Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Willen der Landesregierung und der Landtagsmehrheit soll heute das Gesetz zur Errichtung des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) beschlossen werden. Es ist aber heute schon absehbar, dass wesentliche Teile dieses Gesetzes in Kürze wieder zur Disposition stehen werden. Es wird also in Kürze novelliert werden müssen. Mitte März 2003 wird die Expertenkommission zur Hochschulentwicklung bekanntlich ihre Empfehlungen vorlegen. Dann heißt es bald: April, April. Vielleicht aber auch: Alles neu macht der Mai.
Die Landesregierung streut den Bürgern Sand in die Augen, wenn sie abwiegelnd erklärt: Die ErichsenKommission werde bei ihren Empfehlungen von der Fusion der Kieler und Lübecker Universitätsklinika ausgehen. Dies mag so sein. Es bedeutet aber nicht, dass nach Vorlage der Kommissionsempfehlungen auch die weitere Existenz von zwei selbstständigen Medizinischen Fakultäten, an denen jeweils zwei volle Medizinstudiengänge angeboten werden, gesichert bleibt.
Genau von dieser - wenig tragfähigen - Annahme geht der Gesetzentwurf der Landesregierung in einer ganzen Reihe von Regelungen aus. Genau da liegt nach meiner Überzeugung die Achillesferse. Vieles spricht nämlich für die Vermutung, dass diese Vorgabe der Landesregierung angesichts der finanziellen Rahmenbedingungen und aufgrund der durch die Uniklinikfusion geschaffenen Fakten nicht mehr lange aufrecht erhalten werden kann. Die neue Botschaft wird im nächsten Jahr lauten: ein Universitätsklinikum - eine Medizinische Fakultät. Wie gesagt, April, April. So, wie es die Bürger bereits nach der Bundestagswahl erlebt haben, so wird auch erst nach der schleswig-holsteinischen Kommunalwahl die volle Wahrheit auf den Tisch kommen. Das ist der Zeitplan dieser Landesregierung; einer Regierung, die
Die Landesregierung spielt mit verdeckten Karten. Dies wird auch darin deutlich, dass die Regierung sich beim Fusionsprozess exklusiv von der Unternehmensberatungsgesellschaft Roland Berger beraten lässt, und die aus dieser Beratung gewonnenen Erkenntnisse dem Landesgesetzgeber und der Öffentlichkeit vorenthält. Nur durch Indiskretion werden im Zweifelsfall brisante Dinge zu Tage gefördert. Zum Beispiel die Tatsache, dass sich die geschätzten Defizite innerhalb eines Zeitraums von gut einem halben Jahr, das heißt zwischen den Berechnungen vom September 2001 und vom April 2002, verdoppelt haben. Aus 42 Millionen DM wurden 41 Millionen €. Die Summe blieb - bezogen auf das geschätzte Defizit für das Jahr 2005 - fast gleich. Solch brisanten Ergebnisse der Unternehmensberatungsgesellschaft Roland Berger werden nicht etwa offen dem Parlament und der Öffentlichkeit bekannt gegeben und als Bestandteil der Diskussion in den Entscheidungsprozess eingezogen. Bestenfalls kommt dies durch eine Indiskretion ans Tageslicht. Die Landesregierung erwartet offensichtlich, dass dieser Landtag bereit ist, die Katze im Sack zu kaufen.
Die Hochschulmedizin hat zwei Standbeine, nämlich Forschung und Lehre, die institutionell den Fakultäten zugeordnet sind, und die Krankenversorgung auf höchstem medizinischen Niveau. Letztere ist, wie Sie wissen, institutionell bei den Universitätsklinika verankert. Beide Bereiche müssen aber notwendigerweise miteinander verzahnt werden. Falls die Landesregierung tatsächlich vom Fortbestand zweier selbstständiger Medizinfakultäten ausginge, müssten logischerweise deren Dekane kraft Amtes zugleich nebenamtliche Mitglieder des UKSH-Vorstandes sein. Nur so ließe sich der komplizierte Mechanismus, der nach dem vorliegenden Gesetzentwurf die Zusammenarbeit zwischen dem fusionierten Uniklinikum auf der einen Seite und den beiden selbstständigen Fakultäten auf der anderen Seite regeln soll, überhaupt funktionsfähig halten, nämlich dadurch, dass eine persönliche Mitverantwortung der Dekane für beide Bereiche im Gesetz etabliert wird. Indem Landesregierung und Koalitionsfraktionen dies ausdrücklich ablehnen und indem sie stattdessen ein externes Vorstandsmitglied für den Bereich Forschung und Lehre installieren wollen, das originäre Aufgaben der Fakultäten übernimmt, erweist sich diese Konstruktion von vornherein als eine Übergangslösung.
Für die nach dem Prinzip Hoffnung als Synergieeffekt aus der Klinikfusion in Aussicht genommenen Einsparungen gibt es seitens der Regierung und ihrer
Berater zwei Zauberworte, die in der Debatte immer wieder aufgetaucht sind. Dies sind die Begriffe Schwerpunktbildung und Arbeitsteilung. Man kann darüber reden, aber die Konkretisierung dieser Ansätze bleibt bis heute völlig unklar. Auch hier gilt: Die Landesregierung will die Katze im Sack verkaufen. Sofern sich später herausstellen sollte, dass Schwerpunktbildung und Arbeitsteilung bedeuten, dass Professoren oder Studierende zwischen Kiel und Lübeck hin- und herpendeln müssten, so wäre damit eine nach Qualitätsmaßstäben attraktive Medizinerausbildung nicht mehr durchführbar. Unter solchen Bedingungen würden sich qualifizierte Hochschullehrer und Studierende veranlasst sehen, den Hochschulstandort Schleswig-Holstein zu meiden oder zu verlassen. Das ist auch das klare Ergebnis der Anhörung, die wir im Bildungsausschuss zu diesem Thema durchgeführt haben.
Möglicherweise wird die Erichsen-Kommission genau deshalb zu dem Ergebnis gelangen, dass ein Vollstudium der Medizin an zwei Hochschulstandorten im Lande unter solchen Rahmenbedingungen künftig nicht mehr sinnvoll oder darstellbar ist.
Neben der Medizinerausbildung soll die Hochschulmedizin, wie schon erwähnt, auch für die Krankenversorgung auf höchstem Niveau Sorge tragen. Die schleswig-holsteinischen Universitätsklinika sind im Krankenhausbereich die einzigen Einrichtungen der medizinischen Maximalversorgung in diesem Land. Rund 94 % ihrer Patienten stammen aus SchleswigHolstein. Einfache Krankenhäuser können alle schwierigen Fälle, auch solche, die finanziell nicht einträglich sind, an die Universitätsklinika verweisen. Vor diesem Hintergrund geraten die Uniklinika angesichts der neuen Finanzierungsregelungen wie Fallkostenpauschalen, also DRGs, absehbar in eine gefährliche Schieflage. Der bayerische Wissenschaftsminister Zehetmair hat in diesem Zusammenhang seine Kritik so formuliert:
„Wenn die Bundesregierung ein Hochschulklinikum in einen Topf mit einem kleinen Kreiskrankenhaus wirft, setzt sie ein Symphonieorchester mit einem Streichquartett gleich. Den Universitätsklinika drohen künftig in einem gewaltigen Ausmaß Kostenunterdeckungen.“
Ich frage die schleswig-holsteinische Landesregierung: Was haben Sie eigentlich unternommen - über Ihre Möglichkeiten im Bundesrat und über Ihre Möglichkeiten der Einwirkung auf die rot-grüne Bundesregierung -, um diese für die Universitätsklinika katastrophale Entwicklung im Gesetzgebungsverfahren im Bund und um die Rahmenbedingungen für die
Universitätsklinika nachhaltig zu verbessern? Sie haben offensichtlich nichts getan, um diese Probleme zumindest zu mindern, wenn nicht gar auszuräumen.
Die Budgetverhandlungen zwischen den Uniklinika und den Krankenkassen haben in diesem Herbst allein im Falle des Kieler Klinikums mit einer Diskrepanz in den Verhandlungspositionen beider Seiten in einer Größenordnung von 57 Millionen € begonnen. Dies ist eine Lücke, die die gesamte Finanzierung der medizinischen Maximalversorgung in diesem Land infrage stellt. Die Größenordnung der Diskrepanz im Falle Lübeck bewegte sich zu diesem Zeitpunkt etwa in der gleichen Größenordnung.
In welcher Weise künftig durch die Zauberformel „Arbeitsteilung und Schwerpunktbildung“ wirklich Einsparungen in der Krankenversorgung erzielbar sind, bleibt ebenso unklar wie im Falle der Medizinerausbildung. Auch die Sinnhaftigkeit einer weitgehenden Aufteilung der medizinischen Spezialgebiete auf die Standorte Kiel und Lübeck steht in Zweifel; denn der Wert eines Universitätsklinikums für die medizinische Maximalversorgung besteht gerade darin, dass man in einer Klinik rasch auch hoch qualifizierte Spezialisten aus anderen Gebieten der Medizin hinzuziehen kann. Die Frage, in welchem Umfang eine Aufteilung der medizinischen Fachgebiete der Spezialkliniken vertretbar ist, muss erst noch diskutiert werden. Auch in dieser Frage bleibt bis heute alles offen.
Vor diesem Hintergrund ist es besonders bemerkenswert, dass der Hamburger Senat in unserem Nachbarland in diesem Jahr ein umfassendes Modernisierungsprogramm für das Universitätsklinikum Eppendorf angekündigt hat. Zwischen 2004 und 2007 sollen in Hamburg Investitionen in Höhe von 265 Millionen € getätigt werden. Damit soll im Wesentlichen durch Neubauten ein hochmodernes Medizinzentrum in Eppendorf neu errichtet werden, das als Forschungs- und Dienstleistungszentrum in Europa ohne Beispiel ist. So lautet die Erklärung des Hamburger Wissenschaftssenators Jörg Draeger.
In Schleswig-Holstein verschlechtern sich parallel dazu die Rahmenbedingungen für die Universitätsklinika von Jahr zu Jahr. Der vorliegende Bericht der Landesregierung für das Jahr 2001 zeigt, dass erstmals Investitionsmittel in der Größenordnung von über 4 Millionen € für konsumptive Zwecke in Anspruch genommen werden mussten. Die schleswigholsteinischen Uniklinika tragen zusätzliche Lasten
für die Zusatz-Altersversorgung des öffentlichen Dienstes, die VBL. In Kiel sind es rund 3 Millionen €, in Lübeck sind es mehr als 2,6 Millionen €.
Die Universitätsklinika werden von der Landesregierung zur Mitfinanzierung der GMSH in Anspruch genommen.
Allein im Falle des Lübecker Klinikums wurde für das letzte Jahr der Umfang der damit verursachten Mehrkosten auf 1,6 Millionen € beziffert.
Meine Damen und Herren, im Vergleich zu den drohenden Mega-Defiziten durch die neuen pauschalierten Entgeltsysteme mögen das ja sogar Peanuts sein. Es bleibt aber festzustellen: Durch politische Vorgaben - teils der Bundesregierung, teils dieser Landesregierung - wird der Fortbestand der Universitätsklinken und damit der medizinischen Maximalversorgung in diesem Land tendenziell gefährdet.
Die Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs im Landtag hat aus unserer Sicht seitens der Landtagsmehrheit nur zu wenigen erkennbaren Verbesserungen geführt. Dazu gehört insbesondere die Einbeziehung eines Vorstandsmitglieds für Krankenpflege und Patientenservice in den UKSH-Vorstand. Dies ist eine Änderung der ursprünglichen Regierungsvorlage, die wir ausdrücklich begrüßen. Dies allein macht den Gesetzentwurf aus unserer Sicht aber noch nicht zustimmungsfähig. Die FDP-Fraktion wird ihn ablehnen.
Zu der Berufung von Günther Jansen: Zum Interimsvorstand wird Wolfgang Kubicki gleich noch Stellung für die FDP-Fraktion nehmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Gäste der beiden medizinischen Universitätsklinika, die heute fusioniert werden sollen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Uniklinika des Landes sind für die Gesundheitsversorgung in SchleswigHolstein und für das wirtschaftliche und Arbeitsmarktprofil unseres Landes existenzielle Schwergewichte. Für die medizinische Forschungslandschaft
und die medizinische Ausbildung haben die Uniklinika und die Medizinischen Fakultäten sogar einen hohen Rang für die ganze Bundesrepublik.
Die Entscheidung über die Fusion der Uniklinika ist daher eine der wichtigsten in dieser Legislaturperiode und wird zu Recht bundesweit von Fachleuten als Pilotprojekt beobachtet und diskutiert.
Dies gilt umso mehr, als gleichzeitig die Einführung von Festpreisen, die so genannten DRGs, bundesweit erfolgt und Schleswig-Holstein auch hier als Pilot gilt, weil die Krankenhauskosten bei uns im Bundesvergleich traditionell niedrig sind.
Unsere Fraktionen messen die Klinikfusion und die uns vorliegenden Geschäftsberichte an sechs Zielen:
Erstens. Wir wollen in Lübeck und Kiel zwei Krankenhäuser, die eine Vollversorgung garantieren, sowie eine gute und mit dem ambulanten Sektor zu verzahnende Krankenbehandlung mit hoher Patientensouveränität und Kostentransparenz.
Wir wenden uns gegen eine Fortführung der Querfinanzierung der Krankenversorgung durch den Wissenschaftsetat des Landes und freuen uns, dass das Hochschulgesetz für die Uniklinika und das neue Klinikum eine deutliche Trennung der Kosten für Forschung und Lehre von denen der Krankenversorgung vorsieht. Wir werden den Erfolg dieses Gesetzes auch und gerade an diesem Punkt messen.
Zweitens. Wir wollen eine hochwertige und praxisnahe Aus- und Fortbildung für die Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte, die in ihrem Beruf überwiegend nicht hoch spezialisiert in der Forschung tätig sind, sondern sich in der medizinischen Praxis täglich auf eine Vielzahl von Patienten einstellen müssen.
Medizinstudienplätze sind im Vergleich zu anderen Fächern die teuersten. Dies ist kein Naturgesetz. Wir fragen: Ist die Ausbildung, gemessen am Preis, effizient? Wir begrüßen deshalb die neue bundesweite Approbationsordnung, die sich mehr praxisbetont an Problemfeldern statt an Disziplinen orientiert. Erfreulicherweise finden sich in beiden Klinikberichten Hinweise auf Reformbemühungen des Studiums und der Evaluation der Lehre.
Wir erwarten durch die Umsetzung des Uniklinikgesetzes aber zusätzlich auch mehr Kostentransparenz bezüglich der Faktoren, die das Medizinstudium so teuer machen, um gegebenenfalls gegenzusteuern.
Drittens. Ich komme nun zu einem sehr wesentlichen Punkt, den meine Vorredner auch schon angesprochen haben. Ich möchte ihn noch einmal deutlich unterstreichen: Wir brauchen mehr Geld für die nichtmedizinischen Fächer an unseren Hochschulen. Mitteleinwerbung von Dritten, aber eben auch Mittelumwidmung im Wissenschafts- und Hochschuletat sind hierzu unerlässlich. Deshalb sind wir auf den Bericht der hierzu eingesetzten Fachkommission unter Professor Erichsen gespannt.
Wir können aber nicht warten, wir müssen schon jetzt handeln. Ich bin sehr froh darüber, dass wir hierfür durch den neuen und handlungsfähigen Vorstand schon ab dem 1. Januar einen Rahmen haben. Diesen Rahmen brauchen wir für die vielen Einzelentscheidungen, die folgen. Es kann nicht sein, dass dort, wo Oberärzte und -ärztinnen ausreichen würden, weiterhin C 4 und C 3-Stellen geschaffen werden, wie das in den letzten Monaten im Wettkampf der beiden Kliniken gegeneinander leider noch geschehen ist. Dies ist ein Kostenkarussel, das aus dem Ruder läuft. Ab Januar muss hier neu gesteuert werden. Das sagen wir an dieser Stelle ganz deutlich.