Protokoll der Sitzung vom 13.09.2002

Sie haben hier schlicht und ergreifend Wahlkampf betrieben. Ich bin mal gespannt, wie darauf mein Kollege Heiner Garg reagieren wird. Als er gestern auch nur den Anflug von Wahlkampf im Plenarsaal spürte, ist er über das Pult gesprungen und laut geworden. Was Sie hier gerade abgeliefert haben, müsste ihn gleich herausfordern, ebenfalls deutlich zu machen, dass dies nichts weiter als Wahlkampfgeplänkel war und dass nichts dahinter steckte. Sie haben Probleme aus der Mottenkiste und keine vorwärts weisenden Wege aufgezeigt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Wolfgang Baasch)

Worum geht es der Hartz-Kommission? - Es sind ehrgeizige Ziele formuliert worden. Man kann festhalten: Es sollen in den nächsten zwei Jahren annähernd 2 Millionen Arbeitlose gewinnen, indem sie wieder Arbeit, Beruf und Lebensperspektive erhalten.

(Martin Kayenburg [CDU]: Aber Sie müssen die Arbeitsplätze schaffen!)

Es sollen die Sozialkassen gewinnen, indem dieser Bereich reformiert wird, indem mehr öffentliche Einnahmen zur Verfügung stehen, um die Folgekosten der Arbeitslosigkeit zu beseitigen.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Ferner sollen - Herr Kayenburg, auch wenn Sie es nicht glauben - die Unternehmen gewinnen, die in den letzten Jahren im ökonomischen Bereich große Schwierigkeiten hatten. Man muss auch in dem Bereich der Unternehmen neue Arbeitsplätze schaffen. Aber auch das ist im Hartz-Plan enthalten.

(Martin Kayenburg [CDU]: Wo denn? Das stimmt doch nicht!)

Von daher greift es zu kurz, wenn Sie mit Ihren Konzepten arbeiten. Denn Ihr Gegenkonzept sieht doch nichts anderes als die Aushöhlung der Tarifautonomie, die Wiederabschaffung des Kündigungsschutzes und all das, was Sie immer wieder aus der Mottenkiste herausholen, vor.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der SPD: Richtig!)

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Unternehmen in Deutschland haben mit Ihnen keine Zukunftschance.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst einmal möchte ich ein ganz herzliches Dankeschön an das Ministerium richten, das uns heute einen informativ aufbereiteten Bericht über die Vorschläge der HartzKommission vorgelegt hat. Der Dank an die Landesregierung und an die Ministerin bezieht sich nicht nur darauf, dass sie uns die Vorschläge der Hartz-Kommission so informativ aufbereitet hat, sondern auch darauf, dass in dem Bericht Vorschläge gemacht worden sind, wie die Punkte aus dem Hartz-Papier in Schleswig-Holstein umgesetzt werden können.

(Zuruf des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Unter Punkt 6, dem angekündigten Masterplan, Herr Kalinka, können Sie lesen, dass schon in drei Berei

chen Vereinbarungen mit dem Landesarbeitsamt zur Umsetzung beschlossen worden sind.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Wenn Sie sich vorstellen, mit welcher Geschwindigkeit dies geht, dann sehen Sie, dass die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Schleswig-Holstein bei der rotgrünen Regierung in guten Händen ist.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit dem Landesarbeitsamt ist die Bildung einer Stabsgruppe vereinbart, die die Personalserviceagenturen, die durch das Hartz-Papier vorbereitet werden, umsetzen soll.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Es ist vorbereitet, Herr Kayenburg, dass die Umsetzung der MoZArT-Projekte ausgewertet wird. Wir haben in Schleswig-Holstein acht Projekte, die nach dem System Zusammenarbeit von Arbeitsämtern und Sozialämtern arbeiten und hervorragende Ergebnisse abliefern. Das ist also nicht etwas, was Sie erst einführen müssen, sondern was in Schleswig-Holstein schon seit langem praktiziert wird, und zwar sehr erfolgreich.

(Beifall bei der SPD)

Ferner ist vereinbart worden - das ist, wenn man sich die Schlagzeilen über MobilCom und Flender Werft vor Augen hält, wichtig -, dass frühzeitig Jobsuchende beziehungsweise gekündigte Menschen Unterstützung erhalten,

(Martin Kayenburg [CDU]: Das könnten sie auch ohne Hartz!)

wenn sie auf dem Weg sind, eine neue Arbeit zu suchen. Dazu bedarf es natürlich noch Gespräche mit den Unternehmerinnen und Unternehmern dieses Landes.

(Martin Kayenburg [CDU]: Ach nein?)

Es geht darum, möglichst frühzeitig und möglichst schnell die Interessen der von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu unterstützen.

Das Handeln der Landesregierung zeigt deutlich: Hier wird nicht nur geredet, sondern hier wird tatsächlich gehandelt. Dies ist auch dringend notwendig, denn Arbeitslosigkeit ist ein Problem, das wir nicht nur mit Reden bekämpfen können, sondern das auch konkrete Umsetzungsschritte braucht.

(Beifall bei der SPD)

(Wolfgang Baasch)

Im Weiteren, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich auf einige Diskussionsansätze der Hartz-Kommission eingehen. Das Ziel der Hartz-Kommission, die Zahl der Arbeitslosen innerhalb von drei Jahren um 2 Millionen zu verringern, ist sicherlich ehrgeizig. Aber ehrgeizige Ziele und ein aktives Handeln sind die besten Voraussetzungen dafür, in diesem Bereich erfolgreich zu sein. Insofern glaube ich, dass es die Hartz-Kommission geschafft hat, das Problem der Arbeitsmarktpolitik und die Situation der von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen wieder in den Mittelpunkt der Diskussion unserer Gesellschaft zu rücken.

Der Bericht der Hartz-Kommission lässt uns aber auch alle - ich beziehe mich persönlich mit ein - noch einmal über viele Inhalte einer seit Jahren geübten Diskussion über Arbeitsmarktpolitik nachdenken, die oft unter mangelnder Flexibilität gelitten hat. Für mich will ich zum Beispiel das Modul 9 aus dem Bericht der Hartz-Kommission herausgreifen, in dem es um Mini-Jobs und Ich-AG geht. Ich glaube nach wie vor, dass Mini-Jobs, das heißt Niedriglöhne, nicht der Ausweg aus der Beschäftigungskrise sein können.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Aber wer die Vorschläge der Hartz-Kommission ernst nehmen will und wer sagt, dass es auch darum geht, sich in diesem Segment nicht hinter eigenem alten Denken zu verbarrikadieren, muss feststellen: Auch hier wollen wir versuchen, neue Wege zu finden, um einen spürbaren Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu leisten.

(Beifall bei der SPD)

Auch wenn meine Bedenken noch bestehen und ich glaube, dass auch tarifvertragliche Regelungen für Arbeit im Niedriglohnbereich notwendig sind,

(Beifall der Abgeordneten Konrad Nabel [SPD] und Lars Harms [SSW])

so glaube ich doch, dass auch hier flexible Antworten gefunden werden müssen. Ich hoffe, dass auch andere den 13 Vorschlägen der Hartz-Kommission genauso unvoreingenommen gegenübertreten. Denn nur so werden wir dafür sorgen, dass diese Vorschläge insgesamt eine Chance auf Realisierung bekommen können.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Es gibt einen zweiten Bereich, bei dem ich skeptisch bin und der auch noch der Gestaltung bedarf. Das

sind die kommunalen Beschäftigungsgesellschaften und die kleine Beschäftigungsträger, die im großen Wettbewerb eventuell ihren Auftrag oder ihre Zielrichtung verlieren können. Kleine Beschäftigungsträger beziehungsweise Beschäftigungsgesellschaften auf kommunaler Ebene, die versuchen, Sozialhilfeberechtigte und Arbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, werden es in Zukunft schwer haben, in der bestehenden Struktur weiterzuarbeiten. Hier kommt es darauf an, dass die Arbeitsämter nicht nur mit ihren Personalserviceagenturen das Geschäft von Sozialhilfeträgern und von Beschäftigungsgesellschaften übernehmen, sondern dass sie auch auf kommunaler und auf regionaler Ebene mit den bestehenden Trägern intensiv zusammenarbeiten, dass die Erfahrungen zusammenfließen. Es kommt darauf an, dass sowohl die Stärken des Arbeitsamtes als auch die Stärken bisheriger erfolgreicher Tätigkeit kommunaler Beschäftigungspolitik in Schleswig-Holstein, die zum Beispiel durch das Programm ASH gekennzeichnet sind, auch zusammengeführt werden. Ich will hier auch auf das erfolgreiche Elmshorner Modell verweisen, will aber auch aus eigener Erfahrung vom Lübecker Modell sprechen und in diesem Zusammenhang auch noch einmal die gute Zusammenarbeit zwischen Sozialämtern und Arbeitsämtern erwähnen, die sich in Schleswig-Holstein entwickelt hat.

(Beifall bei SPD und SSW)

Diese regionalen Stärken gilt es zusammenzuführen und in Zukunft weiterzuentwickeln. Insgesamt geht es darum, einen neuen Gesellschaftsvertrag herauszuarbeiten, der viele Chancen eröffnet, der Unternehmerinnen und Unternehmern die Möglichkeit bietet, neue Arbeit zu akquirieren, der vielen arbeitslosen beziehungsweise von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen die Gelegenheit gibt, neue Arbeit für sich zu erschließen. Dies ist aus meiner Sicht das von der Hartz-Kommission in ihren Vorschlägen aufbereitete Szenario. Die Überschrift dafür heißt: Eigenaktivität auslösen, Sicherheit einlösen. Ich glaube, dies ist eine gute Überschrift.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es bleibt aber festzuhalten: Arbeitsmarktpolitik kann nur dann erfolgreich sein, wenn neue Arbeitsplätze geschaffen werden und wenn die vorhandene Arbeit auf mehr Schultern verteilt wird. Wir brauchen Arbeit mit hohem Wertschöpfungspotenzial. Diese Arbeit ist die Grundlage für eine zukunftsorientierte Reform auch der sozialen Sicherungssysteme und des Ausbaus unserer öffentlichen Infrastruktur. Es geht um die Qualifizierung für qualifizierte Arbeitsplätze und um die Möglichkeiten, aus den Sackgassen planloser Dumping

(Wolfgang Baasch)

konkurrenz und sozialer Ausgrenzung herauszukommen.

Eine neue innovative Arbeitsmarktpolitik braucht aber auch ein neues wirtschaftliches und finanzpolitisches Denken. Öffentliche Investitionen, eine Stärkung der finanziellen Möglichkeiten der Kommunen, soziale Gerechtigkeit in der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums und eine Arbeitszeitverkürzung bleiben hier Stichworte, die auch zu einer künftigen Diskussion über eine neue und innovative Arbeitsmarktpolitik gehören.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.