Protokoll der Sitzung vom 13.07.2000

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sagen - das ist ja auch Logik für Fortgeschrittene -:

(Heiterkeit bei der SPD)

Bringt nichts! Was hier jetzt als Konzept in Sachen Atomausstieg vorliegt - bringt nichts!

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Wir begrüßen das ausdrücklich!)

Wir importieren ohnehin Atomstrom aus der Ukraine. Bringt nichts!

Gefragt wird: Welches Konzept hat man denn in Schleswig-Holstein? Also unterm Strich betrachtet: Belassen wir es alles so, wie es ist! - Das, liebe Kolle

ginnen und Kollegen, ist Betonpolitik; das ist wirklich Betonpolitik.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus möchte ich dann auch noch einmal in aller Ruhe hinzufügen: Ich denke, wir sitzen hier, um etwas zu bewegen, zu gestalten, zu verändern. Sonst könnten wir ja alles der Wirtschaft überlassen.

(Konrad Nabel [SPD]: Bloß nicht!)

Das muss ja eigentlich die Konklusion der verschiedenen Beiträge sein. Das heißt, wir wollen also in einer Gesellschaft leben, in der wir alles der Wirtschaft überlassen? Prost Mahlzeit, wenn das die Konklusion sein sollte!

Eine letzte Bemerkung, weil auch hier noch einmal die Situation in den siebziger Jahren angesprochen wurde. Ich kann mir nicht verkneifen aufzugreifen, was die Kollegin Kähler sagte. Lesen Sie, Herr Dr. Wadephul, doch noch einmal die Debatten aus dem Landtag nach. Es gab Landtagskollegen - ich war nicht dabei, weiß das aber -, die hier waren, die über Atomenergie debattieren mussten und ihre Kinder demonstrierten vor Brokdorf. Sie fühlten, dass die sich nicht mehr von diesem Parlament vertreten fühlten. Das ist die Situation.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bitte unterlassen Sie es doch, hier so eine Rückenmarkdiskussion zu führen. Wir leben in einem Rechtsstaat. Dazu stehen wir. Aber die Situation in den siebziger Jahren war anders.

Eine letzte Bemerkung zu dem CDU-Antrag, weil ich gerade etwas über Rechtsstaatlichkeit gesagt habe: Ich finde, man sollte sich den Punkt 4 aus dem Berichtsantrag einmal auf der Zunge zergehen lassen.

(Reinhard Sager [CDU]: Nein, das ist eine Frage!)

- Na gut, fragen kann man immer, aber das, was hinter der Frage steckt, ist doch eine Aussage. Gefragt wird, ob es denn okay ist, dass man jetzt der Öffentlichkeit nicht mehr mitteilt, wann denn jetzt die Transporte abgebrannter Brennelemente stattfinden sollen. Was ist das für ein Gesellschaftsverständnis!

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Da hast du Recht!)

(Anke Spoorendonk)

Ich hoffe nicht - da gucke ich der F.D.P. in die Augen -; dass ihr das mittragt.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Möller.

Herr Stadtpräsident!

(Heiterkeit, Beifall und Zurufe)

- Das ist die alte Kieler Verbundenheit. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn jemand konsequent den Ausstieg gefordert hat, dann waren es die schleswig-holsteinische SPD und die Landesregierungen seit 1988. Sie können uns ja vorwerfen, wir hätten uns die Messlatte zu hoch gesetzt, dass wir den Ergeiz hatten, es schneller zu schaffen. Das wollten wir auch.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie wissen doch gar nicht, wo die hängt! Das ist das Problem!)

Da sind wir auch an Grenzen gestoßen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie sind darunter her gesprungen!)

Aber uns jetzt vorzuwerfen, dass man nach dem Atomgesetz und mit der Energiewirtschaft selbst aussteigen will, wäre nicht konsequent.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Ja, wann denn? - Frauke Tengler [CDU]: Aha! - Unruhe)

- Das ist immer unser Ziel gewesen und das wird jetzt im Atomgesetz festgeschrieben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW] - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Eben nicht!)

Es ist Ihr Problem, dass Sie je nach Opportunismus und Stimmungslage draußen gesagt haben: „Eigentlich wollen wir ja auch“, oder von einer Übergangsenergie gesprochen haben und jetzt sagen, dass es ohne Kernenergie nicht geht. Sagen Sie das! Das ist sicherlich eine Position. Wir sagen ehrlich: Wir wollen so schnell wie möglich raus.

(Zurufe von CDU und F.D.P.: Das sagen Sie seit 13 Jahren!)

Wir hätten uns gewünscht, dass es schneller geht. Herr Sager, pharisäerhafter als Sie kann man gar nicht argumentieren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Klaus Schlie [CDU]: Sie haben noch nicht in den Spiegel geguckt!)

Es ist richtig: Es ist ein Skandal - das habe ich gesagt -, dass wir weltweit kein funktionierendes Endlager haben. Jede Tankstelle, die nicht weiß, wohin mit dem Altöl, wird dichtgemacht, während sich die Kernkraftwerke weltweit entweder mit der Wiederaufarbeitung oder mit Zwischenlagern behelfen oder Endlager erkunden. Herr Sager, ich möchte einmal wissen, was hier wohl los gewesen wäre, wenn die rot-grüne Bundesregierung gesagt hätte: Wir nehmen das nicht gelöste Problem der Endlager zum Vorwand und schalten die Kernkraftwerke sofort ab. Ich möchte einmal wissen, wie Sie da argumentiert hätten. Scheinheiliger geht es gar nicht, wie Sie hier argumentieren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Herr Minister Möller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Nein, ich möchte noch einen Gedanken zu Ende bringen.

Der letzte Punkt betrifft die Frage der Liberalisierung. Sie behaupten, wir seien nicht für die Liberalisierung gewesen.

(Reinhard Sager [CDU]: Die haben Sie im- mer bekämpft!)

Wir standen an der Spitze der Bewegung.

(Lachen bei CDU und F.D.P.)

Aber um genau das zu verhindern, was Sie hier jetzt mit Krokodilstränen beschwören, haben wir gesagt: Solange die Franzosen nicht bereit sind, ihren Markt zu öffnen, sind wir - umgekehrt - der Meinung, dass wir faire Durchleitungsbedingungen haben müssen und für regenerative Energien und Kraft-Wärme-Kopplung europaweit und bundesweit selbstverständlich Vorrangregelungen brauchen. Das haben wir gesagt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Klaus Schlie [CDU]: Aber, aber, aber!)

Das hat die rot-grüne Bundesregierung mit einem neuen Energieeinspeisungsgesetz durchgesetzt.

(Minister Claus Möller)

Morgen werden wir eine Biomasseverordnung beschließen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Fünf Jahre!)