Protokoll der Sitzung vom 29.08.2003

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Soll der Bericht der Landesregierung heute erstattet werden? - Dann erteile ich Herrn Minister Dr. Rohwer das Wort zum Bericht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Nahverkehr hat sich in Schleswig-Holstein in den letzten Jahren erfolgreich entwickelt. Das Angebot ist breiter und attraktiver geworden. Die Nutzerzahlen und die Rückmeldungen der Kunden geben uns Recht.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, vielleicht bleiben wir mit der Aufmerksamkeit noch ein bisschen hier im Haus.

Deshalb gefällt es mir so wenig wie vielen von Ihnen, dass die BahnCard 50 nach den bisherigen Konditionen - wie übrigens in allen anderen Tarifverbünden - im Schleswig-Holstein-Tarif nur zu 25 % angerechnet werden kann. 50 % wären natürlich kundenfreundlicher und attraktiver. Alles, was kundenfreundlich ist, bringt mehr Menschen auf die Bahn.

Was mich am Prozedere gestört hat, ist Folgendes. Da entwickelt Schleswig-Holstein mit allen Bahn- und Busanbietern einschließlich der Deutschen Bahn einen höchst attraktiven Schleswig-Holstein-Tarif,

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

der nicht nur einfacher, sondern in den meisten Fällen auch preisgünstiger als vorher ist und den Übergang zum Hamburger Verkehrsverbund ermöglicht, und dennoch stimmte die Deutsche Bahn die über Nacht wieder eingeführte BahnCard nicht mit den Tarifverbünden in einer Weise ab, dass damit eine attraktive Bahn- oder Rabattkarte für ganz Deutschland entstanden wäre.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Chance verpasst!)

Die BahnCard 50 wird in den meisten deutschen Verkehrsverbünden überhaupt nicht anerkannt. Sie wird als BahnCard 25 mit 25-prozentiger Ermäßigung in einigen, aber in den meisten nicht anerkannt. Das heißt, der Schleswig-Holstein-Tarif mit Anerkennung der BahnCard 25 ist attraktiver als der Tarif in den überwiegenden anderen Tarifverkehrsverbünden.

Ich will deutlich sagen: Im Grunde geht es bei diesem Thema um Folgendes. Wie werden eigentlich in Deutschland Fern- und Nahtarife der Bahn aufeinander abgestimmt?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Kunde sollte doch nicht dadurch Nachteile haben, dass er zwischen Nah- und Ferntarifen umständlich vergleichen und dann teilweise Nachteile hinnehmen muss. Es handelt sich insoweit um ein bundesweites Thema, das ich auf die Tagesordnung der Verkehrsministerkonferenz setzen werde, um mit den Kollegen darüber zu sprechen, wie wir bundesweit - sicherlich nicht zum 13. oder 14. September - zu einer besseren Lösung kommen können.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

Entscheidend ist natürlich: Was machen wir kurzfristig, bis Dezember, bei uns?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Und?)

Ich halte zunächst einmal fest: Mit der jetzt vorgesehenen 25-%-Anerkennung der BahnCard bietet Schleswig-Holstein einen höheren Rabatt als die meisten anderen Verbünde. Kein anderer Verbund erkennt die BahnCard 50 an. Es kann auch nicht sein, dass wir jedes Mal, wenn die Deutsche Bahn AG eine neue Rabattkarte einführt, den auf die Regionalkunden zugeschnittenen Schleswig-Holstein-Tarif wieder ändern. Das wäre ein Unding.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Uwe Ei- chelberg [CDU] und Uwe Greve [CDU])

Da muss man auch die anderen Partner verstehen. Das können die Verkehrsunternehmen in SchleswigHolstein nicht mitmachen. Das ist für sie nicht akzeptabel. - Jetzt geht das Licht aus.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist symbo- lisch, Herr Minister!)

Die volle Anerkennung der BahnCard 50 im Schleswig-Holstein-Tarif würde die beteiligten Verkehrsunternehmen pro Jahr rund 2 Millionen € kosten, mit Bus sogar 3 Millionen €. Herr Hentschel, die von Ihnen angeregte modifizierte Lösung würde auch ziemlich teuer werden. Sie käme fast an diese Summe heran. Über diese Ergebnisse werden wir im Wirtschaftsausschuss noch diskutieren und schauen, wie sie genau aussehen.

Nun ist gelegentlich gefordert worden, das Land solle diesen Betrag allein aufbringen. Abgesehen von der Frage, ob ein Landesminister dem Steuerzahler erklären kann, dass ein derart hoher Betrag dafür verwendet wird, eine nicht mit den Partnern abgestimmte Rabattkarte einer Bahn zu subventionieren, ist dieses Geld schlicht nicht da beziehungsweise könnte nur dadurch aufgebracht werden, dass wir an anderer Stelle Bahnverkehr in Schleswig-Holstein verschlechtern. So ist das. Das kann ich den anderen Bahnnutzern in Schleswig-Holstein wiederum nicht zumuten.

(Beifall bei SPD und SSW)

Eine Lösung ist, wenn überhaupt, dadurch möglich, dass sich alle noch einmal an den Tisch setzen. Die Gespräche laufen. Dazu habe ich eingeladen. Wenn sich die DB AG konstruktiv daran beteiligt, was bedeuten würde, dass sie von den Mehreinnahmen aufgrund der BahnCard 50 einen Teil in dieses zu finanzierende 2- oder 3-Millionen-€-Volumen hinein

bringt, wäre ich froh. Ich kann hier heute leider noch keine Erfolgsmeldung vorweisen.

Die Landesverkehrsservicegesellschaft führt diese Gespräche auf meine Bitte hin. Wir werden im Wirtschaftsausschuss zu gegebener Zeit darüber berichten. Es muss schnell gehen, weil jetzt die Tarifstrukturen für September gemacht werden. Sie müssen jetzt programmiert werden. Es kann nicht sein, dass wir erst kurz vorher, am 3. Dezember oder so, entscheiden. Das muss zügiger gehen.

Unabhängig davon, wie diese Gespräche ausgehen, bereiten wir zwei Verbesserungen vor.

Erstens. Die Tarifunterlaufungen, die sich zwischen Fern- und Nahverkehr abzeichnen, insbesondere nach Wiedereinführung der BahnCard 50, versuchen wir dadurch nachzujustieren, dass wir den SchleswigHolstein-Tarif noch etwas anpassen, dass wir wenigstens vermeiden, dass es auf der gleichen Strecke offensichtlich viel günstiger ist, die BahnCard 50 mit Fernverkehr zu kombinieren.

(Glocke des Präsidenten)

Zweitens. - Ich bin sofort fertig, Herr Präsident. - Der Schleswig-Holstein-Tarif soll ebenfalls noch attraktiver werden. Wir überlegen eine Schleswig-HolsteinCard 25 einzuführen, die dann aber einen sehr viel breiteren Nutzwert hat, nämlich allen, die in Schleswig-Holstein im Nahverkehr, Bus und Bahn, nutzen, zugute kommt, -

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister!

- die dann auch noch Nebenleistungen enthalten würde und damit sicherlich sehr attraktiv wird.

Zusammenfassend: Die Gespräche laufen. Ich hoffe immer noch auf eine Lösung. Aber wir sollten nicht zu große Hoffnungen haben. Wir sollten unseren konsequenten Weg einer Bahnpolitik mit allen Bahnunternehmen und nicht nur mit einem konsequent weitergehen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Minister für den Bericht, eröffne die Aussprache und erteile zunächst Herrn Abgeordneten Hildebrand das Wort.

Erlauben Sie mir eine geschäftsleitende Bemerkung. Wenn alle folgenden Redner ihre Unterlage durchsehen und versuchen, in drei Minuten das zu sagen, was sie sich für fünf Minuten vorgenommen haben, könnten wir die reduzierte Tagesordnung heute ordnungsgemäß zu Ende bringen. Sonst gelingt auch das nicht.

(Werner Kalinka [CDU]: Ich werde es tun! - Heiterkeit bei der CDU)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, wieweit Sie gestern oder heute diese Postwurfsendung ins Haus bekommen haben. Hier steht: „An alle Haushalte, die sparen wollen - jetzt ganz einfach bis zu 50 % sparen“. Da müsste noch zusätzlich ein Vermerk aufgebracht werden: In Schleswig-Holstein leider nur 25 - zumindest ab Mitte Dezember dieses Jahres, wenn die alte BahnCard 50 an Wirkung verliert.

Herr Minister, Sie haben eben deutlich gemacht und durch entsprechende Zitate in Zeitungen zu erkennen gegeben, dass auch Ihr Ziel ist, Bahnkunden im Nah- und Fernverkehr ein einfaches und attraktives Preissystem zu bieten und gesagt, die Erfahrung zeige, dass die Akzeptanz für das Bahnfahren entscheidend durch ein einfaches Tarifsystem gesteigert worden sei. Das haben sie beispielsweise gegenüber dem „Flensburger Tageblatt“ zu erkennen gegeben.

In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, warum es nicht so schnell zu einer Lösung gekommen ist. Dazu gibt es im „sh:z“ vom 23. August eine entsprechende Meldung:

„Der Konzernbeauftragte der Bahn AG, Rainer Latsch, erklärte gestern in Kiel, dass sein Unternehmen ‚keinen Anlass sieht, mit dem Land über die Probleme zu verhandeln, die durch die BahnCard 50 im Bereich des Schleswig-Holstein-Tarifs auftreten’.“

Später heißt es:

„Latsch stellte klar, die Bahn lasse sich nicht ‚durch voreilige Ankündigungen drängen’.“

Hier scheint zumindest in der Kommunikation zwischen der Landesregierung oder der LVS auf der einen Seite und der Deutschen Bahn auf der anderen Seite einiges im Argen zu liegen, was möglicherweise

dazu führt, dass wir hier in Schleswig-Holstein nicht den vollen Nutzen der BahnCard 50 haben können.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Vergleichen Sie doch! Den hat nie- mand in Deutschland in den regionalen Ver- kehrsverbünden!)

- Dazu kann man feststellen, dass wir hier in Schleswig-Holstein keinen Verkehrsverbund haben; hier haben sich Unternehmen zusammengefunden, um einen Schleswig-Holstein-Tarif zu schaffen. Das ist damit noch kein Verkehrsverbund. Dazu muss ich auch erläuternd feststellen, dass die Deutsche Bahn beispielsweise mit dem Hamburger Verkehrsverbund sogar eine Einigung dahin erzielt hat, dass man, wenn man beispielsweise mit Fernzügen in Hamburg ankommt, sehr wohl den ÖPNV benutzen kann, um bis zum eigenen Wohnort oder zum Zielbahnhof auf Kosten der BahnCard fahren zu können, ohne für den ÖPNV weitere Fahrkarten kaufen zu müssen.

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist sehr wohl im Sinn der Bahnfahrer. Es kann letztlich nicht sein, dass beispielsweise die Strecke von Pinneberg nach Westerland mit der BahnCard 50 billiger ist, also erst einmal mit dem Zug bis Itzehoe und dann mit dem IC nach Westerland, als wenn man mit dem ÖPNV oder Regionalverkehr von Pinneberg nach Westerland fährt. Das darf meines Erachtens nicht sein. Hier müssen wir letztlich alle bemüht sein.