles im Detail festzuzurren, über Bord werfen. Dann kann man sich auch über vieles andere unterhalten.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion der SPD erhält jetzt Herr Abgeordneter Jürgen Weber das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach jeder Reform, die etwas tiefer greifende Veränderungen auf den Weg bringt, schlägt erst einmal die Stunde der Bedenkenträger. Fünf Minuten davon haben wir jetzt gehört.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das würde ich jetzt aber erst einmal noch nicht so überbewerten. Dazu werden wir sicherlich noch eine vertiefte Diskussion bekommen.

Ich bin der gegenteiligen Auffassung des Kollegen Klug. Ich glaube in der Tat, dass mit der überfälligen Anpassung der Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses und der Besoldung der Professoren an internationale Standards schon ein Meilenstein der Veränderung unserer Hochschulen auf den Weg gebracht worden ist. Ich glaube, dieser Tatbestand unterstreicht nicht nur die wissenschaftspolitische Bedeutung, sondern zeigt auch, dass mit ein wenig Mut, mit ein wenig politischem Willen zur Gestaltung auch scheinbar unbewegliche Tanker in Fahrt gebracht werden können. Es unterstreicht auch ein Stück Gestaltungswillen und -fähigkeit von Politik. Das - so

(Jürgen Weber)

finde ich - ist auch ein mutiges Zeichen, das man nach außen unterstreichen sollte.

Meine Damen und Herren, ich will nicht im Einzelnen darauf hinweisen, welche Kommission und welche Experten gearbeitet haben, um diese Reform auf den Weg zu bringen. Ich möchte aber sagen und der Ministerin Bulmahn durchaus meinen Respekt dafür zollen, dass bei allen Kompromissen, die eingegangen worden sind, und bei dem vielstimmigen Chor der Bedenkenträger, die sich gemeldet haben, doch ein konsequenter Weg beschritten worden ist, der jetzt in Details in den Ländern umgesetzt werden muss.

Dass Nachwuchswissenschaftler früher unabhängig forschen und lehren können müssen als bisher, scheint mir ohne Alternative zu sein. Dass Professoren stärker nach Leistung besoldet werden sollen, ebenfalls.

Wenn wir jetzt an der Stelle sind, diese Bundesgesetzgebung in Länderbestimmungen umzusetzen, heißt das natürlich auch, eine Reihe von ohne Frage problematischen Punkten im Detail weiter zu beleuchten.

Zu den Juniorprofessoren, Kollege Klug! Wenn wir einmal die Zeitfenster der Möglichkeiten der Qualifizierung bis zu dem Punkt aufmachen, an dem ich mich qualifiziert haben muss, um mich dann auf eine ordentliche Professur bewerben zu können, hat sich überhaupt nichts verändert. Verändert hat sich lediglich der Qualifikationsweg dahin gehend, dass Unabhängigkeit und Selbstständigkeit von Lehrenden früher einsetzen.

Ich würde da gar nicht so ängstlich sein. Ich glaube, dass diejenigen, die so qualifiziert sind, dass sie den Weg gehen können, das auch packen werden. Natürlich brauchen wir vernünftige Übergangsregelungen, sodass diejenigen, die noch andere Qualifikationswege begonnen haben, dieselbe Chance am Wissenschaftsmarkt erhalten. Ich gehe davon aus, dass das auch umgesetzt werden wird.

Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt hinweisen. Die Ministerin hat angesprochen, dass wir in Schleswig-Holstein kein Geld zu verschenken haben. Wenn jetzt für die Ausstattung der Lehrstühle der neuen Juniorprofessuren Bundesmittel fließen sollen, dann haben wir dafür Sorge zu tragen, dass diese Mittel auch im notwendigen Umfang nach SchleswigHolstein fließen.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Zum Thema Habilitation möchte ich nur in aller Kürze sagen: Der dort gefundene Kompromiss ist meines Erachtens okay. Ein bisschen mehr Konsequenz wäre mir persönlich lieber gewesen, aber ich denke, dass