Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 5. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Mir liegt eine Abmeldung aus Krankheitsgründen vor: Die Abgeordnete Frau Petra Nicolaisen hat sich aus gesundheitlichen Gründen entschuldigt.
Meine Damen und Herren, der Innen- und Rechtsausschuss hat Ihnen mit Drucksache 17/295 eine Beschlussempfehlung zum Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht betreffend der Wahlprüfungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landtags über die Gültigkeit der Landtagswahl vorgelegt, die in dieser Tagung aufgerufen werden soll. Ich schlage Ihnen vor, diese Beschlussempfehlung als Punkt 48 A in die Tagesordnung einzureihen und ohne Aussprache zu behandeln. - Ich höre keinen Widerspruch; dann werden wir so verfahren.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 10, 14, 16, 17, 19, 20, 23, 25, 32, 37, 42 sowie 47 und 48 ist eine Aussprache nicht geplant. Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Tagesordnungspunkte 13, 15, 21, 38, 44 und 50. Der Antrag zu Tagesordnungspunkt 34 wurde von den Antragstellern zurückgezogen.
Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 22, 33, 36 und 46, Schaffung und Erhalt der Optionskommunen, Grundgesetzänderung notwendig, Zukunft der ARGEn sichern, unverzügliche Neuordnung der Trägerschaft im SGB II und Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen aus einer Hand erhalten. Ein Antrag zu einer Fragestunde liegt nicht vor.
Wann die weiteren Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratungen in der 5. Tagung.
Wir werden heute und morgen jeweils unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause längstens bis 18 Uhr tagen. Am Freitag ist keine Mittagspause vorgesehen, da die Sitzung voraussichtlich um
Auf der Zuschauertribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler sowie deren Lehrkräfte von der Humboldt-Schule, Kiel, sowie vom Thor-HeyerdahlGymnasium, Kiel. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesverfassungsgericht hat am 9. Februar 2010 eine - wie ich meine - fundierte und weitreichende Entscheidung zu den Regelsätzen von Hartz IV getroffen und damit etwas korrigiert und für verfassungswidrig erklärt, was durch Rot-Grün das muss betont werden: durch Rot-Grün-Gesetz geworden ist.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat der Staat, hat der Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum für die Festlegung des Existenzminimums, das heißt für die Festlegung des Bedarfs, der notwendig ist, um Menschen in Würde in der Gemeinschaft leben zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat erklärt, die bisherige pauschalierte Festsetzung sei ein sachwidriger Maßstabswechsel, die Kürzung der Sätze für Kinder um bis zu 40 % gegenüber den Erwachsenen sei nicht nachvollziehbar, die Ermittlung eines spezifischen Bedarfs für Kinder und Jugendliche sei unterlassen worden, auch blieben insbesondere die notwendigen Aufwendungen für Schulbücher, Hefte, Taschenrechner und so weiter unberücksichtigt, die zum existenziellen Bedarf des Kindes gehörten. Die Sätze seien zwar nicht offenkundig zu niedrig, aber der Gesetzgeber sei verpflichtet - und das ist das Entscheidende -, alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf zu be
Frau Kollegin Heinold, Sie erinnern sich, dass wir anlässlich einer Debatte um die Erhöhung des Kindergeldes einmal beschlossen haben, übrigens damals gegen die SPD, dass bei Hartz IV eine Anrechnung nicht erfolgen soll, weil die Erklärung, es gebe einen höheren Bedarf für Kinder, deshalb müsse das Kindergeld erhöht werden, nicht damit in Übereinstimmung gebracht werden kann, dass das für Hartz-IV-Empfänger nicht gilt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dieser Auffassung, die wir hatten, im Prinzip angeschlossen. Ich erwähne das nur, weil ich darauf zurückkommen will im Hinblick auf die Debatte, die sich angeschlossen hat.
Einige Reaktionen waren - wie ich meine - wiederum verfassungswidrig, insbesondere die Reaktion von Grünen und Sozialdemokraten. Denn die Grünen haben gefordert, den Regelsatz für Erwachsene sofort auf mindestens 420 € zu erhöhen und bei Kindern und Jugendlichen abhängig vom Alter zwischen 280 und 360 € im Monat. Die Sozialdemokraten haben sich dieser Forderung angeschlossen. Das bedeutet 20 Milliarden € für die öffentlichen Haushalte.
Das Prinzip, dass nicht der Bedarf errechnet wird, sondern oben draufgepackt wird, ist damit nicht verändert worden. Das, was das Verfassungsgericht kritisiert, nämlich nicht transparent, nachvollziehbar darzulegen, warum diese Regelsätze entstehen, ist durch diese Forderung nicht erfüllt worden, sondern im Gegenteil perpetuiert worden.
Frau Kollegin Heinold, ich erinnere daran, dass es die Grünen sind, die den Liberalen vorgeworfen haben, mit ihren Steuersenkungsplänen in einer Größenordnung von 20 Milliarden € den Staat auszuplündern, weil die öffentlichen Haushalte auf die Art und Weise ruiniert würden. Erklären Sie mir doch bitte einmal, warum 20 Milliarden € Mehrausgaben für Hartz-IV-Empfänger den Staat nicht ausplündern sollen, aber 20 Milliarden € Entlastung für kleine und mittlere Einkommensbezieher den Staat ausplündern sollen!
Es geht bei den Steuerentlastungen - das wissen Sie - in Höhe von 20 Milliarden €, die noch anstehen, um kleine und mittlere Einkommen, übrigens eine Forderung, der sich die SPD mittlerweile angeschlossen hat, und eine Forderung, die im Übrigen auch von der OECD erhoben wird, die ja die Frage untersucht hat, ob das deutsche Sozialleistungssystem effizient ist.
„Auffällig ist, dass in Deutschland trotz der Hartz-Reformen Langzeitarbeitslose nach wie vor vergleichsweise wenig finanzielle Anreize haben, eine gering bezahlte, aber existenzsichernde Beschäftigung anzunehmen. Das sehr hohe Armutsrisiko der Alleinerziehenden in Deutschland ist vor allem die Folge einer ausgesprochen geringen Erwerbsbeteiligung. Ein Grund dafür ist, dass Anreize zur Arbeitsaufnahme etwa in Form von Freibeträgen im ALG II oder der Minijobs vor allem auf geringfügige Beschäftigung konzentriert sind. Gleichzeitig unterliegen regulär beschäftigte Personen schon bei einem geringen Verdienst einer relativ hohen Steuer- und Abgabenbelastung.“
Nichts anderes ist das, was die Koalitionsfraktionen in Berlin vereinbart haben, CDU und FDP: Steuersenkungen für kleine und mittlere Einkommen, um erstens Erwerbstätigkeit wieder lohnend zu machen und zweitens das Lohnabstandsgebot einzuhalten.
Ich erinnere nur daran, was die Sozialdemokraten einmal geschrieben haben, das Schröder-Blair-Papier, man muss es immer wieder lesen:
„Ein Sozialversicherungssystem, das die Fähigkeit, Arbeit zu finden, behindert, muss reformiert werden… Moderne Sozialdemokraten wollen das Sicherheitsnetz aus Ansprüchen in ein Sprungbrett in die Eigenverantwortung umwandeln. Wir müssen dafür sorgen, dass sich Arbeit für den Einzelnen und die Familie lohnt. Der größte Teil des Einkommens muss in den Taschen derer verbleiben, die dafür gearbeitet haben.“
Herr Kollege Dr. Stegner, in diesem Zusammenhang möchte ich Sie ganz bewusst und persönlich ansprechen, weil das der Anlass für die Aktuelle Stunde war. In Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Schleswig-Holsteins haben Sie getwittert, dass die FDP das gesunde Volksempfinden anspreche und dass der Kollege Westerwelle der Jörg Haider der deutschen Politik sei. Das alles kann noch eine Bewertungsfrage sein, aber Sie haben weiterhin getwittert:
„Die ‚Taz’ titelt: ‚Der Depp der Nation: Guido Westerwelle’. Stimmt nicht: Der ist gefährlich. Buchstabiert FDP = Liberal-marktradikal-asozial!“
Da ich gelesen habe, dass Sie die Sachauseinandersetzung suchen und persönliche Diffamierungen nicht wollen, möchte ich Sie bitten, das klarzustellen, sich dafür zu entschuldigen und es zurückzunehmen.
Ist der Kollege Hildebrand asozial? Ist Frau Loedige asozial? Bin ich asozial? Ich sage ihnen, dass der Begriff „asozial“ ein nationalsozialistischer Kampfbegriff ist. Als Sozialwissenschaftler wissen Sie das. Er wurde 1937 erfunden, um „Rasseschädlinge“ aus der Volksgemeinschaft auszugliedern. Ich bitte Sie, das klarzustellen.
Meinen Sie, dass die 14 Abgeordneten der FDPFraktion, die hier sitzen, Asoziale sind? Wenn Sie das meinen, dann sagen Sie das, und wenn Sie es nicht meinen, korrigieren Sie es hier und heute, oder kein Liberaler wird jemals mehr mit Ihnen sprechen.
Für die CDU-Landtagsfraktion erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im weiteren Sitzungsverlauf haben wir noch einige Male die Möglichkeit, über die Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV, zu der Frage der Arbeitsvermittlung im Allgemeinen, zu reden. Ich will dies hier an dieser Stelle nicht speziell tun. Ich will aber auf die Debatte ein
gehen, die wir im Augenblick in der Bundesrepublik haben. Sie ist ja eine Debatte, die sich zwar an dem Urteil entzündet hat, die aber in ihrer Wirkung, auch in ihrer öffentlichen Breite, natürlich viel weiter reicht. Es geht um einen Debattenbeitrag unseres Bundesaußenministers, der von der altrömischen Dekadenz gesprochen hat.
In meiner Jugend habe ich mich einmal sehr stark für römische Geschichte interessiert. Von Edward Gibbons habe ich auch „Aufstieg und Fall des Römischen Reiches“ gelesen.
- Vielen Dank. Ich sehe, dass sich hier auch andere Bewanderte befinden. - Diese Dekadenztheorie spielt dort in der Tat eine große Rolle. Entwickelt hat sie übrigens kein Geringerer als Montesquieu, der auch einmal geglaubt hatte, dass sich so Aufstiege und Niedergänge von Gesellschaften vollzögen.
Interessant ist es dann nachzulesen, was die moderne Forschung über den Niedergang des Römischen Reiches sagt. Sie sagt, er sei nicht monokausal, sondern er habe mehrere Ursachen. Wenn man sich mit diesen Ursachen beschäftigt, stößt man auf drei Hauptstränge, die verantwortlich gemacht werden.