Auch der in Erarbeitung befindliche bundesweite Aktionsplan sollte sich aus unserer Sicht dieses Aspektes annehmen. Auf Landesebene handeln wir schon. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf unsere neue Schulgesetznovelle verweisen, wo § 11 neu gefasst und in diesem Sinne präzisiert wurde. Dort heißt es jetzt:
„Zur Erreichung der Bildungs- und Erziehungsziele sind Schülerinnen und Schüler mit Behinderung besonders zu unterstützen. Das Ziel einer inklusiven Beschulung steht dabei im Vordergrund.“
Das Gesamtkonzept der schleswig-holsteinischen Politik, alle Aktivitäten an den Grundprinzipien der Inklusion auszurichten, ist der richtige Weg, um echte Teilhabe für Menschen mit Behinderung umzusetzen. Barrierefreiheit erreicht man nicht nur durch bauliche Maßnahmen oder Hilfsmittel, sondern aus meiner Sicht ist das Umdenken in den Köpfen der Menschen der wichtigste Baustein.
Wir haben unseren Anspruch deutlich im Koalitionsvertrag formuliert. Wir wollen eine Politik für alle Generationen, die geprägt ist von Eigenverantwortung und Selbstbestimmung und von der Verantwortung der Gesellschaft für den Einzelnen. Inklusion ist für uns eine Grundhaltung.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man den Bericht der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Konvention für Rechte von Menschen mit Behinderung gelesen hat, scheint SchleswigHolstein auf einem guten Weg zu sein. Ich möchte mich bei Herrn Minister Garg für seinen Bericht bedanken und schließe mich meinen Vorrednern an,
Lassen Sie mich aber auch kritische Anmerkungen machen. Denn ein Blick in den Haushaltsentwurf legt wieder den Verdacht nahe, dass die Landesregierung auch den Inklusionsgedanken auf den Konsolidierungspfad umleitet. Behinderung ist in der Behindertenrechtskonvention als Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigung und Einstellungs- und umweltbedingten Barrieren definiert. Erst diese Wechselwirkungen bringen Behinderungen hervor. Inklusion ist daher kein Bekenntnistatbestand und kein Gedankenspiel.
Es verträgt sich nun einmal nicht mit der Gewährung von gesellschaftlicher und politischer Teilhabe, wenn das Landesblindengeld für die über 18-Jährigen halbiert wird.
Im Bericht der Landesregierung wird der Fonds zur Herstellung von Barrierefreiheit im öffentlichen Raum aufgeführt, aus dem von 2006 bis 2010 Maßnahmen und Projekte zur Strukturverbesserung für blinde und sehbehinderte Menschen gefördert wurden. Dieser Fonds läuft mit dem Jahresende aus. An dieser Stelle wollen wir nicht vergessen, dass er bei der letzten Kürzung des Landesblindengeldes als Kompensation eingeführt worden ist.
Eine Vielzahl der Projekte, die im Bericht als beispielhaft aufgeführt sind, wird es vermutlich ab 2011 nicht mehr geben. Die Landesregierung kürzt die zur Verfügung stehenden Mittel um eine halbe Million €. Begründung: Die Projekte seien zum Teil erfolgreich abgeschlossen. Die Ergebnisse seien in die Regelaufgaben der Verbände eingeflossen. Der Bedarf an Haushaltsmitteln reduziere sich. Ein zusätzlicher Handlungsbedarf bestehe schon deshalb nicht, weil die UN-Konvention ohnehin in den Entwurf des Gesamtkonzeptes der Politik für Menschen mit Behinderung eingeflossen sei.
In Lübeck betreibt der Verein „mixed pickles“ ein landesweites Vernetzungsbüro für behinderte Mädchen und Frauen in Schleswig-Holstein. Zu den Themenschwerpunkten der anerkannten Arbeit dieser Vernetzungsstelle gehört die Gesundheitsversorgung behinderter Frauen in Schleswig-Holstein und die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Diese Arbeit wurde nach einer Kürzung zuletzt noch mit 20.000 € vom Land unterstützt. Diese Förderung soll - jedenfalls nach dem Haushaltskonsolidierungspapier - 2011 enden. Damit wird auch die Vernetzungsarbeit enden, denn
Ich höre, dass Sie sich das vielleicht doch noch einmal anders überlegen, dass die wertvolle Arbeit gerade im Bereich für behinderte Frauen und junge Mädchen weitergeführt wird. Ich hoffe, dass das erfolgreich wird und dass mixed pickles seine erfolgreiche Arbeit weiterführen kann. Außerdem unterstützt auch die Hansestadt Lübeck diesen Verein, damit er seine Arbeit weitermachen kann.
Das Problem ist nicht, dass in Schleswig-Holstein nichts für die Umsetzung der UN-Konvention geschieht. Natürlich gibt es Mängel und Schwachstellen, aber es gibt auch Erfolge. Das Problem ist aber, dass die Landesregierung mit ihrer Haushaltspolitik dabei ist, positive Entwicklungen abzuwürgen. Wo es darum gehen müsste, mehr zu tun, läuft die Politik der Landesregierung auf ein Weniger hinaus. Die Landesregierung sieht die Politik für Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein durch die UN-Behindertenrechtskonvention bestätigt. Es gibt aber nicht den geringsten Grund, sich jetzt beruhigt zurückzulehnen und den Inklusionsgedanken an die Kassenlage anzupassen.
Behindertenpolitik ist ein Menschenrechtsthema, und wir müssen uns deutlich vor Augen halten, dass wir bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention eher am Anfang als dass wir uns in der Nähe des Ziels befinden.
Einkommens- und vermögensunabhängige Regelung zur Teilhabesicherung, die ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderung sichern, sind notwenig. Notwendig ist auch die Schaffung eines inklusiven Bildungssystems von der Kindertagesbetreuung über die Schule und Berufsbildung bis zur Hochschule, in der Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam lernen und gefördert werden.
Schleswig-Holstein weist eine im Bundesvergleich weit überdurchschnittliche Quote der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht auf. Das ist gut, aber es darf eben nur eine Durchgangsbilanz sein.
Die Verwirklichung einer gleichberechtigten beruflichen Teilhabe ist notwendig. Wir sind weit entfernt davon, durch Erwerbsarbeit ein existenzsichernden Einkommens in- und außerhalb von
Werkstätten für Menschen mit Behinderung zu erzielen. Die To-do-Liste im Bereich der Politik für Menschen mit Behinderung bleibt lang. Die Landesregierung ist jetzt gefordert, diese Liste bewusst zu halten und abzuarbeiten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Unterzeichnung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung am 30. März 2007 und der Ratifizierung durch den Bundestag und den Bundesrat ist die UN-Konvention ein in Deutschland rechtskräftiges Gesetz. Jedem hier Anwesenden ist klar, dass hieraus konkrete Verpflichtungen folgen.
Die grundlegende Zielsetzung der Konvention ist es, Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Den Frauen und Männern mit Behinderung muss ganz einfach ein angemessener Lebensstandard und sozialer Schutz gewährleistet werden. Daher ist die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ein eindeutiger Handlungsauftrag sowohl an gesellschaftliche wie auch politische Akteure.
Selbstverständlich erkennt auch der Bericht der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Konvention die daraus entstehenden Verpflichtungen für Schleswig-Holstein an. Dass das Land bereits früh die Weichen für eine Politik für Menschen mit Behinderung gestellt hat, die sich am Leitbild der Inklusion orientiert, hat der SSW schon immer begrüßt. Doch auch wenn im Bericht mit Blick auf die UN-Konvention ein Umsetzungszeitraum von rund zehn Jahren genannt wird, muss ich für den SSW deutlich sagen, dass hier schon heute keine Zeit zu verlieren ist. Denn eine umfassende Verwirklichung aller bestehenden Menschenrechte für das Leben von Menschen mit Behinderung erfordert noch enorm viel Arbeit.
Nach Meinung des SSW gibt dieser völkerrechtliche Vertrag ohne Zweifel sinnvolle, aber auch sehr ehrgeizige Ziele vor. Doch leider hat der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung mit seinem Hinweis recht, dass die Landesregierung zwar einen grundsätzlichen Handlungsbedarf erkannt hat, aber die tatsächliche Realisierung der Konvention bisher nur zögerlich vorantreibt.
Aus Sicht des SSW ist es jedenfalls mehr als bedauerlich, wenn die im Bericht genannten Projekte und Maßnahmen, die der Inklusion und der Herstellung von Barrierefreiheit und damit der Erreichung der Ziele der Konvention dienen, in weiten Teilen von ganz erheblichen Kürzungen betroffen sind. Ob es nun der Blindenfonds oder der Verein „mixed pickles“ ist, der von radikalen Kürzungen betroffen ist - auf diesem Weg lässt sich die Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung sicherlich nicht erreichen.
Wir fordern die Landesregierung daher auf, ihre Kürzungspläne in diesen wichtigen Bereichen zu überdenken oder zumindest konkrete Alternativen für die zukünftige Finanzierung der Projekte zu nennen.
Doch für die erfolgreiche Umsetzung der UN-Konvention ist natürlich noch weit mehr notwendig als die bloße Fortführung dieser Maßnahmen und Projekte. Die Realisierung des Vertrags muss nicht zuletzt auch dadurch erfolgen, dass die Menschen mit Behinderung mit ihren Wünschen und Bedürfnissen aktiv in den Umsetzungsprozess eingebunden werden. Nur auf diesem Weg können die gesteckten Ziele tatsächlich erreicht und die Konvention wirklich im Sinne der Menschen mit Behinderung ausgestaltet werden. Wir dürfen dabei auf keinen Fall den Fehler machen, eine Politik für Menschen mit Behinderung von oben und damit an den Betroffenen vorbei zu verordnen.
benden Worten auch schnell konkrete Taten folgen. Denn nicht nur im Bildungsbereich ergeben sich sehr konkrete Umsetzungsverpflichtungen für das Land Schleswig-Holstein. Hier hat das Deutsche Institut für Menschenrechte im Übrigen darauf hingewiesen - anders, als es im Bericht steht -, dass aus dem Zusatzprotokoll der Konvention durchaus individuelle Rechtsansprüche abgeleitet werden können. Wir teilen jedenfalls die Auffassung des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung, nach der wir einen transparenten und überprüfbaren Aktionsplan zur Umsetzung der Konvention benötigen. Dass Herr Dr. Hase für die unabhängige Überwachung der Umsetzungsschritte zur Verfügung steht, begrüßen wir ausdrücklich.
Wir hoffen, dass wir auf diesem Weg tatsächlich dem Ziel näherkommen, den Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.