Protokoll der Sitzung vom 10.09.2010

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Nichtraucher und liebe Raucher! Die CDU in diesem Landtag ist für einen konsequenten Nichtraucherschutz. Der Schutz der Gesundheit von Nichtrauchern und deren Freiheit im öffentlichen Raum ist für uns ein hohes Gut.

Deswegen gibt es bereits ein Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens. Die dort festgelegten Vorschriften sind ein immenser Fortschritt, den Nichtraucher in diesem Land auch so empfinden. Diese Lösung gab und gibt Nichtrauchern die Freiheit zurück, ohne Rauchbelästigung in Restaurants und Kneipen zu gehen - von Behörden und Schulen gar nicht erst zu reden.

Wer sich als erwachsener Mensch die Freiheit nimmt zu rauchen, muss wissen und akzeptieren, dass diese Freiheit ihre Grenzen hat. Diese Grenzen sind gezogen; sie werden akzeptiert und umgesetzt. Wo dies im Einzelfall nicht der Fall ist, sieht das Gesetz ausreichend Handhaben vor. Eine Überreglementierung - im Extremfall eine Hexenjagd auf Raucher - lehnen wir aber ab.

Der bayerische Volksentscheid, in dem gut 20 % der Bayern für stärkere Rauchverbote als bei uns in Schleswig-Holstein votierten, ist für uns kein Anlass, unser erfolgreiches und akzeptiertes Gesetz zu ändern.

(Beifall bei CDU und FDP)

Offensichtlich sehen die Grünen das auch gar nicht so anders. Sonst hätten Sie uns heute einen Vorschlag zur Änderung des Gesetzes vorgelegt. Stattdessen legen Sie uns einen knappen Antrag in drei Sätzen vor.

Satz eins lautet:

„Der Schleswig-Holsteinische Landtag bekennt sich zur Notwendigkeit des Schutzes von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern vor den Gefahren des Passivrauchens.“

- Das stimmt. Deswegen hat dieser Landtag das bereits angesprochene Gesetz beschlossen. Wir brauchen uns nicht zu bekennen; es ist bereits gehandelt und beschlossen worden.

Als Zweites fordern Sie bundesweit einheitliche Standards und Rahmenbedingungen. Wenn das Ihre Vorstellungen von Föderalismus und Vielfalt sind, so entsprechen diese zumindest nicht unseren Vorstellungen. Schauen wir uns die Nichtraucherschutzgesetze der Länder an, stellen wir ja fest, dass die Übereinstimmungen deutlich größer sind

(Dr. Marret Bohn)

als die Unterschiede. Es gibt keinen bundesweiten Regelungsbedarf. Die Länder haben die Kompetenz dazu, und sie haben sie ausgeübt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die geschätzte Kollegin Frau Hinrichsen beschwerte sich kürzlich, wenn sie unser schönes Bundesland verlasse, wisse sie nie, wo sie denn nun rauchen dürfe und wo nicht. Aber selbst dieses Problem ist gelöst, denn dafür haben wir eine bundeseinheitliche Lösung, und die zeigt eine durchgestrichene Zigarette in einem roten Kreis.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und FDP)

Punkt drei Ihres Antrags ist leider genauso wenig zustimmungsfähig. Der Landtag soll die Landesregierung auffordern, eine Bundesratsinitiative zu starten. Diese soll Arbeitsschutzgesetz und Arbeitsstättenverordnung ändern. Was Sie geändert haben wollen, sagen Sie uns nicht, nur die schönen Attribute „effektiv“ und „lückenlos“ geben Sie uns als Beschlussvorschlag. Mit einem so wenig konkreten Auftrag schicken wir unsere Landesregierung nicht nach Berlin,

(Beifall bei CDU und FDP)

zumal wir denken, dass auch der Schutz der Arbeitnehmer bereits gut gelöst ist. Das bedeutet zum Beispiel: Wer in einer Raucherkneipe arbeitet, sollte am besten selber Raucher sein oder sich bewusst dafür entscheiden, dass ihn Passivrauchen nicht stört. Denn wenn Sie es wirklich lückenlos machen wollten, dann gäbe es aus Nichtraucherschutz keine Raucherzimmer in Hotels, um die Raumpflegerin zu schützen, dann dürften Raucher zu Hause keine Putzfrau beschäftigen, und dann müssten wir auch den geschätzten Herrn Landtagspräsidenten auffordern, die Raucherlounge in diesem Haus zu schließen.

(Beifall bei der LINKEN - Gerrit Koch [FDP]: Das ist eine gute Idee!)

Dies wäre für uns eine Überreglementierung, die in eine freie und liberale Gesellschaftsordnung nicht passt.

Für mich stehen ganz andere bedeutende Fragen auf der Tagesordnung: Wie setzen wir den Kinderund Jugendschutz in Bezug auf das Rauchen besser und konsequenter durch?

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wie können wir Kinder gerade im familiären Bereich besser schützen, und wie überzeugen wir

mehr Jugendliche und junge Erwachsene, gar nicht erst mit dem Rauchen anzufangen? Mit guten und weitergehenden Antworten auf diese Fragen tun wir mehr für den Nichtraucherschutz als mit Ihrem Antrag.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich möchte mit einem Satz von Marcel Proust schließen:

„Das einzige, was noch schwieriger ist, als ein geordnetes Leben zu führen: es anderen nicht aufzuzwingen.“

Wir lehnen Ihren Antrag ab.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile jetzt Herrn Kollegen Peter Eichstädt das Wort.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Nun stehe einmal zu dem, was du beschlossen hast! Ich bin ge- spannt!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Arp, das ist ein gutes Stichwort. Ich habe gerade gedacht: Meine Güte, da sind wir echt schon weiter gewesen, sogar mit der CDU, und das will schon etwas heißen.

Herr Kollege Potzahr, das, was Sie gerade gesagt haben, lässt erkennen, dass Sie sich nicht die Mühe gemacht haben, die Aussagen und Stellungnahmen Ihrer Fraktion der letzten Wahlperiode, als wir das Gesetz, von dem Sie eben gesprochen haben, gemacht haben, durchzulesen. Es ist wahrlich nicht alles gut in diesem Gesetz. Dazu komme ich noch. Aber die Position, die Sie hier beschrieben haben, ist nun wirklich aus dem gesundheitspolitischen Neandertal.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Ich hoffe, dass Sie nie der Kollegin Tengler über den Weg laufen. Ich glaube, das würde Ihnen nicht gut bekommen.

(Heiterkeit bei CDU und FDP - Christopher Vogt [FDP]: Haben Sie diesbezüglich Erfah- rungen?)

Ich wiederhole noch einmal: Unser geltendes Nichtraucherschutzgesetz ist kein umfassend be

(Mark-Oliver Potzahr)

friedigendes Gesetz. Da sind Sie, Herr Kollege, völlig auf dem Holzweg. Es hat viele Mängel, viele Ausnahmeregelungen. Seinerzeit ist es eben nicht gelungen, bundesweit - nicht einmal in Norddeutschland - zumindest eine Grundlinie für ein Regelwerk zu vereinbaren. Deshalb haben wir in der ganzen Bundesrepublik von Schleswig-Holstein bis nach Bayern einen Flickenteppich.

Bayern ist das Stichwort. Sie haben es schon geliefert. Hier hat eine Landesregierung ein Gesetz auf den Weg gebracht, das jetzt durch einen Volksentscheid bestätigt wurde und das das schärfste Nichtraucherschutzgesetz im ganzen Land darstellt. Das löst auch in einigen anderen Ländern den Wunsch aus, so zu verfahren.

Meine Damen und Herren, das, was wir in den letzten drei Jahren bundesweit und auch in SchleswigHolstein für den Nichtraucherschutz erreicht haben, was an Veränderungen von Einstellungen erreicht wurde, das war wirklich ein Paradigmenwechsel, und dies erfreulicherweise auch bei Kindern und Jugendlichen. Das ist die positive Bilanz der letzten Jahre, und das wird auch niemand ernsthaft bestreiten. Das Gesetz, das wir haben, findet trotz seiner Mängel weitestgehend Anerkennung und Beachtung, und dies auch in dem sensiblen Bereich der Gaststätten. Das Gesetz hat Mängel, dennoch haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten es damals mit der CDU gemeinsam vereinbart. Heute sage ich: Wir haben es so vereinbaren müssen, um überhaupt etwas zu erreichen.

(Zuruf von Hans-Jörn Arp [CDU])

- Ja, lieber Kollege, da hätten wir beide uns zusammen mehr Mühe geben müssen, um bei den Gaststätten noch etwas zu erreichen. Aber dafür gibt es ja immer noch einen neuen Anlauf.

In dem Gesetz sind zum Teil in unsinnigster Art Ausnahmeregelungen enthalten. Diese würden wir gern ändern.

Der Ansatz der Grünen ist aus unserer Sicht grundsätzlich richtig. Über den Arbeitnehmerschutz ließe sich bundesweit eine einheitliche Regelung herbeiführen. Das ist keine neue Erkenntnis. Das würde wirksam dazu führen, dass zum Beispiel in den Gaststätten der Fokus eben nicht nur auf die Gäste gerichtet wird, sondern auch auf jene, die dort arbeiten müssen. Dies gilt übrigens ebenso für andere Bereiche, in denen Arbeitnehmer tätig sind.

Geschätzte Kollegin, es gibt einen kleinen Wermutstropfen: Überall dort, wo inhabergeführte Gaststätten betrieben werden, dürfte das Rauchen

dann allerdings erlaubt werden, es sei denn, wir nehmen doch wieder unser Landesgesetz zur Hand und regeln das dann gesondert.

Der zweite Haken ist, politisch gesehen, schwerwiegender: Es wird nicht funktionieren, zumindest nicht jetzt. Das hat die Bundesregierung schon deutlich gesagt. Nun kann man auf eine andere Bundesregierung setzen. Das finde ich auch vernünftig. Aber die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat sind auch anders. Diesbezüglich müsste sich dann auch etwas ändern. Bis das soweit ist, möchte die SPD-Fraktion darüber hinaus hier im Landtag eine Diskussion darüber anstoßen, wie das jetzige Gesetz hier im Lande fortgeschrieben werden kann.

Dazu haben wir eine Große Anfrage vorbereitet, die die Regierung auffordert, umfänglich über die Erfahrungen mit dem Nichtraucherschutzgesetz zu berichten, und zwar über alle Bereiche hinweg, nicht nur in Gaststätten. Die Große Anfrage wird der Anstoß sein, das bisherige Gesetz zu evaluieren und zu einer kritischen Betrachtung der Ausnahmeregelungen zu kommen, die oftmals verwirrend sind.

Da ist vor allem die uns sehr schwer im Magen liegende Regelung, die es immer noch gestattet, dass junge Menschen in Diskotheken bei körperlich intensivster Betätigung hochgradig gesundheitsschädigend auf Tanzflächen tanzen können. - Nun gut, das macht man dort.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Was soll die Tanz- fläche, wenn man da nicht tanzen darf?)