Protocol of the Session on February 21, 2002

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Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich die Gelegenheit nutzen, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer der Heinrich-Hertz-Realschule Quickborn sowie der Grund- und Hauptschule Holtenau auf der Tribüne zu begrüßen. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich will bekannt geben, dass sich der Ablauf der heutigen Beratung dahin gehend verändert, dass wir - so sind die Fraktionen übereingekommen - zunächst Tagesordnungspunkt 9 beraten werden - Gesetz zur Änderung des Straßen- und Wegegesetzes - und dass die ursprünglich vorgesehenen Tagesordnungsordnungspunkte 21, 22 und 39 - Bericht über den Europäischen Rat von Laeken und Europabericht 2001 - danach aufgerufen werden. Das hängt schlicht damit zusammen, dass unsere Europäer noch im Stau stehen, nicht politisch, sondern witterungsbedingt, auf der Autobahn. Wir hoffen, dass sie nach Tagesordnungspunkt 9 hier sind. Sollte es eine weitere Verzögerung geben, werden wir einen weiteren Punkt vorher aufrufen. Findet das Ihre Zustimmung?

(Unruhe)

Bevor ich Punkt 9 aufrufe, darf ich noch die Gelegenheit nutzen, Herrn Umweltminister Müller zu seinem heutigen Geburtstag zu gratulieren.

(Beifall)

Jetzt treten wir beherzt in die Tagesordnung ein. Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Schleswig-Holstein

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Drucksache 15/1592

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Wenn das nicht der Fall ist, eröffne ich die Aussprache. Für die antragstellende Fraktion darf ich Herrn Abgeordneten Dr. Johann Wadephul das Wort erteilen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns seit einigen Jahren mit Sorge mit der Entwicklung der Kriminalität in Schleswig-Holstein. Herr Innenminister, insbesondere im Bereich der Gewaltkriminalität mussten wir einen deutlichen Anstieg feststellen: 40 % mehr Gewalt

4026 Schleswig-Holsteinischer Landtag (15. WP) - 54. Sitzung - Donnerstag, 21. Februar 2002

(Dr. Johann Wadephul)

kriminalität in Schleswig-Holstein in den Jahren 1991 bis 2000 sind ein ernst zu nehmendes Problem. Die Bürgerinnen und Bürger des Landes fühlen sich zunehmend durch Gewalttäter bedroht, aber auch durch Menschen, die sich im öffentlichen Raum aufhalten, belästigt, und sie haben die Sorge, dass der Staat ihre Sicherheit nicht gewährleisten kann.

Wir haben an vielen Stellen in diesem hohen Hause darüber diskutiert, wie man für mehr innere Sicherheit sorgen kann. Herr Innenminister, wir haben mehrfach beklagt, dass es ein Fehler war, in den letzten Jahren über 250 Polizeistellen im Lande abzuschaffen. Wir stellen fest: Was an rot-grünen Vorstellungen im Bereich der inneren Sicherheit vorherrscht, reicht nicht aus, um eine zunehmende Kriminalität und Gewalt in der Gesellschaft zu bekämpfen. Wir als Union vertreten die Auffassung, dass man nicht immer zurückweichen kann. Wir sind der Auffassung: Wir müssen den Anfängen wehren.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Dazu gehört auch, dass wir offene Drogenszenen, aggressives Betteln und ungehemmten Alkoholkonsum in Fußgängerzonen oder auf öffentlichen Wegen und Plätzen nachhaltig bekämpfen.

(Beifall der Abgeordneten Herlich Marie Todsen-Reese [CDU])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie sich in diesen Tagen in der Kieler Innenstadt bewegen und den Sophienhof erreichen wollen - ähnliches gilt für die Breite Straße in Lübeck -, dann gehört es zur Alltagsszene in Schleswig-Holstein, dass Sie von solchen Personen, die ich gerade eben genannt habe, auf aggressivste Art und Weise angebettelt werden, dass sich junge Mütter mit Kindern, dass sich ältere Menschen bedroht fühlen. Dem müssen wir entgegentreten.

Wir haben in diesem hohen Hause oftmals darüber diskutiert, ob es richtig wäre, die öffentliche Ordnung wieder in das Polizeirecht unseres Landes aufzunehmen. Die Union hat das mehrfach beantragt und dafür bisher leider keine Mehrheit in diesem hohen Hause bekommen. Deswegen unternehmen wir einen erneuten Anlauf, bei dem wir insbesondere auf der linken Seite des hohen Hauses nunmehr auf Unterstützung hoffen.

(Beifall bei der CDU)

Wir alle wissen, dass es unter sozialdemokratischer Verantwortung in der Stadt Elmshorn mit einer aus Ihren Reihen sicherlich sehr anerkannten Bürgermeisterin das Bemühen gegeben hat, eine so genannte Trinkersatzung zu erlassen, die leider das Schicksal erlitten hat, dass sie vor den Verwaltungsgerichten

Schleswig-Holsteins für nichtig erklärt worden ist und nicht mehr gilt. Deswegen brauchen wir eine neue Rechtsgrundlage. Deswegen ist es unsere Verantwortung, als Landesgesetzgeber dafür zu sorgen, dass die Kommunen vor Ort flexibel, nach ihren Bedürfnissen reagieren können und dass die Kommunen vor Ort die Möglichkeit haben, auf sicherer Rechtsgrundlage dafür zu sorgen, dass aggressives Pöbeln, Trinken, Anbetteln nicht mehr stattfinden, damit wir für mehr Sicherheit zum Schutze der Bürgerinnen und Bürger auch auf öffentlichen Straßen und Plätzen in Schleswig-Holstein sorgen können.

(Beifall bei der CDU)

Es kommt für die Landeshauptstadt Kiel und die Kiellinie als besonderes Problem hinzu, dass wir in besonders unappetitlicher Art und Weise in den letzten Jahren feststellen mussten - wir sind von der Polizei der Landeshauptstadt mehrfach angesprochen worden -, dass es offensichtlich einige Verirrte mit pädophilen Neigungen gibt, die sich einen Spaß daraus machen, nackte Kinder, die hier herumspielen, zu fotografieren. Dagegen möchte die Landeshauptstadt Kiel vorgehen. Wir möchten auch hierfür eine Rechtsgrundlage schaffen.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass wir das Thema der Pädophilie nicht unterschätzen sollten. Herr Innenminister, ich habe mit großer Sorge gelesen, dass der Verein, der sich in Hamburg niederlassen wollte, woran er durch die Intervention des Senats offenbar gehindert wird, nunmehr Anstrengungen unternimmt, ein Gleiches in Schleswig-Holstein zu tun. Ich glaube, wir als Landtag und auch die Landesregierung sollten mit aller Massivität diesen verirrten Personen entgegentreten; denn es geht an dieser Stelle um den Schutz unserer Jüngsten, unserer Kinder. Wir sind gut beraten, an dieser Stelle dafür Sorge zu tragen, dass sie nicht missbraucht werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich bitte um Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf der Union, der für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum sorgt und den Kommunen die Möglichkeit lässt, flexibel auf die Probleme vor Ort zu reagieren. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Kriminalität verhindert wird. Daher muss man den Anfängen wehren.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls.

Schleswig-Holsteinischer Landtag (15. WP) - 54. Sitzung - Donnerstag, 21. Februar 2002 4027

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bettler und Trinker sind arme Schlucker,

(Heiterkeit)

um die wir uns in erster Linie im Rahmen der Sozialpolitik kümmern sollten, statt sie mit staatlicher oder kommunaler Ordnungsmacht zu verfolgen, statt sie aus unserem Blickfeld zu vertreiben.

(Beifall bei der SPD)

Sicherheitspolitik ist nicht in jedem Falle geeignet, in der Bevölkerung vorhandene nachvollziehbare und verständliche Ängste und Befürchtungen zu beseitigen. Sicherheitspolitischer Aktionismus kann solche Ängste auch erst hervorrufen und verstärken. Damit wird das Gegenteil dessen erreicht, was wir alle gemeinsam wollen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und FDP)

Wir wollen durch eine Verbesserung der objektiven Sicherheitslage eine Stärkung des subjektiven Sicherheitsgefühls der Menschen erreichen. Durch Sicherheitsgesetze allein verändern wir noch nicht die reale Sicherheitslage, weil zu jedem Gesetz der Vollzug gehört.

(Klaus Schlie [CDU]: Richtig!)

Vor allem sollten wir - da sind wir uns dann sicherlich alle wieder einig - in personeller, organisatorischer und finanzieller Hinsicht dafür sorgen, dass zum Beispiel unsere Landespolizei ihre bereits vorhandenen gesetzlichen Aufgaben noch besser erfüllen kann.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Wenn Gefahren für die öffentliche Sicherheit bestehen, können Polizei- und Ordnungsbehörden bereits nach der geltenden Fassung des Landesverwaltungsgesetzes die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen treffen - § 174 Landesverwaltungsgesetz -, zum Beispiel auch Platzverweise anordnen § 201 Landesverwaltungsgesetz. Sie können auch tätig werden, wenn eine Belästigung der Allgemeinheit, zum Beispiel durch aggressives Betteln oder durch störenden Alkoholkonsum, vorliegt. In § 118 Ordnungswidrigkeitengesetz heißt es:

„Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.“

Die CDU hat in der Vergangenheit - Herr Dr. Wadephul hat darauf hingewiesen - wiederholt versucht, den Begriff der öffentlichen Ordnung wieder in das Landesverwaltungsgesetz einzubauen, um die Handlungsmöglichkeiten der Polizei- und Ordnungsbehörden zu verbessern. Wir haben das immer mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass die Polizei bereits nach der geltenden Rechtslage das tun kann, was geeignet und notwendig ist, um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen.

(Beifall bei der SPD)

Heute nun versucht die CDU-Fraktion zusätzliche Möglichkeiten durch kommunale Satzungen zu schaffen. Wir wollen uns diesem Ansinnen nicht grundsätzlich verschließen,

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

meinen aber, dass über die Einzelheiten noch intensiv in den zuständigen Ausschüssen beraten werden muss.

(Thorsten Geißler [CDU]: Über Formulie- rungen kann man reden!)

Insbesondere was die Frage angeht, Herr Dr. Wadephul, ob das Fotografieren unbekleideter Kinder in einen Verbotskatalog zur Einschränkung des Gemeingebrauchs öffentlicher Straßen und Plätze hineingehört, sind wir gegenwärtig eher zweifelnd. Sie werden uns sicherlich Recht geben, dass es, wenn ein Kind im Hochsommer unbekleidet in den städtischen Springbrunnen hüpft und von seiner Mutter für das Familienalbum fotografiert wird, noch keinen Sündenpfuhl eröffnet.