Protokoll der Sitzung vom 08.09.2010

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Der Haushaltsentwurf und vor allem der Finanzplan machen den Unterschied deutlich. Über Jahrzehnte sind in diesem Haus und in den angrenzenden Ministerien nur Ausgaben gelistet worden, und erst dann ist gefragt worden: woher nehmen wir das Geld dafür? In den letzten fünf Jahren ist der Blick ganz deutlich auf die Einnahmeseite gelenkt worden, und immer wieder wurde ganz klar versucht zumindest von 2005 bis 2008 war der Versuch auch erfolgreich -, die Ausgaben mehr diesen Einnahmen anzupassen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Jetzt wird endlich einmal berücksichtigt, dass die Nettoneuverschuldung, die ja schon über Jahrzehn

te von allen Regierungen gern in Anspruch genommen wird, ein Teil der Einnahmen ist. Wir sagen zum ersten Mal: „Genau diese Einnahmequelle führen wir konsequent über einen Zeitraum von zehn Jahren zurück.“ Das ist der Unterschied in diesem Haushalt, und das wird diesen Haushalt zum Erfolg führen.

(Beifall bei der CDU)

Keinesfalls wird irgendjemand diesen Haushalt sanieren, wenn, wie das ja auch schon angeklungen ist, Einmaleffekte wie zum Beispiel der Verzicht auf die Fehmarnbelt-Querung gegen die ständigen Strukturprobleme eines Haushalts aufgerechnet werden sollen. Eine solche Rechnung geht nicht auf.

Noch in diesem Monat werden wir mit den Einzelplanberatungen im Finanzausschuss beginnen. Daran wird sich die Gesamtberatung anschließen, und im Dezember werden wir dann in zweiter Lesung zur Beschlussfassung kommen. Ich freue mich sehr darauf, weil ich davon überzeugt bin, dass sich die Beratung im Ausschuss an den Positionen und Zahlen orientieren wird und nicht an einer Aneinanderreihung Hunderter plakativer Argumente, wie wir sie heute gehört haben.

Wenn Sie mir die Erteilung eines Rates für die Beratung im Ausschuss erlauben, so sage ich: Suchen Sie im Vorwege nicht zu sehr nach Möglichkeiten, noch mehr Geld ausgeben zu können, sondern beteiligen Sie sich an der Suche nach weiteren Einsparmöglichkeiten. Das ist dringend erforderlich, und das ist der einzige Weg.

(Beifall bei der CDU)

Mit einer ganz breiten Mehrheit - mit Ausnahme der LINKEN - haben wir in diesem Haus die Schuldenbremse beschlossen. Ich rufe Ihnen allen jetzt zu: Passen Sie auf, dass Sie auch an der erfolgreichen Umsetzung teilhaben. Denn dieser Entwurf und die Finanzplanung zeigen den Weg dafür auf.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der FDP, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Sorge, ich werde die dreißig Minuten nicht, auch nicht ansatzweise, ausschöpfen. Aber einige herausragende Bemerkungen meiner Vorredner

(Peter Sönnichsen)

zwingen geradezu dazu, sich hier noch einmal zu Wort zu melden. Frau Vizepräsidentin, Sie können gern auf die Uhr schauen; es wird vier oder fünf Minuten nicht überschreiten.

Der Kollege Stegner als ausgewiesener Ökonom, als Weltökonom - er hat ja in Havard studiert -, hat vorhin erklärt, Steuersenkungen würden per se keine Wachstumseffekte auslösen und würden auch nicht zu Steuermehreinnahmen führen. Er hat ja über das Thema „Theatralik in der Politik“ am Beispiel des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs promoviert. Ich empfehle Ihnen schlicht und ergreifend einmal die Lektüre der Wirtschaftszeitungen der letzten Tage, in denen darüber debattiert wird, dass der Präsident der Vereinigten Staaten, Barack Obama, ein Steuersenkungsprogramm über 100 Milliarden US-Dollar auf den Weg bringen will, um die Binnenkonjunktur anzukurbeln und damit das Wirtschaftswachstum zu festigen, mit der - jedenfalls von ihm so formulierten - sicheren Erkenntnis, dass die Staatseinnahmen auf diese Art und Weise wieder steigen werden.

Nun muss man Herrn Stegner ja nicht mit Herrn Obama vergleichen; das wäre wahrscheinlich verfehlt. Jedenfalls gibt es auch andere Menschen in dieser Welt - Herr Stegner hat ja immer wieder einmal gesagt, er wäre gern der Obama des Nordens -, die das etwas anders sehen als er. Man kann über Effekte von Steuersenkung in bestimmten Bereichen auf das Wirtschaftswachstum durchaus nachdenken. Nicht alle Steuersenkungen führen zu diesen Effekten, aber bestimmte Steuersenkungen haben diese Effekte. - Übrigens war das auch die Begründung, wenn ich das, Frau Heinold, sagen darf, für die Absenkung des Spitzensteuersatzes und die Veränderung der Körperschaftssteuer durch die damalige rot-grüne Regierung unter Führung von Gerhard Schröder. Wenn Sie also Vorwürfe erheben, sollten Sie nicht ganz so martialisch urteilen, wie Herr Kollege Dr. Stegner das getan hat.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Doch, es gab ein Beispiel, bei dem es funktioniert hat. Das waren die Steuersenkungen Mitte der 90er-Jahre, die von Gerhard Stoltenberg durchgesetzt wurden. Diese Steuersenkungen haben noch im selben Jahr zu Steuermehreinnahmen geführt. Noch einmal: Man muss genau gucken, Kollege Weber, welche Steuer jeweils betroffen ist, um die entsprechenden Effekte zu erhalten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Nun komme ich zu dem kleinen Scharmützel zwischen dem Kollegen Habeck und mir von heute Morgen, das wir in Frageform geführt hatten. Die Presseveröffentlichungen der Grünen waren in der Vergangenheit so, dass wir immer gesagt haben: Das ist schlicht und ergreifend falsch gerechnet. Frau Heinold, ich werfe Ihnen und dem Kollegen Habeck nicht vor, dass Sie Tabellen nicht richtig gelesen hätten, dass Sie Zahlen nicht richtig addiert hätten oder eine Systematik nicht richtig verstanden hätten. Sie haben allerdings auch nicht einmal nachgefragt, was damit gemeint ist. Das macht man ja zunächst; man fragt zunächst einmal: Kann da etwas falsch sein? Es kann ja auch einmal vorkommen, dass etwas falsch gedruckt oder falsch aufgeschrieben ist. Aber sich sofort öffentlich zu melden und einen Popanz aufzubauen und zu behaupten, hier werde die Öffentlichkeit getäuscht, Milliardenbeträge würden verschwiegen, ist schon unglaublich. Wenn ich daran denke, dass auf dieser Basis heute Morgen mit einer Verve moralische Ansprüche vorgetragen worden sind, dann gebührte es in der Tat der Anstand, dass Sie sich, sofern Sie dies nachvollzogen haben, dafür entschuldigen. Sie sollten sich schlicht und ergreifend dafür entschuldigen.

(Beifall bei FDP und CDU - Wortmeldung der Abgeordneten Monika Heinold [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

- Ich erlaube die Zwischenfrage sofort, Frau Vizepräsidentin. Ich möchte diesen Satz noch zu Ende führen.

Sie führen sich heute ein bisschen auf wie ein kleines Mädchen, das mit dem Fuß aufstampft und sagt: „Geben Sie doch endlich zu, dass Sie die Steuern erhöhen wollen.“ Das geben wir zu; es steht auch in der Finanzplanung, dass wir die Grunderwerbsteuer erhöhen wollen. Ich habe nicht erst heute und nicht zum ersten Mal gesagt, sondern erkläre dies seit Januar: Es wird mit dieser Regierung unter Beteiligung der FDP keine Steuersenkungen auf Bundesebene geben, bei denen der Bundesrat gefragt werden muss, die dazu führen, dass unser Konsolidierungspfad nicht eingehalten werden kann.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das weiß meine Bundespartei, das weiß die Bundeskanzlerin, das ist Verabredung dieser Koalition, das sollten Sie schlicht und ergreifend einmal zur Kenntnis nehmen.

Ein Letztes zu diesem Punkt, was die Veränderung von Ausnahmetatbeständen bei der Mehrwert

(Wolfgang Kubicki)

steuer angeht. Frau Heinold, wir haben zusammen im Finanzausschuss gesessen. Wir haben zusammen eine gemeinsame Entschließung unterschrieben und verabschiedet, wonach die Landesregierung aufgefordert wird - jetzt sind wir beteiligt und tun das auch -, dafür Sorge zu tragen, dass die Ausnahmetatbestände bei der Mehrwertsteuer verringert werden.

(Zuruf von der CDU: Das ist auch richtig!)

Wenn wir das jetzt machen, so wäre, Herr Fürter, auch in Ihrer Argumentation ein bisschen Seriosität angebracht. Wenn wir das jetzt machen, so kann das doch nicht den Vorwurf beinhalten, wir würden Steuererhöhungen das Wort reden, auch wenn die Effekte für die jeweils Betroffenen die gleichen sind. Was wir machen, sind keine Steuererhöhungen, sondern eine Veränderung der Ausnahmetatbestände. Bei Ihrer populistischen Haltung, die Sie momentan an den Tag legen, bin ich gespannt, Herr Fürter, bei welcher einzelnen Maßnahme im Deutschen Bundestag oder auch im Landtag die Grünen diese Position mittragen werden - bei jeder einzelnen Maßnahme, über die wir reden werden. Krankenhausfinanzierung, Grundnahrungsmittel, andere Dinge mehr.

(Beifall bei FDP und CDU)

Herr Abgeordneter Kubicki, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Heinold zu?

Frau Präsidentin, wenn mir Frau Fritzen nicht böse ist. Jetzt wird die Zeit etwas überschritten, aber ich lasse die Zwischenfrage zu.

Herr Kubicki, meine Frage lautet: Welche Steuersteigerungsrate steckt in der Mittelfristigen Finanzplanung durchschnittlich über die nächsten zehn Jahre, und zwar in Bezug auf Steuerwachstum und Bereinigung von Ausnahmetatbeständen und Steuerrechtänderungen auf Bundesebene?

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine ganz schlichte Fra- ge!)

- 2,5 %. Das steht ausdrücklich -

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist falsch!)

- Das mag sein. Wir können uns mit Ihrem und mit meinem Taschenrechner gemeinsam hinsetzen. Das steht in der Broschüre. Wir dokumentieren das für Sie, Frau Heinold. Wir können das im Ausschuss gemeinsam erörtern. Ich bin gern bereit, das noch einmal zu erläutern. Der Finanzminister kann das auch tun. Es nützt überhaupt nichts, wenn Sie dauernd sagen, das sei falsch. Jeder Mensch kann das nachlesen. Heute wird für die Öffentlichkeit genau nachvollziehbar dargestellt - dann kann es jeder selbst nachrechnen -, dass diese bisherigen Annehmen falsch sind. Dabei handelt es sich übrigens um einen Durchschnittswert, der aus dem Durchschnitt der Steuerzuwächse der letzten zehn Jahre ermittelt worden ist. Das hat mit Wachstum der Wirtschaft überhaupt nichts zu tun, sondern die Steuereinnahmen sind im Durchschnitt der letzten zehn Jahre um 2,5 % gewachsen, und dieser Wert musste, übrigens auch im Hinblick auf die Vereinbarung mit dem Bund - Ihnen ist sicherlich auch bekannt, dass wir eine Verwaltungsvereinbarung schließen müssen - der Einnahmesteigerung im Steuerbereich in Schleswig-Holstein für die Wachstumsraten bis 2020 zugrunde gelegt werden.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Ach, Frau Heinold! Noch einmal: Ich bin wirklich gern bereit, Ihnen das im Ausschuss noch einmal zu dokumentieren.

Eines muss ich noch einmal sagen: Die Schuldenbremse hat mit der Verschuldung selbst überhaupt nichts zu tun. Die Verschuldung beschließt der Landtag. Die Schuldenbremse zwingt uns nur - ich sage jetzt einmal: dankenswerterweise durch die Verschärfung der Grünen in gleichen Jahresschritten; die Flexibilität ist ja heraus, was übrigens politisch vielleicht nicht so sinnvoll ist, aber jedenfalls fiskalisch sinnvoll ist -, in zehn gleichen Jahresschritten das strukturelle Defizit von 1,25 Milliarden € auf null abzubauen.

Sie waren doch bei dem Vortrag von Professor Däubler dabei. Er ist der Auffassung, eigentlich sei das noch zu wenig. Ich erwarte dann Ihre weitreichenden Erkenntnisse, wie Sie zur weiteren Ausgabenabsenkung und damit zum Abbau der Verschuldung beitragen.

Ein Letztes. Ich höre auch vom Kollegen Stegner, Mindestlohn sei die Rettung und auch das fiskalische Heil. Von Lars Harms habe ich das auch gerade gehört. Lars Harms, auch da würde es vielleicht weiterhelfen, ein bisschen nachzudenken, weil

(Wolfgang Kubicki)

90 % der Mindestlöhne gar nicht in die Besteuerung kommen. Die Besteuerung fängt erst da an, wo die Mindestlöhne deutlich überschritten werden. Das bitte ich einfach zur Kenntnis zu nehmen, weil die Debatte sonst dauernd schiefläuft.

Und nun wirklich ein Allerletztes! Ich bin der Letzte, der den Ministerpräsidenten für seine Äußerungen zu Friedrichskoog verteidigen muss. Aber ich kann sicher sagen, dass die Kürzungen für den Hafen Friedrichskoog in den Jahren 2011 und 2012 noch nicht etatisiert sind, weil wir nämlich festgelegt haben, dass der Hafen erst 2013 geschlossen werden soll. Das Angebot des Ministerpräsidenten hat eine ganz andere Maßgabe, nämlich die Beteiligung der Kommune und möglicherweise des Kreises und auch Privater, um unter Umständen, wenn sie es denn wollen, die Funktionsfähigkeit des Hafens Friedrichskoog ohne Landesbeteiligung aufrechtzuerhalten. Darüber kann man sicherlich nachdenken. Das hat aber mit den Dingen, die wir etatisiert haben, überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei FDP und CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Abstimmung zu a): Gesetzentwurf über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer.