Protokoll der Sitzung vom 10.05.2007

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das verstehen wir nicht. Es ist möglich, eine Steuerreform auch ohne 5 Milliarden € Verlust zu machen. Ohne Schwierigkeiten.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erinnere Sie daran, was vor einem Jahr der ursprüngliche Sinn des Ganzen war. Es wurde gesagt, wir wollten Schlupflöcher schließen. Das erreicht man damit auch. Da sind wir gern mit dabei. Dann wurde gesagt: Wir wollen den Satz senken, damit wir international vergleichbar sind. Es wurde gesagt: Durch diese ganze Schlupflöchergeschichte ist unser Steuersatz formell so hoch, dass wir mit Litauen oder mit wem auch immer nicht mithalten können. Das wurde gesagt. Das können wir auch jetzt erreichen.

Warum der Satz so tief gesenkt wird, dass wir dabei Verlust machen, erschließt sich mir nicht. Das ist genau das, was wir kritisieren. Wir wollen keinen Verlust machen. Wir wollen den Satz auch senken.

Wenn das wirklich den Effekt hat, wenn Unternehmen - das sage ich jetzt einmal so salopp - so dumm sind, dass sie nicht berechnen können, wie gut sie es steuerlich hier haben und tatsächlich einen formalen Satz haben müssen, damit sie auch wirklich glauben, dass sie hier Steuern sparen können, wenn es denn wirklich so ist und der Effekt da ist, dass es den Unternehmen besser geht, dass sie uns hier die Bude einlaufen und investieren, dann kann man die Steuern immer noch senken. Wenn dann tatsächlich so viele Unternehmen kommen und alle ihre Steuern hier bezahlen, bin ich fest davon überzeugt, dass wir in zwei oder drei oder vier Jahren sagen können: Okay, dann gehen wir noch einmal 2 % mit den Steuern runter, weil das Ganze funktioniert hat.

Erst einmal sollten wir uns aber an unsere eigenen politischen Aufgaben machen. Diese eigenen politischen Aufgaben kosten Geld. Wir haben nicht das Geld, um es zum Fenster hinauszuwerfen. Wir reden die ganze Zeit von Kinderbetreuung - unsere schöne Bundesministerin kann das Ganze nicht finanzieren - und wir schmeißen einmal so 5 Milliarden € auf den Markt, weil es uns so gut geht. Das wollen wir verhindern.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich immer wieder, wenn ich die Beiträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu komplexen Sachverhalten hören darf, weil mir klar wird, dass Schleswig-Holstein ein ausgesprochen guter Wissenschaftsstandort ist. Wir haben es erreicht, dass man bei uns ohne jedes Studium, ohne jede weitere Vorbildung zu allen Sachverhalten kompetent Auskunft geben darf.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Bei manchen hilft kein Studium!)

Bei der Frage, wo ich mich operieren lassen würde, bin ich allerdings etwas zurückhaltender gewesen.

Ich will nur sagen: Wir haben es hier nicht mit einem statischen Problem zu tun, sondern Wirtschaft ist Dynamik.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

- Man muss es so erklären, Kollege Nabel, weil verschiedene das offensichtlich nicht begreifen.

Man kann in der gleichen Periode eine Steuerreform aufkommensneutral überhaupt nicht gestalten - oder man kann das sein lassen -, weil etwas passiert.

Man senkt die Steuersätze, was aller Voraussicht nach dazu führt, dass selbst bei Streichung aller Ausnahmetatbestände über die Steuererklärung die Steuerzahllast zunächst sinkt, was dazu führt, dass die Einnahmen beim Staat wahrscheinlich in der ersten Periode betrachtet geringer sein werden als vor er Operation. Allerdings setzt man damit Wachstumskräfte frei, Investitionsmöglichkeiten, neue Besteuerungstatbestände, die in der nächsten Periode zu deutlich höheren Einnahmen führen, was man sehen kann, Anke Spoorendonk.

Wir haben seit 1983, der ersten großen Steuerreform von Gerhard Stoltenberg, einen Lebendfeldversuch, als übrigens überraschenderweise noch in der gleichen Periode die Steuereinnahmen stärker stiegen, als die Steuersenkungstatbestände ausmachten.

(Beifall bei der FDP)

Das ist der Grund, aus dem der Finanzminister genau wie ich gesagt hat, die Überlegung, man solle eine Steuerreform machen, die aufkommensneutral ist, sei inhaltsleer. Man kann Steuersenkungen nicht aufkommensneutral machen und man kann Steuererhöhungen nicht aufkommensneutral machen.

(Lars Harms)

Ich erinnere daran, dass wir gerade über Steuermehreinnahmen philosophieren, weil wir so extrem hoch Wachstumsraten haben. Auch unsere Fiskalpolitik muss daran ausgerichtet sein, Wirtschaftswachstumsimpulse zu geben. Durch stärken Wachstum haben wir höhere Steuereinnahmen, über die wir jetzt gerade reden. Wenn wir gegenläufige Impulse setzen, werden wir geringere Steuereinnahmen haben. Auch dies kann man am jetzt aktuellen Lebendfeldversuch sehen.

Also muss man sich fragen, wie müssen wir die Steuerreform ausgestalten, dass möglichst hohe Wachstumsimpulse davon ausgehen? Das bedeutet: Steuersatzsenkung im internationalen Bereich heißt auch Steuervereinfachung - selbstverständlich -, weil die Vielzahl der Normen, über die man sich unterhalten muss, Unternehmen, gerade mittlere Unternehmen, die mittlerweile auch die Möglichkeit der Verlagerung von Gewinnen haben, wesentlich beeinträchtigen. Man muss sich dann weiter fragen, welche Konsequenzen das im Hinblick auf das künftige Wirtschaftswachstum in unserem Lande haben wird und haben muss.

Eines wissen wir nämlich auch - darüber debattieren wir -: Wir werden unseren fiskalischen Haushaltsprobleme nicht allein und ausschließlich auf der Ausgabenseite lösen können.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen dazu auch verstärkte Einnahmen. Diese verstärkten Einnahmen bekommen wir nicht, wenn wir alles beim Alten belassen.

Zu einen Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Holger Astrup das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich nur gemeldet, damit ich versuchen kann, dem Kollegen Hentschel die Feinheiten der deutschen Sprache nahezubringen.

(Zuruf)

- Er ist da hinten. - Wenn Herr Hentschel zum Beispiel gesagt hätte: „Ich rede jetzt so dumm wie mein Vorredner“, dann ist das eine Qualifikation, die auf ihn zurückfällt. Schlimmer wäre es, wenn er gesagt hätte: Ich rede mindestens so dumm wie mein Vorredner. - Genau das ist der Unterschied zwischen dem, was Herr Hentschel hier zitiert hat, und dem, was meine Kollegin Herdejürgen vorher gesagt hat. Ich lese wörtlich vor:

„Eine Senkung der Unternehmensteuersätzen im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit kann es nur geben, wenn diese Einnahmeausfälle durch die Schließung von Steuerschlupflöchern mindestens kompensiert werden.“

Das heißt, wir werden uns dafür einsetzen - und dem wird nicht einmal der Kollege Kubicki widersprechen -, dass wir nach Möglichkeit mehr bekommen als vorher.

Wir streiten uns im Prinzip nur - das ist ja unter Steuerfachleuten wirklich unbestritten; ich empfehle Ihnen, ab und zu in den Finanzausschuss zu kommen - darüber, dass es um die Frage des Zeitraums geht. Wann setzt was ein?

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Um mehr geht es nicht.

Ich wäre sehr dankbar, wenn mein Kollege Hentschel das korrekt zitieren würde. Wenn man das Wort „mindestens“ weglässt, ergibt es einen erheblich anderen Sinn als diese eben zitierte Aussage. Dies gilt auch für mein Beispiel von „mindestens so dumm“ und nur „so dumm“.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Obwohl dem Kollegen Sauter noch zwei Drittel seiner Redezeit zur Verfügung stehen, ist mir nicht zu Ohren gekommen, dass Ausschussüberweisung beantragt worden wäre. - Ich sehe auch keinen Hinweis darauf. Insofern ist Abstimmung in der Sache vorgesehen.

Es ist beantragt worden, in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich ums Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU, SPD und FDP abgelehnt.

Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 19 auf:

Alkoholmissbrauch unterbinden

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1364

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/1392 (neu)

Wird das Wort zur Begründung von Drucksache 16/1364 gewünscht? - Das ist nicht der Fall. - Wird

(Wolfgang Kubicki)

das Wort zur Begründung von Drucksache 16/1392 gewünscht? - Auch das ist nicht der Fall.

Es liegen zwei unterschiedliche Anträge vor. Der eine Antrag sieht vor, in dieser Tagung einen mündlichen Bericht zu geben. Mit dem Sachantrag von CDU und SPD ist die Aufforderung verbunden, dass die Landesregierung im Dezember 2007 einen Zwischenbericht geben möge.

Ich schlage vor, dass wir über diese beiden Anträge getrennt abstimmen, sie also als eigenständige Anträge behandeln. - Von den Antragstellern wird Zustimmung signalisiert.

Ich lasse zunächst über den Antrag Drucksache 16/1364 abstimmen. Diejenigen, die diesem Antrag zustimmen möchten, bitte ich ums Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hinsichtlich eines mündlichen Berichts in dieser Tagung mit den Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von CDU, SPD und SSW bei Enthaltung der FDP abgelehnt.

Damit kommen wir zum Antrag Drucksache 16/ 1392. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich ums Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag angenommen.

Gleichwohl eröffne ich die Aussprache. Gemäß der Übereinkunft zwischen den Fraktionen ist vorgesehen, dass zunächst Frau Abgeordnete Birk für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erhält.