Protokoll der Sitzung vom 25.03.2009

(Beifall bei SPD und CDU)

Es geht um den langfristigen Wert, nicht um kurzfristige Renditen. Am besten wissen das die Arbeitnehmer. Deswegen bin ich sehr dafür, die Mitbestimmung in Europa auszuweiten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu den Dingen, die wir konkret absehen können, gehört eine gute Passage aus den in der strategischen Neuausrichtung zum Staatsvertrag dargestellten Regeln der Good Governance. Wir haben sie deshalb in der Resolution noch einmal aufgegriffen.

Zur nachhaltigen Orientierung gehört auch ein vernünftiger Umgang mit den Beschäftigten. Ich begrüße außerordentlich, dass Vorstand und Gesamtbetriebsrat sich diesbezüglich auf Eckpunkte geeinigt haben. Das gehört auch zu unserer politischen Verantwortung. Wenn wir der Bank etwa 1,5 Milliarden € zuschießen, können und müssen wir erwarten, dass die Beschäftigungssicherung in Kiel und Hamburg Priorität genießt.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ein vernünftiges Verhältnis zu den Sparkassen gehört ebenso zu einer nachhaltigen Geschäftspolitik. Ich glaube, dass sich HSH Nordbank und Sparkassen gut ergänzen können und, wenn sie es denn wollen, beide Vorteile aus diesem Miteinander zie

(Dr. Ralf Stegner)

hen können. Es ist bedauerlich, dass dies in den letzten Jahren kaum der Fall war. Ich erwarte, dass sich das ändert. Gerade bei der von uns eingeforderten aktiven Weiterentwicklung des Landesbankensystems in Deutschland können die Sparkassen wertvolle Partner sein. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Erkenntnis, dass Landesbanken ohne ein ausgeprägtes Privatkundengeschäft, die fast ausschließlich auf dem Kapitalmarkt agieren, eine Risikoballung haben müssen und stärkeren Schwankungen unterliegen als Geschäftsmodelle, die auf mehreren Füßen stehen. Hierin, Herr Oppositionsführer, liegt eine Antwort auf Ihre Frage, wobei Sie mir wohl nicht widersprechen können, wenn ich darauf verweise, dass es private Banken gibt, deren Verluste und Risiken deutlich höher liegen. Bei der Hypo Real Estate sind wir im Moment mit Steuergeldern in Höhe von 86 Milliarden € dabei, und das ist eine private Bank, keine öffentliche. Insofern muss man immer vorsichtig mit den Analogien sein, die man zieht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Gesine Schwan hat Anfang März die SPD-Landtagsfraktion besucht und den sozialdemokratischen Abgeordneten, aber auch den Abgeordneten von SSW und Grünen deutlich gemacht, warum ihrer Meinung nach die jetzige Krise über eine Finanz- oder Wirtschaftskrise hinausgehe. Das kurzfristig unternehmerische Denken korrespondiere auf nahezu fatale Weise mit Strukturen und Lehrinhalten im Bildungssystem, die egoistische, verantwortungslose, mit Scheuklappen versehene und in ständiger Konkurrenz denkende Individuen förderten, statt auf Gemeinsinn und auf Dinge zu setzen, die nachhaltig Bestand haben. Das ist etwas, was wir uns in der Tat merken sollten.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich glaube, wir müssen sehr viel mehr verändern, als wir jetzt absehen können. Helmut Schmidt nennt das alles Raubtierkapitalismus. Er sagt - übrigens, er ist Sozialdemokrat -: Je dichter der Verkehr wird, umso mehr Verkehrsregeln und -aufsichten und Verkehrspolizei braucht man. Das Gleiche gilt für den internationalen Finanzverkehr.

Der Markt braucht Regeln, die für das Funktionieren, für die Fairness und für die Moral der Märkte sorgen. Der Glaube an den Markt als Allheilmittel und oberste Instanz zerstört Arbeitsplätze, unseren Wohlstand, die Umwelt, private und soziale Beziehungen, zerstört die Würde der Menschen und Hoffnungen.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Wir fordern daher die Regierung eindringlich auf, weiteren Regulierungen des Finanzmarktsystems zuzustimmen. Ein Weiter-so darf es nicht geben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW sowie der Abgeordneten Torsten Geerdts [CDU] und Frank Sauter [CDU])

Ich habe auch deshalb Helmut Schmidt zitiert, weil wir in den 70er-Jahren schon einmal in der Situation waren, dass sich die Weltmächte waffenstarrend gegenübergestanden haben und man da sagte: Wir brauchen Entspannungspolitik, die das aufbricht. Und da hieß es: Was seid ihr für Phantasten, das wird nie gehen! - Das ist gelungen.

Heute brauchen wir eine zweite Phase der Entspannungspolitik, die dem internationalen Finanzkapital politisch die Stirn bietet und da für Entspannung sorgt. Das ist die Aufgabe der Zeit, und die gilt es zu lösen. Ich fürchte übrigens auch da: Wir werden sie nicht in Strande lösen, sondern das wird wohl anderswo geschehen müssen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: In Bordesholm auch nicht!)

Der Glaube an den Markt als Allheilmittel jedenfalls ist es nicht. Die Liberalisierung der Finanzmärkte, extreme internationale Handelsungleichgewichte, mangelnde Binnennachfrage aufgrund einer einseitigen Ausrichtung auf kurzfristige Profite haben das Wirtschaftssystem gegen die Wand gefahren.

All die neunmalklugen Verfechter des Marktradikalismus in der Wissenschaft, in den Universitäten, in den Wirtschaftsberatungen, bei Ratingagenturen und Unternehmen, leider auch der Politik - und da füge ich hinzu: leider auch bis in meine eigene Partei hinein -, haben nichts gemerkt. Das Immermehr ist kollabiert. Wir müssen umkehren.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Richtig ist, dass demokratische Politik und Staat und der Staat sind wir alle - sich nun mit aller Kraft dagegen stemmen, um einen Totalschaden zu verhindern. Wir handeln übrigens nicht, weil wir Banken retten wollen oder Bankern helfen wollen, die unverantwortlich gehandelt haben, sondern weil wir verhindern müssen, dass sich diese Krise noch weiter ausweitet, dass eine Wirtschaft ohne Kreditmöglichkeiten kollabiert. Die Zeche dafür müssen immer die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zah

(Dr. Ralf Stegner)

len, die dabei rausfliegen und mit ihren Familien keine Perspektiven mehr haben.

Dass Pensionsfonds und Versicherungen, die Einlagen bei den Banken haben, in Schwierigkeiten kommen und die schlimmste Krise des Finanzsystems, die wir seit 1929 haben, verstärken die weltweite konjunkturelle Krise mit ihren Auswirkungen auf Arbeitsplätze, auf Einnahmesituation der öffentlichen Hand und auch auf die HSH Nordbank noch. Wir sehen es doch gerade in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo ein amerikanischer Präsident sagt: Wir müssen irrsinnig viel investieren, um das zu ändern. - Er fügt allerdings auch hinzu: Wir müssen das bei gleichzeitiger Verschärfung der Kontrolle der Finanzmärkte und bei der Refinanzierung durch diejenigen, die das meiste Geld haben und sich das am ehesten leisten können. Ich finde, das ist die richtige Priorisierung.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Deutlich wird, dass es ohne einen handlungsfähigen Staat nicht geht, und ich sage Ihnen: Im Gegensatz zu anderen Fraktionen und Parteien haben wir Sozialdemokraten auch keine ideologischen Probleme, die uns da im Wege stünden, sondern wir können konsequent konkrete Lösungsvorschläge einbringen und umsetzen. Natürlich stehen die gesetzlichen Forderungen an erster Stelle und daneben auch eine klare Entscheidung dafür, wie wir das mit der Refinanzierung machen wollen. Wir sind zum Beispiel dafür, eine Börsenumsatzsteuer einzuführen, weil die eben einfach ein paar Milliarden bringt und bei denen das Eintrittsgeld für das Casino nimmt, die uns das im Grunde genommen alles eingebrockt haben.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Neben diesen politischen und gesetzgeberischen Maßnahmen hat die Sache auch eine moralische Dimension, die wir kurz vor der Bundesversammlung gestern auch aus Schloss Bellevue gehört haben: In der jetzigen Krise ist es Mode geworden, vom Staat nur noch zu fordern. Keine der beteiligten Banken beziehungsweise ihrer Führungskräfte hat sich bis jetzt auch nur ansatzweise darauf eingelassen zu sagen, was sie eigentlich im Gegenzug für den Staat und für die Gesellschaft zu leisten bereit ist.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sehr gut!)

Es sind Transferleistungen in bisher nicht vorstellbarer Höhe geflossen oder angekündigt, und noch

höhere Garantien sind gegeben worden. Ich fordere deshalb die dafür verantwortlichen Akteure auf, auch darüber einmal nachzudenken, welche persönlichen und institutionellen Gegenleistungen sie denn für die Gesellschaft erbringen können. Sie mögen das vielleicht etwas naiv finden, was ich hier sage, aber ich will einmal fragen: Könnten üppig gezahlte Boni nicht auch einmal den Begabtenförderungswerken, dem START-Programm für Ausbildungsförderung junger Menschen aus Einwandererfamilien, der Schuldnerberatung oder Umweltprojekten zur Verfügung gestellt werden?

(Beifall bei SPD und SSW)

Oder wie wäre es mit persönlichem Engagement für die Gesellschaft im ehrenamtlichen, karitativen Bereich als ein Signal für eine veränderte innere Haltung? Das gälte dann für die Vorstände persönlich, aber auch für ein Klima im Unternehmen, das den Beschäftigten zu ehrenamtlichem Engagement ermutigt und ihm das auch ermöglicht.

Lassen Sie uns eines bitte nicht vergessen: Die Menschen fragen uns auch deswegen danach, weil in den riesigen Beträgen, die aus Steuergeldern der Allgemeinheit jetzt an die Banken fließen, die Arbeitsleistung von Millionen von Menschen steckt, von Millionen von Menschen, und zwar von Menschen, die überhaupt nichts mit der Krise zu tun haben, die sie nicht verursacht haben, sondern die jetzt erleben, dass man ihnen sagt: Tut uns leid, für deine Belange haben wir kein Geld, tut uns leid, dein Arbeitsplatz ist weg, du kriegst nicht mal eine Abfindung, und die Frage der steuerlichen Abzugsfähigkeit stellt sich bei dir gar nicht.

Ich finde es kurios, dass wir immer lesen müssen und gerade gestern wieder vom Staatsoberhaupt hören mussten, wir hätten alle über unsere Verhältnisse gelebt. Nein, ich kenne eine ganze Menge Menschen, die nicht über ihre Verhältnisse gelebt haben und die so etwas zynisch finden, wenn wir dies hier sagen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] und Lars Harms [SSW])

An dieser Stelle sei noch der Hinweis erlaubt, dass bei allen Dingen, über die wir in Schleswig-Holstein nachzudenken haben, wir auch eine Welt haben,

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Der größte Schul- denminister aller Zeiten! Das ist zum Kot- zen!)

(Dr. Ralf Stegner)

und die, die am meisten unter der Finanzkrise zu leiden haben, sind die in Afrika und anderswo.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist ein Heuch- ler!)

Auch dies will ich an dieser Stelle einfach einmal gesagt haben, damit es nicht gänzlich aus unserer Betrachtung verschwindet.

Jetzt ist es an der Zeit, dass auch Banken das, was im Grundgesetz steht, nämlich „Eigentum verpflichtet“, ernst nehmen und etwas für die Allgemeinheit tun. Das wäre ein wirklich neues Geschäfts- und Gesellschaftsmodell. Es gibt in unserer Gesellschaft nämlich nicht nur sittenwidrig niedrige Löhne, sondern auch sittenwidrig hohe Gehälter, auch dies muss man hier feststellen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Für uns im Landtag ist es jetzt primär wichtig, dafür zu sorgen, dass die Unterstützung der HSH Nordbank für das Land Schleswig-Holstein so kostengünstig wie möglich gestaltet wird.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Kostengünstig!)

- Herr Kollege Garg, dass Sie so darüber reden, wundert mich nicht, wenn ich Sie hier manchmal reden höre. Ich will damit nur sagen: Die kurz-, mittel- und langfristigen Belastungen des Landeshaushaltes - und wir sind hier die Treuhänder der Steuergelder der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Die Treuhänder! Das sagt der Richtige!)

sind der Punkt, über den wir zu reden haben.