Protokoll der Sitzung vom 29.01.2010

frei haben, nicht in den Kindergarten gehen können und nicht entsprechend gefördert werden!

Ehrlich gesagt, ich hätte bei den Grünen tatsächlich erwartet, dass es einen ganzheitlichen Ansatz gibt, der auch die Folgen der gesamtgesellschaftlichen Situation beinhaltet.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Noch einmal zu den 250 Millionen €. Es gibt auch Einsparungen. Es gibt Einsparungen in den Kommunen. Es gibt Entlastungen der Eltern. Wir haben schon darüber geredet. Vielleicht kommt es nur zu 33 % zu wachstumsfördernden Maßnahmen. Es gibt Einsparungen, die diese Kosten tatsächlich senken. Insofern wäre ich froh, wenn Sie sich mit uns auf den Weg begäben. Man muss nicht gleich alles eins zu eins umsetzen.

Liebe Vertreterin von der FDP, gucken Sie sich das nächste Mal die Gesetzentwürfe, die hier zur Debatte stehen, richtig an, damit Sie nicht von falschen Daten ausgehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich der Frau Abgeordneten Antje Jansen das Wort.

(Gerrit Koch [FDP]: Auch noch?)

Ich bin ja bei Ihnen, liebe Grüne und lieber SSW. Wir haben viele Baustellen. Wir müssen eine Qualitätsoffensive machen. Wir brauchen kleine Gruppen in den Kindergärten. Wir müssen die Zahl der Plätze in Kindergärten und Krippen ausweiten. Das müssen wir alles bis zum Jahr 2013 machen, bis wir dann 35 % Krippenplätze vorhalten. Das müssen wir schaffen. Das schaffen wir aber nur dann, wenn die Landesmittel dafür erhöht werden. Wir haben 60 Millionen € Landesmittel. Sie werden nicht aufgestockt. Die Kommunen selber sind finanziell belastet. Sie können sich eine Ausweitung mit großem finanziellen Aufwand nicht leisten.

(Zuruf der Abgeordneten Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Frau Erdmann, es gibt natürlich mehrere Baustellen. Uns geht es ganz einfach um Folgendes: Es gibt auch in Schleswig-Holstein viele Eltern, die ihre Kinder nicht in den Kindergarten schicken, weil sie es nicht bezahlen können. Es gibt eine Beitrags

freiheit für Hartz-IV-Empfänger. Sie müssen trotzdem noch 8 € dazuzahlen. Für uns ist der erste Schritt zu sagen: Wir gehen da ran. Über die Beitragsfreiheit von Kindergartenbesuch ist hier ja schon länger diskutiert worden, schon zu Zeiten, als wir noch nicht im Parlament waren.

Der erste Schritt für uns ist die Beitragsfreiheit, weil es die Eltern entlastet. Und die Eltern müssen entlastet werden. Wir wollen, dass alle Kinder, vielleicht auch einjährige Kinder und zweijährige Kinder, beitragsfrei in den Kindergarten gehen können, ohne dass nach Kosten gefragt wird. Das ist unser erster Schritt.

Qualitätsoffensive. Da kann ich Sie unterstützen. Wir werden Ihren Anträgen zustimmen. Wir werden selber Anträge einbringen. Wir meinen auch, die Qualität der Bildung muss verbessert werden.

Zur Essensfrage. Die CDU-Kollegin hat gesagt, wir seien nicht in der Realität angekommen. Gehen Sie doch einmal an die Schulen! Gucken Sie sich einmal an, wo es Essensangebote gibt! Es gibt kein kostenfreies Essen in Schleswig-Holstein. Alle Eltern, auch finanzschwache Familien, müssen immer noch 1 € pro Mahlzeit hinzuzahlen. Es gibt viele Eltern, gerade Hartz-IV-Empfänger, die sich diesen Euro pro Mahlzeit nicht leisten können. Es gibt Schulen, in denen es zwei Essensräume gibt. In einem Essensraum sitzen diejenigen Kinder, deren Eltern das Geld bezahlen können. Die essen.

Dann gibt es einen zweiten Essensraum, in dem die Kinder - so sage ich es immer – „abgefrühstückt“ werden. Sie bekommen von Ehrenamtlichen Obst oder ein bisschen Brot zur Verfügung gestellt. Noch einmal: Das sind die Kinder der Eltern, die sich die Bezahlung des Essens nicht leisten können.

Deshalb sagen wir: Das Essen muss kostenfrei sein, und zwar für alle. Auch Kinder gutsituierter Eltern könnten dann kostenfrei essen.

Es gibt auch eine Neiddebatte. Nachher wird einer Hartz-IV-Familie gesagt: Ihr habt ein Auto, aber das Essen könnt ihr nicht bezahlen.

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja. - Solche Debatten möchten wir hier nicht führen. Deshalb fordern wir kostenfreies Essen für alle.

(Beifall bei der LINKEN)

(Ulrich Schippels)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Dr. Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Von Bismarck stammt bekanntlich der Satz: „Politik ist die Kunst des Machbaren.“ Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE scheint den Versuch darzustellen, diese Erkenntnis des früheren Reichskanzlers zu widerlegen. Das betrifft vor allem die gigantischen Kosten, die damit verbunden wären, aber auch die praktische Umsetzbarkeit.

Sie von der Fraktion DIE LINKE fordern nichts weniger als eine komplett beitragsfreie Kinderbetreuung für jedes Alter für acht Stunden täglich mit einer kostenfreien und vollwertigen Mittagsverpflegung, Letzteres auch an allen Schulen. Damit stampfen Sie eine staatliche Vollversorgung für alle Familien aus dem Boden, also auch für die große Mehrheit, die nicht auf öffentliche Unterstützung angewiesen ist.

Die Kosten dürften sich nach unserer Einschätzung auf deutlich über 400 Millionen € belaufen. Die Position „Mittagsversorgung an den Schulen“ hat Frau Kollegin Spoorendonk vorhin auf 24 Millionen € beziffert. Die Finanzierung der Kindergartenmittagsversorgung käme ebenso dazu wie die Beitragsfreiheit, die allein bei einer fünfstündigen Betreuung auf 118 Millionen € hinausliefe. Sie aber sehen sogar die Beitragsfreiheit für eine achtstündige Betreuung vor.

Sie planen mit Mitteln, die es nicht gibt, es sei denn, das Land würde sich weiter hoch verschulden nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“. Das können Sie doch eigentlich nicht wollen. Damit würden auch die Chancen jener Menschen beschnitten, denen Sie eigentlich helfen wollen.

Auf die verschiedenen technischen Mängel des Gesetzentwurfs haben die Kolleginnen, die dazu gesprochen haben, schon im Einzelnen hingewiesen. Das kann ich mir jetzt schenken.

Meine Damen und Herren, möglichst geringe Belastungen für die Eltern wünschen wir uns sicherlich alle. Aber ich halte es nicht für erstrebenswert, dass der Staat die Rolle des Vollversorgers übernimmt, bis hin zur Vorgabe der Vollwertnahrung.

Schließlich weise ich darauf hin, dass es hilfreich wäre, sich mit den potenziellen Abnehmern eines kostenfreien Mittagessens zu beschäftigen. Unsere

bisherigen Erfahrungen lassen jedenfalls nicht erwarten, dass die Mehrheit der Kita- und der Schulkinder ein kostenfreies Mittagessen überhaupt in Anspruch nehmen würde. An den offenen Ganztagsschulen ist ein Mittagsangebot jetzt schon Pflicht. Nach einem Prüfbericht des Landesrechnungshofs vom vergangenen Jahr nehmen im Durchschnitt 37 % der Schülerinnen und Schüler an den offenen Ganztagsschulen daran teil. Warum fast zwei Drittel der Kinder das Angebot nicht wahrnehmen, ist nicht bekannt. Es liegt jedenfalls nicht zwangsläufig am Preis.

(Lachen bei der LINKEN)

Einen direkten Zusammenhang zwischen der Nachfrage und dem Preis konnte der Landesrechnungshof in seiner Untersuchung schlicht nicht erkennen. Ich will das an einem Beispiel deutlich machen: An der Schule mit dem höchsten Preis, der Grundschule Bickbargen - Preis pro Mittagessen: 3,15 € -, nahm über die Hälfte der Ganztagsschüler das Mittagsangebot wahr. Diese Teilnehmerquote ist fast doppelt so hoch wie an der Schule mit dem günstigsten Preis, dem Schulzentrum Schönberg - Preis pro Mittagessen: 1,50 €.

Meine Damen und Herren der Fraktion DIE LINKE, aus Ihrem Gesetzentwurf ist nicht ersichtlich, dass Sie sich mit solchen Fakten auseinandergesetzt haben. Stattdessen scheint es Ihnen hier nur um den populistischen Effekt zu gehen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 17/179 (neu) dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Die Ausschussüberweisung ist einstimmig beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 28 auf:

Umsetzung der EU-Ostseestrategie in SchleswigHolstein

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/159

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Anette Langner von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Oktober 2009 hat der Europäische Rat die EU-Strategie für den Ostseeraum angenommen und die Schlussfolgerungen des Rates gebilligt. Zu den Zielen der Ostseestrategie zählen die Sicherstellung einer nachhaltigen Umwelt, die Steigerung des Wohlstandes, die Verbesserung der verkehrstechnischen Zugänglichkeit und Attraktivität sowie die Gewährleistung der Sicherheit der Region.

Um die damit verbundenen enormen Herausforderungen deutlich zu machen, muss man sich ein paar Fakten vor Augen halten: Acht der neun Ostseeanrainer sind EU-Mitglieder. Mit Russland gilt es kontinuierlich einen weiteren Partner mit ins Boot zu holen. Deshalb müssen Strategien zur Ostseepolitik so entwickelt werden, dass Kooperationen mit anderen möglich sind.

Im Einzugsbereich der Ostsee leben circa 90 Millionen Menschen. Ökonomisch gliedert sich die Region in einen wohlhabenden und technisch hochinnovativen Norden und Westen mit modernen Verkehrswegen und einer gut ausgebauten Infrastruktur und einen weniger gut erschlossenen Osten und Süden. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung hat auch die Gefährlichkeit der auf der Ostsee transportierten Güter zugenommen. Allein zwischen 2000 und 2007 hat sich der Öltransport mehr als verdoppelt. Für die nähere Zukunft wird eine Zunahme der Flüssigtransporte erwartet. Mögliche Umweltgefahren bei der Verwirklichung der NordStream-Pipeline sind noch zu prüfen. Die Europäische Union unterstützt die Ostseeanrainer in der aktuellen Finanzperiode bis 2013 im Rahmen der Kohäsionspolitik mit circa 50 Milliarden €.

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der EU-Ostseestrategie geht die Europäische Union neue Wege in der Regionalpolitik. Und das macht die Bedeutung der Ostseestrategie besonders deutlich: Zum ersten Mal macht die EU Politik nicht für ganz Europa, sondern für eine Großregion. Dieser makroregionale Ansatz macht den Ostseeraum zum Modell für andere Regionen in Europa, wie die Donau-Region und aktuell die Nordsee. Der Umsetzungszeitraum ist auf das Jahr 2020 ausgerichtet.

Es wird nicht um den Aufbau neuer Organisationen gehen - auch das ist eine Besonderheit der Strategie -, sondern auf die Nutzung vorhandener Struk

turen ankommen. Für die existierenden Netzwerke, Organisationen und Institutionen bietet sich jetzt die Chance, das Profil zu schärfen, Ziele und Aufgaben genauer zu definieren und eventuell bestimmte Aktivitäten einzustellen. Nicht alle können alles machen. Vernünftige und abgestimmte Kooperationen sind für die Ostseeregion der Weg in die Zukunft.

Die Kommission hat einen Aktionsplan mit 15 Prioritäten und mehr als 80 konkreten Projekten definiert, um die Strategie umzusetzen. Deutschland koordiniert das Teilziel ,,Erhaltung der Natur und der biologischen Vielfalt“.

Auch Schleswig-Holstein hat sich in den vergangenen Jahren in den Konsultationsprozess sehr aktiv mit eigenen Vorschlägen und Projekten eingebracht. Dieser Hinweis sei mir gestattet: Es ist ein großer Erfolg der Europapolitik des früheren Europaministers Uwe Döring, dass unser Projektvorschlag ,,Clean Baltic Shipping“ als Flaggschiff-Projekt in den Aktionsplan aufgenommen wurde.

(Beifall bei der SPD)