Auch wenn es die Landesregierung nicht gern hört: Wir müssen uns in Zukunft verstärkt mit den finanziellen Rahmenbedingungen für die Grundschule auseinander setzen. Gerade finanziell liegt Deutschland im Grundschulbereich mit 3.490 € pro Grundschulkind weit hinter dem internationalen Durchschnitt. Ich verweise auf Finnland, wo es zum Beispiel 4.640 € pro Grundschulkind sind. Das macht den Unterschied deutlich.
Der Vorsitzende des Bundesgrundschulverbandes, Dr. Horst Bartnitzky, hat Recht, wenn er sagt, der Bildungsbereich Grundschule ist nach wie vor ein Stiefkind, die gymnasiale Oberstufe das Hätschelkind der Schulpolitik. Für einen Oberschüler wird nämlich viermal soviel ausgegeben wie für ein Grundschulkind.
Wir müssen also generell über die Prioritäten im Bildungssystem nachdenken. Gleichzeitig kommen wir aber nicht umhin anzuerkennen, dass die finanziellen Ressourcen des Bildungsbereichs grundlegend erhöht werden müssen. Damit wären wir wieder bei der Debatte über die Vermögens- und Erbschaftssteuer. Nur durch Mehreinnahmen für die Länder kann man die erforderliche flächendeckende Ganztagsschule und verlässliche Grundschulzeiten finanzieren.
(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] - Zuruf von der CDU: Schon wieder Steuererhöhungen!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Schulen sind nicht so gut, wie sie sein sollen. Das wissen wir nicht erst seit PISA. Deswegen müssen alle Eckwerte und alle Mittel der Unterrichtsorganisation regelmäßig überprüft werden. Einer der Standards, die man dabei anlegen kann, ist die Stundentafel, ein gewissermaßen klassisches Instrument. Ich betone aber, es ist ein Instrument neben mehreren anderen.
Eine weitere Maßeinheit ist nach bisheriger bildungspolitischer Debatte jedenfalls - ich bin auch noch nicht davon überzeugt, dass es ein gänzlich unbedeutender Parameter ist - die Klassengröße.
(Beifall der Abgeordneten Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD], Angelika Birk [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Spooren- donk [SSW])
Wir haben im Rahmen der Stärkung der schulischen Eigenverantwortung vor etlichen Jahren den Klassenteiler in den Grund- und Hauptschulen aufgehoben und die Stundentafeln mit dem Ziel relativiert, dass die Schulen über Klassenbildung und Unterrichtsversorgung eigenverantwortlich entscheiden können. Sie kennen das Verfahren. Das ist ein schlichter Dreisatz mit den zwei festen Variablen: Unterrichtsstunden und Schülerzahl. Wenn die Klassen größer werden, kann man mehr Unterricht erteilen und umgekehrt. Derzeit erhält jeder Schüler in Schleswig-Holstein im Grundschulbereich 1,17 Stunden pro Woche inklusive Integrations- und Förderstunden. Die Klassengröße liegt in der Primärstufe deutlich unter dem bundesdeutschen Schnitt und noch deutlicher unter dem
Schnitt der alten Bundesländer. Es gebietet die Ehrlichkeit, dass man das sagt, denn beide Faktoren sind kostenträchtig. Sowohl die Zahl der Unterrichtsstunden als auch die Größe der Klassen spielen für die Bildungsökonomie eine Rolle.
Die Entscheidung wurde und wird bisher vor Ort nach meinen Beobachtungen und Erfahrungen über nun mittlerweile einige Jahre in der Regel zugunsten kleiner Klassen getroffen. Um Ihnen ein Beispiel zu nennen: Wenn in einem Jahrgang 80 Schüler sind und die Schulleitung entscheidet und stellt in der Schulkonferenz zur Diskussion, wie viele Klassen sie aus 80 Schülern macht, dann kann man daraus nach Adam Riese vier Klassen à 20 Schüler machen. Man könnte aber auch drei Klassen mit
und hätte dann ein größeres Unterrichtsvolumen. Denn die Zuteilung der Lehrerstellen funktioniert in Schleswig-Holstein nicht wie vor 20 Jahren nach Klassen, sondern pro Schüler.
Also ist die Verantwortung der Schule für die Klassengröße und die Zuteilung der Unterrichtsstunden da.
Nun haben wir im Hinblick darauf, dass wir da ökonomische Verfahren brauchen und dass die Entscheidung nicht grundsätzlich und immer für die kleine Klasse erfolgen kann, schon über die Schulämter deutliche Zügel angelegt, die darauf achten müssen, dass die Klassengrößen ökonomisch sind. Aber wir haben in Schleswig-Holstein eben auch die Besonderheit der dünn besiedelten Regionen mit den vielen kleinen Grundschulen, bei denen diese Alternativen, 80 Schüler pro Jahrgang, überhaupt nicht gegeben sind. Vielmehr müssen dort von vornherein eine oder zwei sehr kleine Klassen gebildet werden. 35 Kinder kann man beim besten Willen in der Grundschule in einer Klasse nicht unterrichten, jedenfalls nicht mehr heutzutage.
Ich will damit sagen: Wenn wir das wieder ändern wollen, wenn wir zu dem Zustand von vor 20 Jahren zurückkommen wollen, dann müssen wir uns das sehr gut überlegen. Es wäre eine deutliche Abkehr von dem Prinzip der Eigenverantwortung.
Ich glaube, wir müssen stärker zu Zielvereinbarungen und zur Steuerung kommen, damit wirklich mehr Unterricht in den Klassen ankommt,
Ich will aber ebenfalls sagen: Auch kleine Klassen allein bürgen noch nicht für Ergebnisqualität. Die Qualität von Schule und Unterricht darf eben nicht isoliert an einer dieser Einzelgrößen gemessen werden. Im Umkehrschluss heißt das: Die Stundentafel taugt auch nicht als Fetisch, Herr Kollege.
Alleine trägt sie nichts zur Verbesserung von Lernqualität und Unterrichtsqualität bei. Sie können in einer Stunde einen sehr viel höheren Lerneffekt erreichen, wenn Sie gut vorbereitet sind und wenn die Stunde gut gemacht ist, als in 10 Stunden ohne Vorbereitung.
Die Stundentafel taugt also nicht allein als Garantie dafür, dass alles zum Besten steht. Wir müssen uns qualifiziert darüber unterhalten, was für einen fachlich guten Unterricht entscheidend ist.
Ich sage nicht, dass es die Stundentafel nicht ist, Frau Eisenberg; ich sage nicht, dass es die Quantität nicht ist. Aber sie ist es wahrlich nicht allein.
Das zeigt zum Beispiel das viel gelobte Finnland. Da liegt nämlich der Durchschnitt der erteilten Stunden pro Schüler deutlich niedriger als in Deutschland und merkwürdigerweise ist das Ergebnis deutlich besser.
Also kann der unmittelbare Zusammenhang so auch nicht stimmen. Die Vielfalt der Lernmethoden, ein Lern- und Bildungsklima, das Anstrengungsbereitschaft fördert, ein guter, differenzierter Unterricht versetzen Schüler und Lehrer in die Lage, eben nicht
Entschuldigen Sie, Herr Präsident; ich muss an dieser Stelle eines loswerden: Wer meint, dass er heutzutage in Grundschulklassen mit 30 und mehr Schülern arbeiten kann, ist auf dem Holzweg.
Ich bin manchmal erschüttert, mit welchen Beispielen von häuslicher Verwahrlosung, von mangelnder Erziehung im Elternhaus, von extremen Verhaltensweisen und von Verhaltensstörungen heutzutage Lehrerinnen und Lehrer in Grundschulklassen im ersten Schuljahr konfrontiert werden, sodass sie einen Teil der Unterrichtszeit darauf verwenden müssen, überhaupt Verhältnisse herzustellen, die das Lernen erst garantieren.
- Da können Sie mit der Stundentafel kommen, wie Sie wollen. Da geht es um ganz andere Probleme. Da können Sie auch nicht sagen: Das Problem verlagere ich jetzt in die Förderstunde. - Vielmehr haben Sie es mit elementaren pädagogischen Problemen zu tun. Dafür brauchen Sie Zeit; dafür brauchen Sie mehr Zeit.
- Nein, Herr Dr. Klug. Für so blöd halten Sie mich hoffentlich nicht, dass ich dafür plädieren will.
Vielmehr ist klar - das ist ja auch das Prinzip der festen Grundschulzeiten -, dass wir mehr Lernzeit in der Grundschule brauchen. Wenn wir uns in diesem Ziel einig sind, dann lassen Sie uns in Zukunft darüber reden, wo wir diese Zeit denn hernehmen. Dann sollten wir auch über die Ressourcenverteilung in unserem Bildungssystem sehr offen miteinander diskutieren.