Guten Morgen, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung. Erkrankt sind Frau Ministerin Moser und Herr Abgeordneter Schröder, denen wir von hier aus baldige Genesung wünschen.
Wegen dienstlicher Verpflichtungen auf Bundesebene sind Frau Ministerin Ingrid Franzen, Frau Ministerin Anne Lütkes sowie Herr Minister Möller beurlaubt und heute Nachmittag Frau Ministerpräsidentin Simonis.
Auf der Tribüne begrüße ich die Besuchergruppen der Realschule Schönkirchen und der Deutschen Schule in Tinglev.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das sehe ich nicht. Zur Beantwortung der Großen Anfrage erteile ich Frau Ministerin Erdsiek-Rave das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Schleswig-Holstein lebten Ende letzten Jahres rund 142.000 Mitbürgerinnen und Mitbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit und ungefähr 94.000 Spätaussiedler aus Mittel-, Süd- und Osteuropa, die in den letzten 50 Jahren ins Land gekommen sind. Mit der vorliegenden Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zur Gesundheitssituation der Migrantinnen und Migranten wird in Schleswig-Holstein zum ersten Mal der Versuch unternommen, die vorhandenen sozialmedizinischen und epidemiologischen Daten zu ihrer gesundheitlichen Situation und Versorgung zu erfassen und zu analysieren. Das Ergebnis macht deutlich, wie wesentlich der gesamte Bereich Gesundheit für eine wirksame Integration ist, unter der die Landesregierung nicht nur Anforderungen an die Migrantinnen und Migranten selbst versteht, sondern ebenso Anforderungen an die aufnehmende
Die Große Anfrage erreichte die Gesundheitsministerin im letzten Jahr genau zu dem Zeitpunkt, als eine von ihr eingerichtete Expertengruppe im Rahmen des Integrationskonzepts der Landesregierung Maßnahmen entwickeln sollte, die Chancengleichheit beim Zugang zum Gesundheitswesen zu erhöhen. Ein Problem war von vornherein die sehr dürftige Datenlage zur Gesundheitssituation der Migrantinnen und Migranten. Deshalb wurde die Beantwortung der Großen Anfrage auch zum Anlass genommen, ein Gutachten an ein wissenschaftliches Institut in Auftrag zu geben. Auch dieses Gutachten macht deutlich, dass trotz eigener Erhebungen die Antworten zur Gesundheitssituation nach wie vor unter dem Vorbehalt einer uneinheitlichen und unvollständigen Datenlage stehen. Die Auswertung der vorgenommenen Erhebung kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass in SchleswigHolstein die ausländischen Arbeitnehmer, ihre Familienangehörigen sowie die Spätaussiedler in der Regel in die Gesundheitsversorgung integriert sind. Sie suchen zum Beispiel Ärzte genauso häufig auf wie einheimische Versicherte, allerdings nutzen sie bestimmte Angebote, zum Beispiel bei der Vorsorge und der Prävention, noch weniger optimal, als dies leider auch die einheimische Bevölkerung tut.
Um in diesem Zusammenhang genauere Informationen zu erhalten, hat die Gesundheitsministerin vier regionale Fallstudien bei demselben wissenschaftlichen Institut in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse werden Ende April erwartet und müssen dann auch dem Parlament berichtet werden.
Die aufsuchende Gesundheitsberatung ist deshalb im Konzept der Landesregierung neben anderen als eine Strategie vorgesehen, um gesundheitsfördernde Maßnahmen und Aufklärung gerade den Migrantinnen und Migranten näher zu bringen.
Einen Moment bitte, Frau Ministerin! - Ich bitte um etwas mehr Ruhe. Der Geräuschpegel im Haus ist sehr hoch.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Zudem soll das mehrsprachige Informationsangebot in allen Einrichtungen des Gesundheitssystems verstärkt werden.
Ein Beispiel: Der diesjährige Impfaktionstag ist der Zielgruppe Migrantinnen und Migranten gewidmet. Im Rahmen einer großen Informationsveranstaltung zum deutschen Gesundheitswesen, die wir gemeinsam mit der Ärztekammer für ethnische Vereine und Migrantenorganisationen im Sommer veranstalten wollen, werden mehrsprachige Hinweise zu diesem gesundheitspolitisch besonders wichtigen Thema an die Multiplikatoren weitergegeben.
Zugleich geht es darum, die Migranten, ihre Vereine und Organisationen aktiv im Sinne des Entstehens und Erhaltens der Gesundheit gemäß der WHO-Charta zur Gesundheitsförderung 1986 zu beteiligen.
Gewiss ist hinsichtlich der interkulturellen Qualifikation der Fachkräfte im Gesundheitswesen noch einiges zu tun, aber feststellen kann man auf jeden Fall, dass die Voraussetzungen für die Entwicklung dieser Kompetenz, wie zum Beispiel Fortbildungsangebote, Arbeitskreise, fachlicher Austausch, vorhanden sind. Beispielhaft möchte ich hier eine jetzt im dritten Jahr stattfindende Veranstaltungsreihe nennen, die wir gemeinsam mit der Ärztekammer für die Ärzteschaft und das medizinische Fachpersonal zum Thema kulturelle Besonderheiten in der Medizin durchführen. Deshalb setzt die Gesundheitsministerin, wie es auch im Integrationskonzept der Landesregierung formuliert ist, besonders auf die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe und fordert verbindliche Lehrinhalte zum Erwerb dieser so wichtigen interkulturellen Kompetenz.
Insgesamt bestätigt die Antwort auf die Große Anfrage - das lässt sich in einem Fünfminutenbeitrag nun wahrlich nicht im Einzelnen darstellen - nicht nur, dass wir im Hinblick auf das Gesundheitswesen mit den getroffenen Maßnahmen auf dem richtigen Weg sind, sondern dass es mit dieser Großen Anfrage auch eine sehr gute Grundlage für die weitere Arbeit gibt.
Abschließend sei noch einmal das Ziel formuliert: Herstellung von Chancengleichheit beim Zugang zu allen Bereichen, insbesondere bei der Behandlung, der Rehabilitation, der Pflege einschließlich der Gesundheitsförderung und vor allem der Prävention. Das
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung anfügen: Ich war heute Morgen bei der Zeitungslektüre eher nebenbei direkt bei diesem Thema, als ich las, wie schlecht die Gesundheitssituation schichtenspezifisch in Deutschland festzustellen ist.
Da gibt es Zusammenhänge. Es gibt Zusammenhänge zu diesem Thema, es gibt Zusammenhänge zum Thema Gesundheitssituation als schichtenspezifisches Phänomen bis hin zu Zusammenhängen mit PISA. Wir müssen uns wirklich fragen, wie stark unsere Gesellschaft zerfällt und was wir in Zukunft nicht nur für diese Gruppe tun müssen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich lobenswert, dieses Thema einmal in den Mittelpunkt der Beratungen zu stellen. Wenn man die Große Anfrage beurteilt, gibt es drei Möglichkeiten: Entweder ist alles weitgehend in Ordnung - im Ergebnis wird man dem beipflichten müssen - oder es gibt Schwächen in der Erhebung der Materialien - da muss dann die Regierung wissen, wie sie damit umgehen will - oder aber es liegt zum Teil an der Qualität der Anfrage. Ich möchte zwei Dinge festhalten.
Am Ende des Berichts heißt es, dass sich die Frage nach dem Gesundheitszustand der Migrantinnen und Migranten zurzeit nicht befriedigend beantworten lässt, da hierfür wesentliche Voraussetzungen fehlen. Bislang gäbe es unter anderem keine einheitliche Definition. Auf die Frage, ob es Versorgungslücken gibt, heißt es in der Antwort, dass diese Frage erst nach einer sorgfältigen und kleinräumigen Bedarfsanalyse zu beantworten sei. Im Grunde genommen muss man feststellen, dass es keinerlei fundiertes Material gibt, um diese Große Anfrage inhaltlich beantworten zu können. Das können Sie für richtig halten oder nicht. Das ist Ihre Entscheidung als Regierung. Ich denke aber, man muss dies festhalten.
Zur Fragestellung, was diese Anfrage ergeben konnte, möchte ich ein Beispiel nennen. Die Frage zehn aus dem zweiten Teil lautet:
Mit Verlaub sage ich: Eine gute Kleine Anfrage hätte es auch getan. Dafür hätte man nicht in diese Tiefe gehen müssen.
Das ist eigentlich nicht sehr viel. Es fehlen weitere wichtige Punkte. Der Kollege Kubicki hat den Wert der Kleinen Anfrage auch schon erkannt. Das ist ein gutes Instrument!
(Beifall bei der CDU - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aus jedem Pups machen Sie eine Kleine Anfrage!)
Wie wir feststellen, fehlen in diesem Bericht mehrere wichtige Punkte. Das Asylverfahrensgesetz sieht die Erstuntersuchung von Asylsuchenden vor. Die Durchführungsverordnung liegt beim Land. Das stellen Sie in dem Bericht auch fest. In dem Bericht beklagen Sie, dass - abgesehen vom Infektionsschutz - zu wenig untersucht wird. Folgerungen weiterer Art ziehen Sie aber nicht.
Ein weiteres Beispiel: Wenn ich mich richtig erinnere, sind die Aussiedler seinerzeit sehr gründlich untersucht worden. Datenmaterial und Untersuchungsergebnisse dazu gibt es in diesem Bericht überhaupt nicht. Zu Recht wird kritisiert, dass nicht genügend Dolmetscher da sind. Das ist ein wichtiger Punkt. Folgerungen lese ich in dem Bericht nicht. Berechtigterweise wird das wichtige Thema der traumatisierten Flüchtlinge angesprochen. Das ist wirklich ein Problem. Aber auch hier ist - abgesehen von einer Zustandsbeschreibung - eigentlich nicht viel zu lesen. Ebenfalls berechtigterweise wird die Sprachproblematik angesprochen. Wir als CDU haben ständig darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig die Sprache ist. Folgerungen, zum Beispiel mehrsprachige Broschüren, sind zwar in dem Entwurf der Regierung vom November vergangenen Jahres enthalten, mehr aber nicht. Ich behaupte: Aufgrund der jetzigen Informationslage der Landesregierung wäre man noch nicht einmal in der Lage, zu diese Thema einen Landesbericht zur Gesundheit vorzulegen. Sie müssen politisch verantworten, ob Sie dies als ausreichend ansehen.
Dort, wo Mittel eingesetzt wurden, ist der Erfolg gering. Ich will nur auf einen Punkt aufmerksam machen: In dem Bericht heißt es, dass das Netz von Beratungsstellen, Vereinen und anderen Organisationen beachtlich dicht sei. Trotz vielfältiger Aktivitäten sei
es jedoch schwer einzuschätzen, inwieweit Angebot und Bedarf übereinstimmen. Darüber könnten erst kommunale Gesundheitsberichte Aufschluss geben. Das ist ein beachtlicher Hinweis. Es besteht offenbar die Sorge der Regierung, dass wir in diesem Bereich zu viel mit wenig erfolgsorientierter Kontrolle haben. Ich will auf diesen Punkt einfach nur aufmerksam gemacht haben.
Erfreulich finde ich, dass rund 10 % der Arzt- und Zahnarzthelferinnen und -helfer Migrantinnen und Migranten sind. Das ist eine beachtliche Zahl mit positiver Tendenz. Das muss man festhalten. Das ist gut so. Gott sei Dank haben wir im vergangenen Jahr im Gesundheitsdienstgesetz die Problemlage der chronisch kranken Menschen und der Migrantinnen und Migranten verankert. Auch das ist ein wichtiger und guter Schritt, den wir gemeinsam gegangen sind. Es wird festgehalten, dass es eigentlich keine Spezialangebote für Migrantinnen und Migranten im Bereich der Gesundheitsversorgung gibt. Das bestätigt auch unsere Auffassung: Gesundheit ist nicht teilbar.