Frau Kollegin Loedige, jetzt redet der Präsident. Ich weise den Vorwurf an die Kolleginnen und Kollegen des Schleswig-Holsteinischen Landtags zurück, es handele sich hier um unerzogene Kinder. Es sind frei gewählte Abgeordnete, die allesamt ihrer Arbeit nachkommen.
Sie haben uns seit Dezember letzten Jahres vorgeworfen, dass wir nicht arbeiten. Die Haushaltsstrukturkommission als ein internes Gremium hat gearbeitet und wird Ihnen am nächsten Mittwoch vorstellen, welche Vorschläge die regierungstragenden Fraktionen zur strukturellen finanziellen Veränderung dieses Landes haben. Darauf werden Sie warten müssen. Es ist ja nicht so schlimm, noch weitere 48 oder 84 Stunden zu warten und in der nächsten Landtagstagung im Juni darüber zu debattieren. Selbstverständlich wird das Haushaltsrecht eingehalten. Selbstverständlich werden wir auch im Finanzausschuss darüber zu reden haben. Wir werden im Bildungsausschuss, im Sozialausschuss und im Umwelt- und Agrarausschuss über einige Punkte zu reden haben. Es sind Vorschläge dieser Landtagsfraktionen, und ich bitte Sie einfach nur, bis Mittwoch zu warten.
Sie werden heute zu diesem Tagesordnungspunkt keine Antworten bekommen. Niemand wird eine Antwort bekommen. Das ist ganz einfach.
Wir können Ihnen nur zusagen, dass wirklich ganz viele Themen angesprochen werden. Mehr wird heute nicht kommen, aber wir haben gearbeitet. Seit Dezember werfen Sie uns vor, dass wir nicht gearbeitet hätten. Wir machen Ihnen Vorschläge, und wir sind dann gespannt auf Vorschläge von dieser Seite, die ja jetzt einfach nicht mehr zuhört.
Es ist Ausschussüberweisung beantragt. Es ist beantragt worden, die Anträge Drucksachen 17/523 und 17/534 dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen?
Abschiebungen in das Kosovo aussetzen - Roma und Ashkali dürfen nicht in eine unzumutbare Situation abgeschoben werden!
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Mit dem Änderungsantrag Drucksache 17/559 wird ein mündlicher Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst
darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Dann ist einstimmig so beschlossen worden.
Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Justiz, Gleichstellung und Integration, Herrn Emil Schmalfuß, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag soll die Landesregierung aufgefordert werden, alle Wege zu nutzen, damit keine Roma und Ashkali in das Kosovo abgeschoben werden, und zudem alle Möglichkeiten für eine Aufenthaltsverfestigung auszuschöpfen, um einen sicheren Aufenthaltsstatus für die Betroffenen erwirken. Wir diskutieren diese Frage im Zusammenhang mit dem zwischen Deutschland und dem Kosovo geschlossenen Rückübernahmeabkommen, zu dem die Landesregierung bereits eine Kleine Anfrage beantwortet hat.
Zudem haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag einen Antrag eingebracht, der ebenfalls auf eine Aussetzung der Zwangsrückführung von Minderheiten in das Kosovo abzielt, die ist gekoppelt mit einer Aufenthaltsgewährung aus humanitären Gründen. Hier hin, in den deutschen Bundestag, gehört auch die Thematik des Minderheitenschutzes im Kosovo und damit die Frage von Rückführung oder Abschiebungsschutz.
Ich kann einen Abschiebungsstopp - sei es als solitäre schleswig-holsteinische Kurzzeitlösung oder über die Innenministerkonferenz - nicht initiieren. Da Sie mit Ihrem Antrag auch Informationen über die Anzahl potenziell Betroffener abfragen, will ich die aktuelle Situation gern einmal skizzieren. Aus dieser wird sich auch meine ablehnende Haltung zu dem gestellten Antrag erklären.
Mit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Februar 2008 wurde der Weg für die Verhandlung eines Rückübernahmeabkommens eröffnet, das nach langwierigen Verhandlungen am 14. April 2010 unterzeichnet wurde. Im Abkommen werden die Voraussetzungen und technischen Einzelheiten für eine Rückübernahme einschließlich der Verfahren und des Vollzuges von Rückführungen geregelt. Damit entspricht es den europäischen Standards, wie sie in vergleichbaren Abkommen festgelegt wurden.
Bundesinnenminister de Maizière hat im April betont, dass Deutschland keine Massenabschiebungen plant, sondern auch künftig die Politik der schrittweisen Rückführung fortsetzen werde. Die Möglichkeit der Rückführung auch von Romaangehörigen war schon Ende April 2009 eröffnet worden, nachdem der Text des Abkommens bereits ausverhandelt war, zu diesem Zeitpunkt gemacht.
In dem Zusammenhang hatte die kosovarische Seite das Einverständnis erklärt, dass auch Minderheitenangehörige der Roma zurückgeführt werden können. Diese waren zuvor - bis auf wenige Ausnahmen - von Rückführungen ausgeschlossen. In der Öffentlichkeit wurde die Besorgnis artikuliert, wonach es zu Massenabschiebungen von 10.000 hier lebenden Minderheitenangehörigen kommen würde.
Wie stellt sich nun die Praxis dar? - Ich habe keinen Zweifel daran, dass in allen Ländern das Rückübernahmeabkommen einschließlich des abgestimmten Prozederes für die Stellung und Übermittlung von Rückübernahmeersuchen beachtet wird. Danach soll bundesweit - erstens - die Zahl der Ersuche bis auf Weiteres jährlich 2.500 nicht übersteigen, zweitens bei der Stellung der Ersuchen auf ein angemessenes Verhältnis der verschiedenen Ethnien geachtet werden, und - drittens - bei dem bisher von Rückführungen ausgenommenen Personenkreis dafür Sorge getragen werden, dass sich dieser geografisch auf die infrage kommenden Gebiete im Kosovo verteilt. Ziel ist es, die dortigen Kommunen nicht in ihren Reintegrationsbemühungen zu überfordern.
Darüber hinaus wurde in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe “Rückführung” vereinbart, bei der schrittweisen Rückführung Personen wie Alte, Kranke, Pflegebedürftige oder alleinerziehende Mütter zunächst zurückzustellen.
Um wie viele Personen geht es tatsächlich? - Die Zahl der ausreisepflichtigen, aus dem Kosovo stammenden Personen wir in der Regel jährlich durch die Bundesregierung in den Ländern erhoben. Aktuelle Jahresangaben für 2010 liegen noch nicht vor. Zum letzten Stichtag, dem 30. September 2009, betrug die Zahl der ausreisepflichtigen Personen aus dem Kosovo insgesamt 14.947. Davon waren 12.539 Minderheitenangehörige. In SchleswigHolstein halten sich davon 18 Personen auf. Das entspricht einem Gesamtanteil von 0,14 %. Diese Gruppe setzt sich aus 16 Roma, einem Ashkali und einem Serben zusammen. Mehr als ein Drittel aller Minderheitenangehörigen, 4.914 Personnen, halten sich in Nordrhein-Westfalen auf. Auch in Nieder
sachsen, 3.501 Personen, und Baden-Württemberg, 1.758 Personen, wurden erhebliche Personenzahlen gemeldet.
Die Angaben machen deutlich, dass es bundesweit zwar erhebliche Zahlen ausreisepflichtiger Minderheitenangehöriger aus dem Kosovo gibt, Schleswig-Holstein betrifft diese Problematik jedoch in absolut unbedeutender Weise. Es bildet statistisch das Schlusslicht.
Natürlich stehen hinter diesen Zahlen menschliche Schicksale mit dem verständlichen Wunsch nach einer aufenthaltsrechtlichen Legitimierung und einer Perspektive in Deutschland. Anders als in vielen europäischen Staaten gibt es aber keine generelle Anschlussregelung für Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien nach den Kriegen in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts.
Ein bundesweiter Abschiebungsstopp durch die Länder lässt sich unmittelbar nach der außen- und innenpolitisch getroffenen Entscheidung im Bund für ein Rückübernahmeabkommen mit dem Kosovo danach nicht begründen. Das Abkommen ist unter Einbeziehung aller Erkenntnisse, auch sicherheitsrelevante Aspekte wurden dabei berücksichtigt, seitens der Bundesregierung mit dem Kosovo geschlossen worden.
Eine innenpolitische Entscheidung in Form eines Abschiebestopps über die Innenministerkonferenz ist nicht erreichbar. Dies sehen vor allem die zahlenmäßig hauptsächlich betroffenen Bundesländer so. Das Thema steht bislang nicht auf der Tagesordnung.
Ich bin mir mit Innenminister Schlie darin einig, dies für Schleswig-Holstein als Land mit den geringsten Zahlen nicht nachzuholen. Denn die Zahlen sind in Schleswig-Holstein so gering, weil die Möglichkeiten für ein Bleiberecht hier in Schleswig-Holstein immer weit ausgeschöpft wurden.
Im Hinblick auf den sicheren Aufenthaltsstatus, der den Betroffenen aus ihrer Sicht einzuräumen ist, kann und muss auf die im Aufenthaltsgesetz angelegten Möglichkeiten für humanitäre Bleiberechte im Einzelfall verwiesen werden. Die Altfallregelung der §§ 104 a und b Aufenthaltsgesetz und die Anschlussregelung der Innenministerkonferenz standen und stehen auch für Minderheitenangehörige aus dem Kosovo offen. Auch das Verfahren bei der Härtefallkommission kann in den Fällen, in denen dringende humanitäre oder persönliche Gründe den Aufenthalt rechtfertigen, im Einzelfall eine aufenthaltsrechtliche Perspektive bieten. Viele Menschen aus dem Kosovo, die bei uns Schutz ge
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen versichern, dass die Lage im Kosovo ebenso wie die Anwendung des Rückübernahmeabkommens seitens der Landesregierung aufmerksam begleitet werden. Im Bundestag wurde der bereits erwähnte Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an die Ausschüsse überwiesen. Die weitere Diskussion auf bundespolitischer Ebene werden wir hier in Schleswig-Holstein sorgsam begleiten.
Ich danke Herrn Minister Schmalfuß. - Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Frau Abgeordneten Luise Amtsberg von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, kurz etwas zu dem hier gewählten Verfahren der Redenabfolge zu sagen. Wir haben eine andere als ursprünglich vorgesehene Reihenfolge gehabt. Wir haben dem jetzt zugestimmt, weil unsere Alternative denkbar schlechter gewesen wäre. Ich bitte, dieses Verfahren im Ältestenrat zu besprechen. Es ist schwierig, das erste Rederecht durch so einen Änderungsantrag der Landesregierung zu geben. Ich hätte den gängigen Weg besser gefunden. Es ist schließlich nicht die Aufgabe des Ministers, hier die Hausaufgaben der Kolleginnen und Kollegen von der CDU- und FDP-Fraktion zu machen.
Der Bericht hätte auch am Ende unserer Debatte gegeben werden können. Ich habe das Verfahren jetzt nicht verstanden. Vielleicht gibt es aber noch einmal eine Klärung.
Aber darum geht es jetzt hier nicht. Hier geht es darum, warum wir einen Abschiebstopp von Roma und Ashkali fordern. Ich beginne mit ein paar einleitenden Worten, die jetzt ein bisschen hinfällig geworden sind, aber dennoch in meinem Manuskript stehen.
Am 14. April 2010, also vor knapp einem Monat, wurde von der schwarz-gelben Bundesregierung in Berlin ein Rückübernahmeabkommen zwischen Deutschland und dem Kosovo unterzeichnet. Mit
diesem Abkommen wird die ohnehin aus menschenrechtlicher Perspektive scharf zu kritisierende Praxis der Abschiebung von Roma gesetzlich zementiert. Insgesamt betrifft das offensichtlich 10.000 Menschen. In den nächsten Jahren sollen davon jährlich 2.500 Menschen aus Deutschland abgeschoben und an das Kosovo überstellt werden. 2.500 Menschen jährlich, auf einige Jahre verteilt, das macht die Sache in meinen Augen nicht besser.