Protokoll der Sitzung vom 02.04.2003

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Sie sehen, ich habe versucht, die neue Situation in einem kurzen Abriss zu erläutern. Wir stehen dazu, dass die notwendige Kritik an der Kommission nicht darauf hinausläuft, wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. In diesem Sinne erwarte ich eine spannende Fachdiskussion, die immerwährend ist. Die Schließung der Zuckerfabrik in Schleswig ist eine erste Auswirkung dieser Diskussion der Globalisierung sowie der Abschaffung des Weltzuckermarktes. Dies sollten wir als Signal ernst nehmen, um gemeinsam darüber nachzudenken, wie Arbeitsplätze im ländlichen Raum erhalten bleiben können.

(Beifall bei CDU und FDP und vereinzelt bei der SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die öffentlichen Transferleistungen für die Landwirtschaft tragen über die Hälfte der landwirtschaftlichen Einkommen. Der Agrarhaushalt der EU ist immer noch der mit Abstand größte Posten im Etat der Europäischen Union. Gleichzeitig erfordert die Erweiterung der EU große finanzielle Anstrengungen, die in Konkurrenz zu bestehenden Mitteln stehen. Die GATT- und WTO-Verhandlungen zu den Regeln des künftigen Welthandels erfordern generell weniger staatliche Eingriffe und Subventionen - auch im Agrarsektor - sowie eine Öffnung der Märkte. Dies bedingt sowohl von der industriellen zahlungsfähigen Marktseite her als auch für unsere Märkte eine Öffnungsnotwendigkeit für benachteiligte Länder dieser Welt. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen sind Änderungen in der Agrarpolitik zwingend. Wir Grüne sagen: Wenn schon öffentliche

(Detlef Matthiessen)

Gelder, dann sollte man diese auch nach ökologischen und sozialen Aspekten mit dem Ziel einer Lenkungswirkung einsetzen.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ziele sind dabei eine hohe Qualität der Produkte, Ökologisierung der Produktion, Erhalt beziehungsweise Schaffung möglichst vieler Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und auch, was häufig zu wenig beachtet wird, eine Vereinfachung der Programme sowie ein Abbau von Bürokratie. Wenn man sich bei uns im Land umsieht, wie viele Personen im öffentlichen und halböffentlichen Bereich im Verhältnis zu den wirtschaftenden Betrieben tätig sind, dann finden wir ein solches Missverhältnis in keinem anderen Wirtschaftszweig. Wir wollen Arbeitsplätze, die in der Landwirtschaft und nicht von der Landwirtschaft leben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Ulf von Hielm- crone [SPD])

Vor diesem Hintergrund sind die Vorschläge der Kommission unterschiedlich zu bewerten. Ich freue mich über das CDU-Papier, das wir leider erst als Tischvorlage bekommen haben. Wir können es in dieser Sitzung sicherlich nicht qualifiziert abhandeln. Herr Jensen-Nissen, Sie haben aber an meiner Reaktion auf Ihre Rede gemerkt, dass wir in vielen Teilen durchaus übereinstimmen.

(Peter Jensen-Nissen [CDU]: Zumindest sind wir diskussionsfähig!)

Wir wollen eine Angleichung der zweiten Säule der Agrarpolitik an die klassische Förderung. Bisher stehen lediglich 10 % der Mittel zur Verfügung. Lassen Sie mich wegen der kurzen Redezeit zu einem komplexen Thema folgende Stichworte erwähnen: Aus der Sicht von Schleswig-Holstein lehnen wir eine Anhebung der Milchquoten ab, weil die Preise dann noch mehr zu verwässern drohen. Da ist Übereinstimmung. Das ursprüngliche Ziel der Quote war, über eine Mengenbegrenzung eine Stabilisierung der Preise herbeizuführen, was ja auch teils erfolgreich war. Der Minister führte es aus: Gleichzeitig brauchen wir eine Grünlandprämie, die ökologisch natürlich sehr viel mehr Sinn macht und für unser Land mit seinen großen Anteilen an natürlichem Grünland auch große wirtschaftliche Vorteile bringt. Gleiches gilt für den Tierschutz, weil wir dann zum Beispiel die ganzjährige Bullenmast zurückdrängen können, was zugunsten einer Weidehaltung ginge.

Ein anderes Stichwort ist cross compliance. Wir unterstützen die Einhaltung gesetzlicher Standards im Umwelt- und Tierschutz, in der Arbeitssicherheit, zur Einhaltung der guten fachlichen Praxis und zur Lebensmittelsicherheit als Voraussetzung zur Erlangung von Fördergeldern. Gleichzeitig muss aber gerade hier auch auf Durchführbarkeit der Vorschriften geachtet werden. Hier darf die Bürokratie nicht ausufern. Es darf nicht dazu kommen, dass wir wieder Beamtenheere haben, aber keine Leute in der landwirtschaftlichen Praxis.

(Peter Jensen-Nissen [CDU]: Es kommt sel- ten vor, dass ich bei den Grünen klatsche, aber jetzt tue ich es! - Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu den Eiweißpflanzen: Wir halten diese Zielsetzung, den Anbau zu fördern, für richtig, insbesondere auch vor dem Hintergrund der BSE-Diskussion und der notwendigen Proteinversorgung unserer Nutztiere. Die Eiweißpflanzenpolitik würde die Chance einer Alternative zur Verfütterung von Tiermehlen bieten. Daher kommt dies der Forderung näher, die da lautet: Kälber sollen Milch trinken, Kühe sollen Gras fressen. Der Anbau von Erbsen, Ackerbohnen und anderen Eiweißpflanzen und Leguminosen ist auch ein Gewinn für die Fruchtfolge und das Düngeregime im intensiven Ackerbau mit der bekannten engen Fruchtfolge.

Nächstes Stichwort! Wir begrüßen auch die Einführung von CO2-Krediten und nachwachsenden Rohstoffen auf Stilllegungsflächen.

Sie sehen also, dass aus unserer Sicht die FischlerVorschläge Chancen bieten, die es zu nutzen gilt, die wir aber auch in etlichen Punkten nicht teilen.

Die von Ihnen vorgelegte Vorlage, Herr JensenNissen, stößt bei uns zum Teil auf diametralen Widerspruch, sie ist aber in vielen Teilen ausgesprochen moderat formuliert. Die Vorlage bietet somit einen Ansatz, um in einer gemeinsamen Diskussion im Ausschuss für Schleswig-Holstein auch den „Kneteaspekt“ bei der Förderpolitik nicht zu vernachlässigen. Das ist das, was ja der Minister ausführte, dass wir bisher relativ ganz gut aufgrund unserer bisherigen Ertragsgrundlage dastehen. Gleichzeitig können wir vermeiden - das haben Sie ja auch kritisiert -, dass durch eine Festlegung von Beträgen anhand der bisherigen Historie der Auszahlung ähnliche Tatbestände geschaffen werden, wie wir das von der Milchquote her kennen, bei der nicht wirtschaftende Betriebe plötzlich über den Zugriff auf Subventionen über ein Vermögen verfügen. Damit müssen wir uns - so den

(Detlef Matthiessen)

ke ich - in der Beratung noch sehr intensiv befassen, um für Schleswig-Holstein - -

(Glocke des Präsidenten)

Beachten Sie bitte die Redezeit.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Darüber müssen wir uns jedenfalls noch einmal ein paar geschickte Gedanken machen, wie wir für Schleswig-Holstein in diesem Dilemma Lösungen, die für unser Land optimal sind, erarbeiten und weiterempfehlen können. Ich freue mich daher auf die Diskussion im Ausschuss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erhält jetzt Herr Abgeordneter Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Europäische Kommission hat am 22. Januar 2003 ein Paket von Reformvorschlägen für die gemeinsame Agrarpolitik angenommen. Damit wird das Ziel verfolgt, den europäischen Landwirten für die nächsten zehn Jahre Planungssicherheit zu garantieren unter Berücksichtigung - ganz wichtig - der EUErweiterung und der WTO-Verhandlungen. Dies ist zumindest das Ziel der Geschichte.

Dies ist im Prinzip auch gut so, denn die europäische Agrarpolitik ist reformbedürftig, wenn sie die künftigen Herausforderungen - wie ich meine - meistern soll. Eines ist doch völlig klar: Der europäische Förderkuchen wird mittelfristig höchstens in etwa gleich groß bleiben, aber es werden künftig 25 Mitgliedstaaten davon naschen wollen. In Zukunft - ich spreche hier über einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren - wird die Landwirtschaft immer weniger Subventionen für die landwirtschaftliche Produktion erhalten. Unsere Landwirtschaft muss daher möglichst umgehend neue Wege suchen, um existieren zu können.

In den nächsten Jahren werden erhebliche Umstellungsprozesse auf die Landwirtschaft zukommen und die Landwirtschaft wird sich frühzeitig nach neuen Einnahmemöglichkeiten und Märkten umsehen müssen. Ziel der EU-Kommission ist es, in Zukunft mehr nach der Maxime „mehr Markt und weniger Staat“ zu handeln.

Die landwirtschaftliche Produktion wird mehr und mehr marktwirtschaftlichen Bedingungen ausgesetzt. Das System der Direktzahlungen wird schrittweise abgebaut und durch ein System ersetzt, das die Förderung von Umwelt-, Tierschutz und Lebensmittelqualität sowie die Förderung der Infrastruktur im ländlichen Raum beinhaltet. Das ist auch gut so.

Vom Grundsatz her ist dies der einzig richtige Weg. Es ist sinnlos, Produktion zu fördern, die am Markt nicht abgenommen wird, nur um alte Strukturen zu erhalten. In allen anderen Wirtschaftszweigen würde dieses mit Recht sofort kritisiert werden.

Wichtig ist es, dass man der Landwirtschaft in diesem Zusammenhang neue Einnahmequellen erschließt und natürlich auch versucht, den Übergang so sanft wie möglich zu gestalten.

Mit der vorgeschlagenen Entkoppelung der Direktzahlungen von der Produktion hin zu einer Stärkung der zweiten Säule - Agrarumweltmaßnahmen, Tierschutz und Stärkung des ländlichen Raumes - hat man nach Auffassung des SSW die richtige Richtung eingeschlagen; denn dadurch wird den Landwirten die Chance gegeben, sich am Markt zu orientieren und nicht nur dort zu produzieren, wo es die meisten Subventionen gibt. Dadurch erzielt man mehr Qualität statt Quantität.

Ich möchte nun aber auf einen bestimmten Teil der Diskussion eingehen. Wir haben kürzlich im Agrarausschuss erfahren können, dass die für SchleswigHolstein vorgesehene Umsetzung der Modulation in der Gesamtsumme mehr Geld nach SchleswigHolstein spült, als sie kostet. Natürlich gibt es in einem solchen System immer Gewinner und Verlierer, aber wir können nicht unberechtigte Subventionen aufrechterhalten, wenn man gemeinsam mit den Landwirten - das genau geschieht ja hier im Land - Sinnvolleres mit dem Geld anfangen kann. Daher können wir mehr als zufrieden sein, dass neben den aus den Direktzahlungen abfließenden Mitteln diese auch noch mit Bundes- und Landesmitteln komplementiert werden und wir so mehr Geld in SchleswigHolstein einsetzen als zuvor.

Insgesamt reden wir hier über ein Volumen von 3 Millionen € an ehemaligen Direktzahlungen, die mit 2,4 Millionen € Bundesmitteln und 600.000 € Landesmitteln komplettiert werden. Diesen Weg müssen wir auch bei stärkerer Umwidmung der Direktzahlungen und damit späteren höheren Gesamtsummen entsprechend weitergehen.

Wir haben uns ebenfalls im Agrarausschuss davon überzeugen können, dass es in dem konkreten Fall der schleswig-holsteinischen Modulation nicht zu einer

(Lars Harms)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst

unnötigen Aufblähung der Verwaltung kommt, sondern das Ministerium diese neue Förderung praktisch ohne zusätzlichen Personaleinsatz bewältigen kann. Das spart uns - und damit der Landwirtschaft - allein gegenüber früheren Befürchtungen 1,2 Millionen €.

Ich glaube, mit Recht sagen zu können, dass unter anderem auch der von uns seinerzeit eingeforderte Bericht zur Umsetzung der Modulation in der Landwirtschaft und die darauf folgende konstruktive Debatte im Ausschuss dazu beigetragen haben, dass eine solche für die Landwirtschaft als Ganzes positive Lösung gefunden wurde.

Worauf es jetzt ankommt, ist, dass die Landwirte auch von dem Programm Gebrauch machen und entsprechende Anträge stellen, damit die 6 Millionen € auch ausgezahlt werden können. Ich denke, da können sich die Landwirte vertrauensvoll ans neue Ministerium wenden und werden dort sicherlich genauso gut beraten werden wie vorher vom alten Landwirtschaftsministerium.

Sicherlich gibt es - wie Minister Müller es sagte - den einen oder anderen Pferdefuß bei den FischlerVorschlägen und es muss noch nachverhandelt werden. Aber der grundsätzliche Weg in der künftigen gemeinsamen Agrarpolitik ist in Ordnung und nach unserer Meinung auch genau der richtige.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir treten in die Abstimmung ein. Beantragt wurde eigentlich nichts,

(Heiterkeit - Dr. Heiner Garg [FDP]: Dar- über können wir abstimmen!)

aber ich gehe einmal davon aus, dass wir übereinstimmend feststellen, dass die Überweisung auch des mündlichen Berichts des Ministers an den zuständigen Agrarausschuss stattfinden soll, und ich gehe weiter davon aus, zur abschließenden Beratung.

(Lothar Hay [SPD]: Ja!)

Wer dem so seine Zustimmung geben will, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist das einstimmig beschlossen.

Wir sind am Ende des heutigen Sitzungstages angelangt. Ich darf Ihnen allen einen schönen Nachhauseweg wünschen. Wir setzen die Tagung morgen um 10 Uhr fort.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 17:58 Uhr