Protokoll der Sitzung vom 16.09.2009

Aber insbesondere notwendig bleibt ein umfassendes Werftenkonzept der Bundesregierung, das mit allen norddeutschen Bundesländern erarbeitet werden muss. Dieses Konzept muss unter anderem eine verlässliche Schiffsfinanzierung enthalten, damit die Verkaufsangebote für Schiffe eine solide Grundlage haben. Nur so wird es uns gelingen, den Werftenstandort Schleswig-Holstein zu stärken.

Ich möchte den Appell des Kollegen Fischer an die Konzernleitung ThyssenKrupp aufgreifen: Setzen Sie weder sich noch uns unter Zeitdruck!

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki. - Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, mit mir auf der Tribüne Organisatoren der Wattolympiade

zu begrüßen. Die Damen und Herren haben Geld für die Krebshilfe ins Haus gebracht. - Wir bedanken uns bei Ihnen für Ihr Engagement.

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich bei der SPD als Erstantragsteller. Ich bedanke mich aber auch bei allen anderen, dass es uns gelungen ist, interfraktionell einen Antrag zustande zu bringen. Das ist das Mindeste, was man in so einer Situation machen muss.

(Beifall)

HDW muss die große Universalwerft in Kiel bleiben. Ein Aus für den zivilen Schiffbau ist für uns unvorstellbar. Die Belegschaft ist flexibel einsetzbar, und die betriebliche Infrastruktur muss so ausgerichtet bleiben, dass neben dem U-Boot-Bau auch ziviler Schiffbau, Schiffsreparaturen und sonstige maritime Fertigungen möglich sind. Wir sehen große Chancen für HDW als Systemanbieter in der Offshore-Windenergie. HDW kann die Transportschiffe und Ponton-Arbeitsplattformen herstellen und sicher auch Großkomponenten für die Windenergieanlagen bauen. Die Krananlagen und Großdocks von HDW bestimmen die Kieler Stadtsilhouette. Diese Werftanlagen müssen unbedingt weiter produktiv genutzt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Wir unterstützen die Beschäftigten und die IG Metall in ihren Bemühungen um den Erhalt aller Arbeitsplätze in dieser maritimen Schlüsselindustrie.

(Unruhe bei der SPD)

Frau Abgeordnete, Sie erhalten Ihre Redezeit, keine Sorge. - Ist es möglich, die Lübecker Wahlkampfplanung draußen zu machen? - Vielen Dank.

(Beifall)

Gibt es da noch Probleme in Lübeck?

(Heiterkeit und Zurufe)

(Wolfgang Kubicki)

- Das mit Schröder habe ich auch gehört; da will ich mich nicht einmischen.

Wir begrüßen die Initiative des Kieler Oberbürgermeisters und des DGB, noch im Oktober 2009 eine strategische Denkfabrik zur Zukunft dieses Industriezweiges in Kiel einzuberufen, außerordentlich, damit man gemeinsam sieht, wie es weitergehen kann. Dies ist ein richtiges und wichtiges Signal in schwierigen Zeiten.

Medienberichten zufolge plant die Konzernleitung von ThyssenKrupp den Verkauf großer Flächen und Fertigungshallen von HDW. Offensichtlich soll der gesamte Werftenverbund von ThyssenKrupp stark verändert und geschrumpft werden. In Emden soll gar kein Schiffbau mehr stattfinden. Der dortige Überwasser-Marineschiffbau geht zu Blohm + Voss in Hamburg, und für HDW bleibt nur noch der U-Boot-Bau. Das kann die Landeshauptstadt Kiel, das kann das Land Schleswig-Holstein nicht akzeptieren. Der Handelsschiffbau bei HDW muss bleiben. Nur so hat das Unternehmen eine stabile Zukunft- das ist angesprochen worden -, und nur so bleiben Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze gesichert. Der ThyssenKrupp-Konzern wird mit dem heutigen Landtagsbeschluss an seine Verantwortung für den Kieler Standort erinnert, und er wird aufgefordert, die Verkaufspläne zurückzuziehen.

Wir wollen die Schiffbaukapazitäten und damit qualifizierte Arbeits- und Ausbildungsplätze am Traditionsstandort Kiel erhalten. Nur so kann auch der Einstieg in die Offshore-Windenergiegeschäfte bei HDW gelingen, denn dazu werden die großen Kräne und Hallen sowie qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigt.

Die maritime Verbundwirtschaft in Kiel und in Schleswig-Holstein hat eine große innovative Kompetenz und mittelfristig hervorragende Zukunftschancen. Deshalb ist es notwendig, dass wir mit vereinten Kräften für den Erhalt der Kapazitäten bei HDW kämpfen.

Ich finde, es zeichnet unsere Demokratie aus, dass wir es selbst vor der Wahl in einer doch sehr bunten Situation - man sieht das hier an den Mehrheitsverhältnissen - schaffen, uns zu besinnen und einen gemeinsamen Antrag zu verabschieden. Wir führen eine ordentliche Debatte, tragen das gemeinsam durch. Ich hoffe, das trägt zur Ernsthaftigkeit des Beschlusses bei. Ich gehe fest davon aus - auch da wieder Vertrauen in diese Landesregierung -, dass die Landesregierung dies engagiert weiter verfolgt und unser Land dort ordnungsgemäß, vernünftig und engagiert vertritt.

(Beifall)

Ich danke der Frau Abgeordneten Monika Heinold und erteile für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Mein sehr geehrten Damen und Herren! Bereits Anfang des Jahres haben wir im Landtag die Situation der Werften in SchleswigHolstein debattiert. Der Schiffbau als Indikator für die Wirtschaftskrise macht deutlich, wie ernst die Lage ist. Vor allem im Bereich der zivilen Schifffahrt brechen die Aufträge für Container- und Frachtschiffe massiv weg. Dies bekommen wir bereits seit Längerem zu spüren.

Wenn wir nun aus den Medien erfahren, dass ThyssenKrupp einen Teilverkauf von HDW plant, ist dies in diesem Zusammenhang zu sehen. Das macht die Situation aber nicht besser. Der geplante Ausstieg aus dem zivilen Schiffbau bis zum Ende des Jahres würde für HDW bedeuten, dass man sich aus einem alten, traditionellen Bereich rauszieht. Erst in der letzten Woche wurde bekannt, dass ThyssenKrupp darüber hinaus den Verkauf der Nordseewerke in Emden plant.

Auch wenn der U-Boot-Bau sowie die Docks der Kieler Werft vom Verkauf unberührt bleiben und wenn ThyssenKrupp sich zukünftig auf den Bau größerer Marine- und Spezialschiffe konzentrieren will, ist klar, dass eine solche Entscheidung Arbeitsplätze kosten wird. Bereits angekündigt wurde, dass nur ein Teil der 400 Mitarbeiter der HDWGaarden übernommen wird. Diese Nachrichten kommen einem Schicksalsschlag gleich, und betroffen ist nicht nur die Landeshauptstadt, sondern Schleswig-Holstein insgesamt und auch der Werftenstandort Deutschland.

Die Entscheidung von ThyssenKrupp hat aber auch eine hohe Symbolkraft für die allgemeine Situation im Schiffbau. Denn aus schleswig-holsteinischer Sicht ist sie leider nur der vorläufige Höhepunkt in der Krise der europäischen und deutschen Werften. Wenn man bedenkt, dass noch Anfang der 70erJahre 10.000 Mitarbeiter bei HDW in Kiel beschäftigt waren, sieht man das ganze Ausmaß der Entwicklung im deutschen Schiffbau in den letzten 40 Jahren. Gerade vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise ist die Entscheidung von ThyssenKrupp ein schwerer Schlag für die Betroffenen und

(Monika Heinold)

deren Familien, aber auch für die Zulieferer in der Region wird eine solche Entscheidung negative Konsequenzen haben.

Wir alle kennen die Ursachen dieser Krise, und angesichts der weltweiten Überkapazitäten im Seeverkehr verstärkt sich die Situation. Aber auch die asiatische Billig-Konkurrenz im zivilen Schiffbau trägt ihres dazu bei und macht den deutschen und europäischen Werften den Garaus.

Eine Abwrackprämie für Schiffe zu fordern, wie es der Generalsekretär des Europäischen Werftenverbandes getan hat, erteilen wir jedoch eine Absage. Aus Sicht des SSW ist dies kein Instrument, das nachhaltig hilft. Dies wirkt nur kurzfristig und schlägt wie ein Bumerang zurück.

Rund ein Drittel der in Europa verkehrenden Fähren sind älter als 30 Jahre. Das soll heißen, sie fahren mit veralteten Technologien und sind weit entfernt von modernen Umweltstandards. Damit sind sie ein Fall für die neue europäische Seeverkehrsstrategie, die unter anderem eine Verbesserung der Umweltstandards und Richtlinien im gesamten Seeverkehr vorsieht. Derartige Maßnahmen erfordern eine entsprechende moderne Flotte.

Das sind Maßnahmen, die nachhaltig wirken und wirtschaftliche Effekte auslösen. Sie wirken jedoch nicht sofort. Erst in ein paar Jahren wird man die Effekte zu spüren bekommen.

Wir müssen aber Wege finden, wie die Auflösung des zivilen Schiffbaus bei HDW verhindert werden kann. HDW muss auch in Zukunft eine Universalwerft bleiben, die sowohl im zivilen Schiffbau wie auch im Marine-Schiffbau tätig ist. Das bewirkt, dass die Belegschaft flexibel einsetzbar ist. Solange jedoch keine konkreten Lösungen gefunden sind, fordern wir die Landesregierung auf, auf ThyssenKrupp einzuwirken, die Planungen zu überdenken, und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um so viele Arbeitsplätze wie möglich bei HDW und den Zulieferfirmen zu erhalten. Wir sind sicher, dass die Landesregierung dies tun wird.

Wir fordern ThyssenKrupp dazu auf, gemeinsam mit dem Betriebsrat und der IG Metall arbeitsplatzerhaltende Maßnahmen zu ergreifen, damit alle Beschäftigten über den vom Konzern anberaumten Termin hinaus ihre Arbeitsplätze behalten können. Für alle Verhandlungen - egal mit wem - muss gelten: HDW muss eine Universalwerft bleiben.

(Beifall beim SSW)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Dr. Jörn Biel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie Sie wissen, hat das Land seine Anteile an HDW im Jahr 1990 veräußert. Seitdem hat die Landesregierung auf die Entscheidungen des Unternehmens keinen direkten Einfluss mehr. Seitdem sind Regierungen und Parlamente des Landes immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie die Zukunft des Schiffbaus in Kiel gesichert werden kann.

Immer wieder wird von den wechselnden Konzernführungen das Ziel genannt, HDW zu einem reinen Produktionsbetrieb für U-Boote zu machen. Das war so bei der Übernahme durch Babcock. Das war auch so, als HDW im Jahr 2005 von ThyssenKrupp Marine Systems übernommen wurde.

Die gegenwärtige Finanz- und Schifffahrtskrise gibt TKMS Anlass, erneut über Veränderungen nachzudenken. Für die Landesregierung ist die Lösung klar: Sie setzt sich auf allen Ebenen dafür ein, dass die Standorte in Schleswig-Holstein gestärkt werden und bei HDW breite Produktvielfalt einschließlich des Handelsschiffbaus erhalten bleibt.

(Beifall bei der CDU)

Die Landesregierung und alle politischen Kräfte im Lande haben immer betont und auch gegenüber ThyssenKrupp deutlich gemacht, dass zum Schiffbaustandort Kiel neben dem U-Boot-Bau auch das zivile Standbein gehört und beide aufrechterhalten werden müssen. Im August haben wir hierüber mit dem Betriebsrat von HDW und mit Herrn Mädel von der IG Metall in meinem Haus gesprochen. Die Herren Abgeordneten Arp und Fischer waren auch dabei. Der Betriebsrat und Herr Mädel werden wahrscheinlich am Montag auch beim Ministerpräsidenten sein.

Wir sind in laufenden Gesprächen mit HDW. Bei HDW geht es um andere Entscheidungen als um staatliche Hilfen. Es geht nicht um ein Finanzierungsproblem, sondern um ein Auftragsproblem.

Dass HDW mit seinen nicht nuklear angetriebenen U-Booten eine Weltmarktführerposition einnimmt, ist hinlänglich bekannt. HDW ist aber auch im Überwasserschiffbau ein moderner und lei

(Lars Harms)

stungsfähiger Konstruktionsund Produktionsstandort. Das darf nicht verkannt werden.

(Beifall bei der CDU)

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll ist, den Überwasser- und den Unterwasserschiffbau nebeneinander zu betreiben. Auslastungsschwankungen in einzelnen Bereichen lassen sich so besser ausgleichen. Das Problem zyklischer Entwicklungen im Rüstungsgeschäft und zeitlich versetzter Auslastungen verschiedener Gewerke im U-Boot-Bau sprechen dafür, den zivilen Schiffbau als zweites Standbein zu erhalten.