Protocol of the Session on July 14, 2000

Login to download PDF

Herr Kollege Schlie, in diesem Zusammenhang sei mir eine Vorbemerkung gestattet. Der Oppositionsführer, Herr Kollege Kayenburg, hat einen Versprecher des Finanzministers Möller gestern in der Atomausstiegsdebatte mit der vielleicht ja nur witzig gemeinten Bemerkung kommentiert, er, der Finanzminister des Landes, wäre besser in der Kommunalpolitik geblieben. Herr Kollege Kayenburg, ich weiß nicht, ob Sie hierzu heute noch etwas klarstellend sagen möchten,

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Mein Gott!)

ich jedenfalls finde, dass in Ihrer gestrigen Äußerung vielleicht ja unbewusst, aber dann doch entlarvend eine Überschätzung und Überhöhung unserer landespolitischen Arbeit gegenüber der Kommunalpolitik vor Ort lag,

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe der Abgeordneten Klaus Schlie [CDU] und Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

wo ehrenamtlich engagiert und effektiv Daseinsvorsorge für die örtliche Gemeinschaft geleistet wird, die wir mit süffisanten Bemerkungen nicht diskreditieren sollten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Heinz Maurus [CDU]: Nicht nur reden, sondern entsprechend handeln!)

Zum Bericht selbst vier Bemerkungen!

(Klaus-Peter Puls)

Erstens. Die SPD-Landtagsfraktion teilt die Auffassung der Landesregierung, dass die schleswigholsteinischen Kommunen die erheblichen Belastungen der neunziger Jahre gut bewältigt haben und ihre finanzielle Handlungsfähigkeit weitgehend bewahrt haben. Wir sind - wie der Innenminister - der Auffassung, dass das wesentlich auf die Konsolidierungsanstrengungen der Kommunen selbst zurückzuführen ist.

(Klaus Schlie [CDU]: So ist es!)

Zweitens. Wir betrachten es mit dem Innenminister als erfreulich, dass der freie Finanzspielraum - Herr Kollege Schlie, den wir alle gemeinsam im Sonderausschuss als Kriterium anerkannt haben - sich wieder deutlich erholt und in den letzten Jahren bei den Kommunen zugenommen hat und dass die schleswigholsteinischen Kommunen auch im Ländervergleich relativ gut dastehen.

Drittens. Klar ist für uns auch, dass sich die Finanzund Haushaltssituation der einzelnen Kreise und Gemeinden in Schleswig-Holstein doch sehr unterschiedlich darstellt, entwickelt und wahrscheinlich auch weiter entwickeln wird und dass dementsprechend Pauschalbewertungen und Prognosen nicht geeignet sind, die für differenzierte Problemlagen erforderlichen differenzierten Problemlösungen zu fördern.

Meine vierte und letzte Bemerkung ist deshalb: Wir schlagen vor - wie schon in der Mai-Beschlussfassung hier vorgesehen -, den Januar-Bericht und den heute vorgelegten ergänzenden Bericht der Landesregierung an die Enquetekommission weiterzuleiten, die sich nach der Sommerpause - beginnend mit den Finanzbeziehungen des Landes zu den Kommunen - mit einer Neuordnung der Beziehungen beschäftigen wird. In der Enquetekommission werden wir dann auch den Hinweis des Innenministers in der heutigen Berichterstattung auszuwerten haben, dass kommunale Finanzpolitik infolge des Steuersenkungsgesetzes auch in den nächsten Jahren unter Konsolidierungsdruck und Sparzwängen stehen wird. Dies wird schon bei den anstehenden Beratungen des Landeshaushalts für 2001 ein zu berücksichtigender Faktor sein, der ja gleichermaßen für den Landeshaushalt selbst gilt. Wir schlagen deshalb ergänzend die Überweisung des Berichts auch an den Finanzausschuss vor.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile für die F.D.P.-Fraktion Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zugegebenermaßen überrascht mich ein wenig die Tatsache, dass wir heute über den Bericht im Parlament überhaupt debattieren.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben uns in den vergangenen Wochen im Sonderausschuss lange und auch sehr konstruktiv über die Finanzlage des Landes und der Kommunen ausgetauscht. Nun wird der Sonderausschuss seine Arbeit einstellen und die Enquetekommission bitten, die Zwischenergebnisse seiner Arbeit für seine Beratungen zu nutzen. Dieser Bericht steht hier heute nur noch auf der Tagesordnung, weil mit ihm ursprünglich der „untaugliche Versuch“ unternommen werden sollte, die Entnahme aus dem Finanzausgleich zu rechtfertigen. Deshalb gehört er eigentlich nicht in das Plenum, sondern unmittelbar in die Enquetekommission.

Die Debatten im Sonderausschuss haben gezeigt darin waren sich alle einig -, dass eine Beurteilung der kommunalen Finanzen aus mehreren Gründen nicht ganz einfach ist. Zahlreiche Größen können als Indikator zur Beschreibung der Finanzsituation herangezogen werden: Einnahmen, Ausgaben, Schuldenstand, Neuverschuldung, Finanzkraft oder der freie Finanzspielraum. Für alle Indikatoren lassen sich gewichtige Argumente in die eine wie allerdings auch in die andere Richtung finden.

Ein weiteres Problem ergibt sich aus der föderalen Struktur der Bundesrepublik beim Vergleich mit anderen Kommunen in anderen Flächenländern.

Sind die Flächenländer West noch einigermaßen miteinander vergleichbar, so ist dies bei den Kommunen nicht mehr möglich. Die Strukturen sind einfach zu unterschiedlich. Schleswig-Holstein ist so groß oder so klein, dass es in Nordrhein-Westfalen noch nicht einmal die Größe von so manchem Regierungsbezirk erreicht. In einigen Ländern gibt es Zwischenebenen wie Regierungspräsidien; in Schleswig-Holstein gibt es diese nicht. Diese Liste ließe sich mit Sicherheit noch erweitern.

Aufgrund dieser Überlegungen ist der Ausschuss folgerichtig übereingekommen, auf detaillierte Vergleiche mit anderen Bundesländern zu verzichten.

(Günther Hildebrand)

Es hat sich im Laufe der Beratungen gezeigt, dass der freie Finanzspielraum vergleichsweise am aussagekräftigsten sein kann - ich bin einmal sehr vorsichtig mit dieser Formulierung; eben hat der Kollege Puls auch darauf hingewiesen -; auch er ist nicht die berühmte eierlegende Wollmilchsau,

(Konrad Nabel [SPD]: Wer? Herr Puls?)

aber er weist vielleicht doch Vorteile gegenüber den anderen Indikatoren auf.

Reine Einnahmerechnungen sind ohne die dazugehörigen Ausgaben wertlos; umgekehrt gilt dies genauso. Der Schuldenstand ist eine Bestandsgröße, die nichts über die aktuellen Finanzströme aussagt,

(Klaus Schlie [CDU]: So ist es!)

und die Finanzkraft ist eine Größe, die wiederum nicht mit den zu erfüllenden Aufgaben verknüpft ist.

(Klaus Schlie [CDU]: So ist es!)

Der freie Finanzspielraum errechnet sich bekanntermaßen aus der Differenz zwischen den Einnahmen und den Ausgaben unter Berücksichtigung des Schuldendienstes und der Abschreibung. Wie gesagt, er ist vielleicht der brauchbarste der Indikatoren, aber er muss trotzdem oder gerade vielleicht auch deswegen mit Vorsicht beurteilt werden. Es kann nämlich sein, dass diejenigen Städte und Gemeinden, die prophylaktisch ein besonderes Augenmerk auf den Verwaltungshaushalt gelegt und zum Beispiel keine Schwimmopern mit hohen Folgekosten gebaut und sich bei den Personalkosten sehr restriktiv verhalten haben, als reich gelten, weil sie hohe Zuführungen zum Vermögenshaushalt vorweisen können. Andere Kommunen haben vielleicht den Verwaltungshaushalt aufgebläht und Segnungen über die Einwohnerinnen und Einwohner ausgeschüttet.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Kiel!)

Diese Gemeinden haben niedrige Zuführungen zum Vermögenshaushalt und gelten möglicherweise als arm.

Bei einem Finanzausgleich, der als Ausgleichskriterium auf den freien Finanzspielraum zurückgreift, käme es zu einer geradezu paradoxen Folge.

(Beifall der Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Vielen Dank! Es gilt nämlich: Sparsame Kommunen, die mit den Zuführungen zum Vermögenshaushalt Investitionen tätigen und Vorsorge treffen, würden bestraft, weil sie als reich gelten und ausgleichspflichtig werden,

(Klaus Schlie [CDU]: So ist es!)

diejenigen aber, die selbstverschuldet arm sind, würden für ihr großzügiges Ausgabeverhalten über den Finanzausgleich auch noch belohnt.

(Beifall bei F.D.P. und CDU - Klaus Schlie [CDU]: So ist es!)

Ich möchte an dieser Stelle nicht die Ausschussberatungen vorwegnehmen. Das genannte Beispiel sollte nur zeigen, dass man sich vor vorschnellen Feststellungen hüten muss. In der Enquetekommission wird genügend Zeit und Gelegenheit bestehen, den Bericht detailliert zu diskutieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im federführenden Innenministerium und in den Kreisen ist für ihre Arbeit und Mühe bei der Zusammenstellung dieses Berichts zu danken

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun die Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hildebrand, zwei Anmerkungen! Erstens. Wenn Sie den Dank an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aussprechen, machen Sie doch bitte eine kleine Klatschpause, bevor man dann Ihrer ganzen Rede Beifall spenden muss.

(Lothar Hay [SPD]: Das war sehr geschickt!)

Zweitens ist es manchmal schon lustig. Sie sagen, der Bericht sei ja nur beantragt worden, um nachzuweisen, wie gut es den Kommunen geht und damit das Land den Kommunen Geld entziehen kann.

(Klaus Schlie [CDU]: Deshalb haben wir ihn sicherlich nicht beantragt!)

Dagegen kann ich nur sagen, der Berichtsantrag kam von der CDU und ich bedanke mich in diesem Sinne bei der CDU.