Neben dem „Fünf-Punkte-Aktionsplan für eine saubere Ostseeschifffahrt“ hat mit dem Ostseegeschichtsbuch ein weiterer Vorschlag SchleswigHolsteins seinen Niederschlag in der EU-Ostseestrategie gefunden. Wir brauchen gerade diese Projekte, um zu einer gemeinsamen Identität in der Ostseeregion beizutragen. Ich finde es sehr gut, dass es Überlegungen gibt, dieses Projekt mit dem Jugendprojekt für das Parlamentsforum „Südliche Ostsee“ zu verknüpfen, weil es auch zu einer gemeinsamen Identität in der Ostseeregion gehört, Jugendliche zusammenzubringen und an dieser gemeinsamen Vision mitarbeiten zu lassen.
Die Ostsee ist in den vergangenen 20 Jahren von einem trennenden Meer zu einer verbundenen Region geworden. Grenzüberschreitende Arbeitsmärkte entstehen. Es gilt, enorme wirtschaftliche Potenziale auszubauen. Wir erleben das in den Regionen um Kopenhagen und Malmö, zwischen Helsinki und Tallinn. Wir haben die große Hoffnung, dass dies auch in der Fehmarnbelt-Region entstehen wird. Das wird aus meiner Sicht die Nagelprobe für die Akzeptanz der festen Belt-Querung in der Region werden.
Wir müssen aber immer ein besonderes Augenmerk darauf haben, dass bei grenzüberschreitenden Arbeitsmärkten die Interessen von Arbeitnehmerin
nen und Arbeitnehmern nicht unter die Räder kommen. Deshalb gilt unser besonderes Augenmerk auch den Informationszentren für Grenzpendler. Einen weiteren Beitrag zur sozialen Dimension stellt das von der EU geförderte und von Gewerkschaften und Arbeitgebern getragene Baltic Sea Labour Network dar. Das sollten wir weiter unterstützen und voranbringen.
Der Europäische Rat hat in seinen Schlussfolgerungen alle Akteure aufgefordert, rasch zu handeln. Das richtet sich natürlich in erster Linie an die nationalen Regierungen. Ich sage aber auch, dass wir für Schleswig-Holstein die Verpflichtung haben, die Dinge, die wir gut auf den Weg gebracht haben, weiter erfolgreich voranzubringen.
Ich hätte hier noch diverse Punkte erwähnen können; leider fehlt mir die Zeit dazu. Ich fordere aber die Landesregierung auf, den guten Weg, den Schleswig-Holstein in der Kooperation und beim Voranbringen der Ostseekooperation gegangen ist, auch weiter zu gehen und dafür zu sorgen, dass wir auf diesem Kurs und diesem Weg bleiben.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe ja bei der gestrigen Debatte um die Umbenennung des Europaausschusses gelernt, dass es bei einem Antrag nicht so sehr darauf ankommt, was dabei rumkommt, welche Folgen er hat, sondern vor allen Dingen, wie er gemeint ist. Deswegen will ich zunächst einmal sagen, bevor wir in falsches Fahrwasser geraten: Dieser Antrag ist gut gemeint, dafür auch mein Lob.
Dieser Antrag ist sogar so gut gemeint, dass ihm jeder zustimmen kann. Genau das ist auch das Problem des Antrags, er bleibt nämlich - vorsichtig formuliert - etwas an der Oberfläche und zählt im Grunde die Überschriften des Aktionsprogramms zur Ostseestrategie auf. Ich denke, man könnte an dieser Stelle - wir müssen nicht gleich eine Enquetekommission dazu gründen - noch viele andere
- ob in der Enquetekommission oder in einem dann umbenannten Ausschuss -, dass hier einige Dinge in den Mittelpunkt gestellt werden und andere nicht, denn Sie haben ja selbst gesagt: Es sind rund 80 Projekte in dem Aktionsprogramm enthalten. Ist es wirklich sinnvoll, dass wir uns sozusagen selbst verpflichten und uns auf einige wenige Projekte beschränken? Warum ist beispielsweise das Thema Schienenverkehr im Ostseeraum - ein ganz vernachlässigtes Thema - nicht darin enthalten?
Ich will auch darauf hinweisen, dass wir heute immer wieder betont haben, wie ernst wir uns als Parlament nehmen sollten. Wir haben in der - ich glaube - vorletzten Debatte gemeinsam, interfraktionell - ursprünglich auf Antrag der SPD - beschlossen, dass die Landesregierung zeitnah zur Ostseestrategie berichten soll. Aber vorher legen wir schon einmal die Schwerpunkte fest? Das halte ich nicht für sinnvoll.
Ich denke, wir sollten die Gelegenheit im Ausschuss nutzen, den Antrag noch etwas zu erweitern - ich würde natürlich sagen, zu verbessern; ich habe dazu auch einige Vorschläge zu machen und will auf einige Punkte hinweisen.
Dass wir erhebliche Probleme haben, ist angesprochen worden. Wir könnten auch noch etwas ins Detail gehen. Was beispielsweise Umweltprobleme angeht, sollten wir schon sagen, dass das größte Problem die Bedrohung der Biodiversität durch den Eintrag von Phosphaten und Nitraten ist und dass wir da eine Vorreiterrolle spielen sollten. Wir sollten darauf hinweisen, dass es eine Menge zu tun gibt. Ich will nur einige Punkte nennen:
Das Kernproblem wird sein, das haben Sie auch angedeutet, dass wir uns überlegen, die vorhandenen Ressourcen institutionell und finanziell dabei besser zu bündeln. Dabei müssen wir uns auch überlegen, wie das evaluiert werden kann, denn eine kritische Betrachtung der bisherigen Arbeit einiger Institutionen muss auch dazu führen - auch was Be
richte und Aktionspläne der EU anbetrifft -, zu erkennen, dass diese wenig erfolgreich waren. Diese kritische Bemerkung sei erlaubt. Daran gliedert sich die nächste Kernfrage an, nämlich: Wie kann man politisch eine gemeinsame Agenda formulieren? Das wird zwar von der Ostseestrategie gefordert, ist aber natürlich unsere Aufgabe. Auch dazu wird in dem Antrag nichts gesagt.
Dann müssen wir uns darüber unterhalten - es ist ja in der Tat eine Initiative, die weit über die bisherige EU-Regionalpolitik hinausgeht -, wie wir neben der horizontalen Gewaltenteilung in den Ebenen auch eine vertikale Ebene einziehen können, unter Einbeziehung nicht nur der regionalen und nationalen Stellen, sondern auch der Nichtregierungsorganisationen oder - wie Sie vielleicht sagen würden Teilen der Zivilgesellschaft; darauf können wir uns auch gern einigen.
Dann wäre der nächste Schritt, sich zu überlegen, wie der Ostseeraum außenpolitisch Relevanz erlangen kann, denn das muss er; das wird von der Ostseestrategie auch ausdrücklich gefordert. Es bedeutet in allererster Linie: Wie gehen wir mit Russland um? Das muss in einen Antrag zur Ostseestrategie unseres Landtages unbedingt hinein. Das ist ein zentraler Punkt. Sie haben ihn zwar genannt, er ist aber im Antrag nicht enthalten.
Dann fällt mit natürlich schon auf, dass die Punkte, die hier genannt werden - das mag Zufall sein - exakt die Punkte sind, die Schleswig-Holstein selbst in die Verhandlungen eingebracht hat, zum Beispiel das Ostseegeschichtsbuch, wie Clean Baltic Shipping, wie gerade das Anerkennen von Berufsabschlüssen diesseits und jenseits der Grenzen. Das sind ja die Dinge, die die Landesregierung - auch die gemeinsam geführte Landesregierung der vergangenen Legislaturperiode - eingebracht hat. Insofern, finde ich, reicht es nicht, wenn der Landtag die Landesregierung sozusagen auffordert, das zu tun, was sie ohnehin macht. Wir sollten eigene Impulse zusätzlich einbringen.
Ich will abschließend noch darauf hinweisen, dass wir natürlich auch auf nationaler Ebene eine ganze Menge zu tun haben, nicht nur in Deutschland, sondern beispielsweise auch in Polen. Wenn Sie sich mit polnischen Vertretern unterhalten, fällt doch auf, dass außerhalb der unmittelbaren Ostseeregionen ein relativ geringes Interesse vorherrscht. Wenn wir das erledigt haben, können wir uns auch noch als Liebhaber der Europäischen Union darüber unterhalten, wie der Modellcharakter noch in besonderer Weise gefördert werden kann. Das Stichwort Donauregion haben Sie genannt. Als Europapoli
tiker sollten wir - auch wenn Sie vielleicht Vegetarier sind - der Suppe auch etwas Fleisch hinzufügen, um nicht nur Deklarationen und Allgemeinplätze zu verkünden, sondern tatsächlich Konkretes zu tun. Dann wird die Akzeptanz der Europapolitik in diesem Hause insgesamt wohl etwas steigen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Ostseestrategie ist es erstmals gelungen, eine Strategie auf makroregionaler Ebene zu verabschieden. Die Strategie, so wie sie in dem dazugehörigen Aktionsplan umgesetzt ist, ruht auf vier Säulen sowie einer Reihe übergreifender horizontaler Maßnahmen, welche die dringlichsten Probleme der Ostseeregion auf den Gebieten Umwelt, Wirtschaft, Infrastruktur und Sicherheit zu erkennen und zu bewältigen versuchen.
Wir müssen die Ostseestrategie auf zwei Ebenen betrachten. Zum einen ganz grundsätzlich: Mit der Ostseestrategie liegt ein neues und innovatives Instrument vor, da sie über den Rahmen der klassischen EU-Regionalpolitik hinausweist. Sie signalisiert die Entstehung einer neuen Politikebene innerhalb der Europäischen Union, die zwischen Nationalstaat und supranationaler Gemeinschaft angesiedelt ist. Diese Strategie kann Vorbildcharakter für weitere Regionen haben - eine Regionalstrategie für die Donauregion ist ja bereits im Gespräch. Wir können die Strategie dazu nutzen, die Ostseeregion letztlich zu einer Art Kerneuropa in der nördlichen Peripherie weiterzuentwickeln, müssen hierfür aber Geduld mitbringen, da sich der Erfolg der Strategie frühestens in mittelfristiger Perspektive zeigen wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kooperation hat in der Ostseeregion eine lange Tradition. Es gibt bereits eine Fülle transnationaler Netzwerke, Organisationen und Institutionen, die auch außerhalb der Strukturen der Union bestehen. Die Ostseeregion hat ja bereits die Reputation als Laboratorium und Vorbild transnationaler Kooperation. Kooperation muss aber zielführend sein. Die Unübersichtlichkeit der verschiedenen Verflechtungen wird zunehmend
als Schwäche erkannt. Es gibt sogar Stimmen, die von Stagnation im Bereich der regionalen Zusammenarbeit sprechen. Die Ostseestrategie bietet hier einen neuen Impuls, um das Profil verschiedener Institutionen zu schärfen und durch ihre Schwerpunktsetzung Ziele und Aufgaben deutlicher zu formulieren. Folge der Strategie darf es aber nicht sein, dass Doppelstrukturen geschaffen werden und bei der Umsetzung zum Beispiel durch umständliche Berichtspflichten die Bürokratisierung weiter vorangetrieben wird.
Betrachten wir die andere Ebene, welche selbstverständlich den spannenderen Teil ausmacht! Hier stellt sich die Frage, wie die Strategie ganz konkret für Schleswig-Holstein genutzt werden kann.
Die verschiedenen Säulen des Aktionsplans wurden mit ihrer nachvollziehbaren Schwerpunktsetzung bereits angesprochen. Gleichwohl muss an dieser Stelle auch Kritik erlaubt sein. Die FDPLandtagsfraktion hätte sich gewünscht, dass die Themen Bildung, Forschung und Kultur als eigenständige Säule Einzug in die Strategie gefunden hätten. Einige Maßnahmen sind zwar im Wirtschaftsteil des Aktionsplanes verankert, aber aus unserer Sicht wäre es gerechtfertigt gewesen, diesen Bereich zu einem eigenständigen fünften Schwerpunkt zu erheben.
Grundsätzlich ist es auch schwer zu verstehen, warum sich frühere Landesregierungen nicht stärker in den Konsultationsprozess zur Ostseestrategie mit eingeschaltet und die Interessen SchleswigHolsteins durch eigene Stellungnahmen dokumentiert haben.
Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern hatten damit keine Schwierigkeiten. Dies zeigt, welche Bedeutung Europapolitik bisher hatte.
Meine Herren und Damen, die Richtung muss klar sein: Die Ostseeregion, die quasi ein EU-Binnenmeer darstellt, muss zu einem modernen Wissensund Informationsraum ausgebaut werden. Weiterhin müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, bestehende Schranken und Hindernisse zu überwinden, damit der Ostseeraum zu einer aktiven und pulsierenden Wirtschaftsregion wird. Dies kann nur auf Basis einer integrierten Meerespolitik geschehen, wie sie durch die Helsinki-Kommission beschlossen wurde und erneut in der Ostseestrategie aufgegriffen wird.
Die Interessen Schleswig-Holsteins - verschiedene Projekte, die hier interessant erscheinen, wurden ja schon genannt - müssen genau definiert werden, um dann ausgewählte Projektstränge aus dem Aktionsplan in Zusammenarbeit mit unseren Partnern im Ostseeraum umzusetzen.
Das Feld ist bereitet. Wir müssen die sich uns bietenden Möglichkeiten nutzen. Wir sehen die Ostseestrategie als Chance, die neue Impulse im Bereich der Ostseekooperation setzt. Aber noch einmal: Bestehende Strukturen müssen hierfür genutzt und weiterentwickelt werden, und die Strategie darf kein Ansatzpunkt für weitere Bürokratisierung sein.