Guten Morgen, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Sitzung. Erkrankt sind Frau Ministerin Heide Moser, Frau Abgeordnete Anna Schlosser-Keichel, Frau Abgeordnete Gisela Böhrk und Frau Abgeordnete Christel Aschmoneit-Lücke. Wir wünschen ihnen von hier aus gute Besserung.
Beurlaubt ist Frau Abgeordnete Sandra Redmann. Auf der Tribüne begrüße ich die Besuchergruppe der Hauptschule Nortorf. - Herzlich willkommen!
Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/2935
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Für die antragstellende Partei erteile ich Frau Abgeordneter Hinrichsen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der SSW begrüßt im Prinzip die geplante Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die jetzt im Zuge der Hartz-Reformen vorgeschlagen wird. Wir sehen einen Sinn darin, die beiden Hilfeleistungen zusammenzufassen, weil es sich bei diesen Arbeitsuchenden zum großen Teil um die gleiche Gruppe von Menschen handelt. Es gibt also sehr viele Überschneidungen. Allerdings gibt es bei den bisher bekannten Vorschlägen auch erhebliche Risiken. Aus unserer Sicht müssen bei der Ausgestaltung der Reformen drei Hauptbedingungen erfüllt werden: Erstens. Den Kommunen dürfen keine zusätzlichen Kos
ten oder Einnahmeverluste aufgebürdet werden. Zweitens. Das neue Arbeitslosengeld II darf nicht auf das Niveau der jetzigen Sozialhilfe heruntergesetzt werden. Drittens. Die Beschäftigungsgesellschaften müssen ihre erfolgreiche Arbeit für Langzeitarbeitslose fortführen können.
Nur wenn diese Bedingungen erfüllt sind, wird der SSW die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe unterstützen. Deshalb können wir auch auf gar keinen Fall den Antrag der CDU zu diesem Thema unterstützen. Die Vorschläge der CDU sind ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen. Zum einen will die CDU, dass Menschen, die möglicherweise seit Jahren in die Arbeitslosenkasse eingezahlt haben, schon nach einem Jahr Arbeitslosigkeit Zuwendungen auf dem Niveau von Sozialhilfe bekommen. Zum anderen soll bei dieser Personengruppe ein Datenabgleich bei allen Behörden auf allen Ebenen zugelassen werden. Allein schon aus datenschutzrechtlichen Gründen sind wir damit nicht einverstanden. Wir können uns allenfalls - wie im nunmehr gemeinsamen Antrag von SPD und Grünen vorgeschlagen - damit abfinden, dass wegen der Leistungsberechnung des Arbeitslosengeldes II gewisse Daten für die Einkommen der Betroffenen erhoben und verglichen werden. Mehr aber nicht.
Nur bei der Frage der kommunalen Trägerschaft für die Hilfeleistungen sind wir uns auch mit der CDU einig. Es macht überhaupt keinen Sinn, für die Durchführung der Gewährung von Arbeitslosengeld II die Bundesanstalt für Arbeit zu beauftragen, wie es die Bundesregierung vorschlägt. Es wäre aberwitzig, wenn die BA in Nürnberg auf dieser Grundlage mehrere Tausend neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen sollte.
Nein, auch der SSW ist dafür, dass es in diesem Bereich eine kommunale Trägerschaft geben muss, weil die Kompetenz in diesen Bereichen in den Rathäusern dieser Republik vielfach bereits vorhanden ist. Diese kann man nicht einfach an die BA verlagern. Wir haben uns zu einem gemeinsamen Antrag mit SPD und Grünen entschlossen, weil es uns insbesondere darum geht, zu unterstreichen, dass es nicht nur auf die technische Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe ankommt. Vielmehr muss dies auch von einer aktiven Arbeitsmarktpolitik begleitet werden, wie sie in dem gemeinsamen Antrag formuliert wurde. Ohne diese aktive Arbeitspolitik, bei
der endlich auf Vermittlung und nicht auf Verwaltung von Arbeitslosigkeit Wert gelegt wird, machen die neuen Initiativen in diesem Bereich keinen Sinn. Ansonsten würden sie keinen Erfolg haben.
Dazu ist es auch wichtig, darauf hinzuwirken, dass der so genannte zweite Arbeitsmarkt nicht völlig abgewürgt wird. Wir brauchen jenseits aller HartzReformen immer noch eine ausreichende Anzahl von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, um die erfolgreich arbeitenden Beschäftigungsgesellschaften weiterzuführen und vor allem um genügend Angebote für alle Arbeitslosen zu haben.
Bei 4,4 Millionen Arbeitslosen können wir selbst bei optimaler Vermittlung nicht alle im ersten Arbeitsmarkt unterbringen. Wir erwarten von der Bundesregierung und der BA eine verantwortungsvolle Weiterführung der entsprechenden Maßnahmen.
Ein letzter Punkt im Zusammenhang mit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe liegt uns besonders am Herzen. Daher haben wir hierzu einen eigenen Antrag eingebracht. Es geht um die Vermögensfreibeträge; insbesondere geht es um die Freibeträge der Alterssicherung bei der Berechnung der jetzigen Arbeitslosenhilfe und des zukünftigen Arbeitslosengeldes II. Anfang des Jahres hat die Bundesregierung bei der Bedürftigkeitsprüfung für Bezieher von Arbeitslosenhilfe die Hürden erheblich höher gesteckt. Während Arbeitslose und ihre Partner bis zur Jahreswende noch jeweils 520 € pro Lebensjahr auf der hohen Kante haben durften, sind seit Januar bei Neuanträgen nur noch 200 € pro Lebensjahr als Schonvermögen erlaubt.
Aus der Sicht des SSW ist dies eine fatale Fehlentwicklung, denn es führt dazu, dass die Arbeitslosen, die dem Rat der Politik gefolgt sind und privat für ihr Alter - zum Beispiel auch mit einer Kapitallebensversicherung - vorgesorgt haben, diese auflösen müssen, bevor sie mit dem Geld vom Arbeitsamt rechnen können. Man rechnet schon für das Jahr 2003 damit, dass bis zu 100.000 Arbeitslose auf dieser Grundlage ihre private Alterssicherung opfern müssen. Dies ist eine Fehlentwicklung, weil es insbesondere auch dem Ziel der Bundesregierung widerspricht, neben der gesetzlichen Rente eine private Säule der Altersvorsorge aufzubauen.
privaten Altersvorsorge so schamlos benachteiligt werden? Wir meinen, dass diese Entscheidung der Bundesregierung für die Betroffenen eine soziale Schieflage schafft. Eigentlich hatten wir gehofft, dass der Bundeswirtschaftsminister im Zuge der Zusammenlegung von der Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II die Vermögensfreibeträge für das Schonvermögen für Altersersparnisse wieder erhöht.
Entsprechendes hatte auch ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums noch vor der Sommerpause signalisiert. Leider sind wir vom Sozialdemokraten Wolfgang Clement wieder einmal enttäuscht worden. Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf sieht keine Änderung in dieser Hinsicht vor. Scheinbar schert man sich im Wirtschaftministerium überhaupt nicht um die sozialen Folgen der geführten Politik. Es kann dann keinen verwundern, dass die sozialdemokratischen Wählerinnen und Wähler wie jüngst bei der Bayernwahl aus Enttäuschung über die in Berlin geführte Politik einfach zu Hause bleiben. Wenn der Unterschied zwischen CDU und SPD nicht mehr ersichtlich ist - warum sollten die sozial bewussten Menschen dann noch zur Wahl gehen? Umso mehr freut es mich, dass die Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein ihr Herz immer noch auf dem rechten Fleck haben -
Die notwendigen Reformen werden in Deutschland nur angenommen werden, wenn auch die Schwächsten der Gesellschaft fühlen, dass man auf sie Rücksicht nimmt. Es wird Zeit, dass die Bundesregierung das begreift. Ansonsten wird sie wahrscheinlich nicht mehr lange im Amt bleiben.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Monat für Monat machen die Arbeitslosenzahlen aufs Neue deutlich, dass die Bundesregierung die dramatische Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt immer noch nicht in den Griff bekommen hat. Mit Hartz I bis IV wollte die Bundesregierung strukturelle Reformen des Arbeitsmarktes und der Arbeitsverwaltung einleiten. Die Umsetzung der Reformschritte lässt aber nach wie vor auf sich warten. Vermutlich ist der Leidensdruck immer noch nicht hoch genug, denn nicht etwa die dramatischen Arbeitslosenzahlen, sondern die Fälschung der als Erfolgsindikator geltenden Vermittlungsstatistik hat die Regierung eigentlich erst zum Handeln veranlasst. Der Bundesrechnungshof hatte - wie Sie wissen - herausgefunden, dass Arbeitsvermittlungen verbucht wurden, die tatsächlich keine waren, zum Beispiel wenn Arbeitslose sich selbst eine neue Stelle gesucht hatten. Daraufhin hat die Bundesregierung die so genannte Hartz-Kommission eingesetzt. Ich will Sie an die Aufgabenstellung erinnern. Sie war, dass die Bundesanstalt für Arbeit in einen modernen, effizienten Dienstleister verwandelt werden sollte.
Aber die Kommission hat schnell erkannt, dass allein eine umfassende Reform des Arbeitsmarktes eine Verbesserung des Situation bringen würde. Vorzeitig bekannt gewordene Vorschläge führten allerdings dazu, dass viele mutige Ideen zerredet wurden. Der Wille zur Reform war zwar erkennbar, ein Gesamtkonzept jedoch nicht. Das liegt unter anderem daran, dass die Ursachen der Arbeitslosigkeit nicht systematisch analysiert worden sind.
Zwei Zielstellungen sind zwischen uns allen wohl unumstritten, nämlich den eigentlichen Zweck der Bundesanstalt für Arbeit, zu vermitteln statt zu verwalten, wieder ins Zentrum der Aufgabenwahrnehmung zu rücken und die Reorganisation der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe kurzfristig umzusetzen.
Ziel unseres Antrages ist es, die strukturellen Verkrustungen des Arbeitsmarktes aufzubrechen, mehr Effizienz bei der Vermittlung zu erreichen, dem Lohnabstandsgebot erneut Geltung zu verschaffen und den Grundsatz, dass jeder, der staatliche Leistungen erhält, auch zu Gegenleistungen verpflichtet ist, wieder in das Gedächtnis aller zurückzurufen. Wir haben dazu die erforderlichen Eckpunkte und Änderungsnotwendigkeiten in unserem Antrag niedergelegt. Wir sehen in unserem Antrag den ersten prakti