Protokoll der Sitzung vom 08.10.2010

Dann kam eine weitere Veranstaltung, eine Anhörung, durchgeführt von den beiden Regierungsfraktionen, nicht jedoch des Landtags - wie auch zu hören war. Angehört wurden übrigens hauptsächlich die Profiteure des Glücksspiels. Da passt es ins Bild, dass die Verantwortlichen der Anhörung nicht einmal auf die Idee gekommen sind, die Experten zum Thema Sucht im eigenen Land, zum Beispiel der Landesstelle gegen die Suchtgefahren, einzuladen.

Glücksspielumsatzsteigerungen und Sucht sind zwei eng zusammengehörende Themen. Nur für eine öffentliche Darstellung macht es sich nicht gut. Klar, dass die Ergebnisse der Anhörung zum Entwurf eines Glücksspielstaatsvertrags von den Verfassern gefeiert wurden und die Darstellung in der Öffentlichkeit vor allem positiv war.

(Präsident Torsten Geerdts)

Während CDU und FDP glauben, dass es möglich ist, das Glücksspiel durch ein kontrolliertes Nebeneinander von privaten und öffentlichen Anbietern in den Griff zu bekommen und gar zu mehr öffentlichen Einnahmen zu gelangen, wird dies von uns bezweifelt. Sie befürchten jedoch die Zerschlagung des - wie sie sagen - traditionellen Glückspiels in Deutschland. Dabei befürchten sie, dass die Spieler in den Schwarzmarkt und ins Internet gedrängt werden. Daher wollen sie die Legalisierung des Angebots im Internet. Anbieter soll dann die Glücksspielwirtschaft sein.

Übrigens, bei zurzeit circa 25 Milliarden € Umsatz im Jahr kann ich verstehen, dass Sie da neue Freunde gewonnen haben. Um es auf den Punkt zu bringen: Sie betreiben unter dem Deckmantel der Wirtschaftsförderung mal wider Klientelpolitik,

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es!)

während wir den potenziell suchtgefährdeten Menschen in den Mittelpunkt unserer Entscheidungen stellen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Auf den Straßen in Deutschland werden leider täglich Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen. Heben wir deshalb die Geschwindigkeitsbegrenzungen auf und gefährden dadurch verstärkt die Fußgänger? So ähnlich ist doch die Begründung für ein Aufheben des Online-Glücksspiels.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Nur weil es einige verbotenerweise tun, muss es doch nicht freigegeben werden. Gerade OnlineSpiele bergen das größte Suchtpotenzial.

Hier hat der Spieler unbeschränkt Zugriff. Nebenbei gefragt: Wie wollen Sie denn dafür sorgen, dass nur auf den Internetseiten gespielt wird, die für Mehreinnahmen sorgen sollen? Mit Internetsperren? Ich gebe Ihnen gern die öffentliche Meinung zu diesem Thema wieder. In einer repräsentativen forsa-Umfrage aus dem August 2007

(Zuruf von der FDP: 2007!)

spricht sich eine klare Mehrheit der Deutschen gegen eine Kommerzialisierung des Glückspiels aus. 76 % sind für ein begrenztes Glücksspiel unter staatlicher Kontrolle. Nur 11 % sind für die Öffnung des Marktes. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Stellen Sie sich auf die Seite der Mehrheit der Bevölkerung und nicht auf die Seite derjenigen, die vor allem ihren eigenen Profit im Sinn haben.

Sehr geehrte Damen und Herren von CDU und FDP, geben Sie allen Mitgliedern des Landtags die Chance, dieses Thema in den Ausschüssen vertieft zu erörtern. Hier gibt es die Möglichkeit, nicht nur die Profiteure, sondern auch die Betroffenen und deren Vertreter offiziell zu einer Anhörung einzuladen, die Experten der Suchtberatung, der Schuldnerberatung, der fachtherapeutischen Einrichtungen und der Krankenkassen, die Tag für Tag mit den vom Glücksspiel Betroffenen zu tun haben.

Gehen Sie keinen Sonderweg. Die anderen Länder wollen Ihrem Weg des freien Spiels mit weniger Spielerschutz nicht folgen. Sie sind allein. Kommen Sie zurück in die Gemeinschaft der Länder.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei CDU und FDP - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie wissen doch gar nicht, wovon Sie reden! - Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich den Verein für Leichtathletik des Kreises Pinneberg. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Und dazu passend erteile ich dem Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp von der CDU-Fraktion das Wort.

(Heiterkeit)

Herr Präsident! Ich bedanke mich. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte erst einmal kurz auf die Aussagen des Kollegen Beran eingehen, der sich selbst sehr widersprüchlich dargestellt hat. Sie haben recht, wenn Sie sagen, der EuGH hat festgestellt - das haben Sie im zweiten Absatz gesagt -, dass das deutsche Glücksspielrecht mit dem Monopol nicht vereinbar ist, weil -

(Zuruf des Abgeordneten Andreas Beran [SPD])

- Hören Sie zu, es ist ganz einfach. Einfach nur zuhören, das hilft. So bin ich auch schlau geworden. Warten Sie doch einmal ab.

(Zuruf des Abgeordneten Andreas Beran [SPD])

- Hören Sie doch bitte zu. - Erstens. Der EuGH hat gesagt, ihr könnt beides machen. Ihr könnt es als Monopol betreiben, ihr könnt es auch - wie in den meisten europäischen Ländern - liberalisiert ma

(Andreas Beran)

chen. Nur, was ihr macht, das müsst ihr kohärent machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das heißt, wenn ihr es nicht kohärent macht, könnt ihr nicht gleichzeitig bei Sportveranstaltungen für Lotto werben - insbesondere in Rheinland-Pfalz bei Ihrem Genossen Beck. Gucken Sie sich am Wochenende einmal die Fußballspiele bei Kaiserslautern oder in Mainz an. Da sind die Banden voller Lotto-Werbung, und nebenbei - das ist auch gut so, weil das Nebeneinahmen für die Vereine erzielt gibt es so etwas auch in Schleswig-Holstein. Das soll auch so bleiben. Das ist der Unterschied zwischen Ihrer Auffassung und der des EuGH.

Der EuGH hat ganz deutlich gesagt, ihr müsst es nur durchziehen, ihr könnt als Staat nicht selber Spielcasinos betreiben, dafür auch noch Werbung machen und andererseits jede andere Art von Werbung nicht erlauben. Was ihr macht, müsst ihr kohärent machen. Die Kohärenz hat in Ihrem Monopolsystem zur Folge, dass überhaupt keine Werbung mehr möglich ist. Das Monopolsystem, das Sie favorisieren, lässt keine Werbung, auch nicht mehr die an den Geschäften für Lotto, und schon gar nicht mehr die Ziehung der Lottozahlen am Samstagabend zu.

Wenn Sie das dann wollen - ich will nur den Gedanken zu Ende bringen, wenn der Präsident es zulässt, können Sie auch Fragen stellen -, heißt das nichts anderes, als dass die Umsätze weiter zurückgehen, weil es für Lotto keine Werbung mehr gibt. Es ist heute schon der Fall, dass diese Umsätze ins Ausland wandern. Wir wollen sie in Deutschland halten. Das heißt, das Geld, das wir für Breitensport, Suchtprävention und für viele soziale Belange bereitstellen, wird dann nicht mehr in dem Umfang wie heute zur Verfügung stehen, wenn wir Ihren Weg gehen. Deshalb ist Ihr Weg fatal.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Andreas Beran?

Herr Kollege Arp, habe ich Sie richtig verstanden: Sie sagen, der Europäische Gerichtshof habe das Glücksspielmonopol in Deutschland nicht vom Vertrag her angezweifelt, sondern gesagt: „Die Praxis sei falsch.“?

Genau.

(Andreas Beran [SPD]: Nichts anderes habe auch ich eben gesagt!)

- Ich habe doch gesagt, dass ich Ihnen recht gebe. Nur Sie haben es nicht verstanden, Sie haben es falsch wiedergegeben. Sie interpretieren den Europäischen Gerichtshof falsch. Sie müssen das Urteil konsequent bis zu Ende durchdenken.

(Zuruf des Abgeordneten Andreas Beran [SPD])

- Das ist ja egal. Sie können ja weiter zuhören, Sie lernen noch eine Menge, warten Sie ruhig ab!

Zur Frage, was wir im Landtag gemacht haben: Wir haben 85 Experten hier gehabt. Eine Runde, die in so großer Form noch nie zusammengesessen hat, hat sich Gedanken über die Zukunft eines modernen Glückspielwesens in Europa, speziell in Deutschland, gemacht. Da waren eine Menge Experten. Auch Sie haben ja eine Einladung bekommen.

(Zuruf des Abgeordneten Andreas Beran [SPD])

- Sie haben eine Einladung bekommen. Wenn es wenige Stunden vorher war, kann ich nichts dafür. Es war eine öffentliche Veranstaltung, die öffentlich angekündigt wurde. Jeder hat daran teilnehmen können, wenn es ihn interessiert hat. Ich mache es Ihnen nicht zum Vorwurf, ich sage nur: Wenn Sie dagewesen wären, hätten Sie gesehen, dass auch eine Menge Kritiker dabei waren. Natürlich haben wir mit denen diskutiert, natürlich müssen wir uns kritischen Fragen stellen. Wir haben das gemacht, weil wir uns an das dänische Modell anlehnen, das in Brüssel gerade europaweit notifiziert wurde.

Nun zu unserem Vorschlag! Unser Vorschlag sagt nichts anderes, als dass wir das Lotterieveranstaltungsmonopol behalten wollen, wie es heute ist. Je länger wir warten, umso eher kommt das Monopol in Gefahr. Denn der EuGH hat diesem im Moment einen „rechtsfreien Raum“ gegeben. Unser Vorschlag ist: Es bleibt so, wie es ist, nur der Vertrieb wird liberalisiert, das Internetspiel wird wieder zugelassen. Es gibt die Möglichkeit, außer in Lotterieannahmestellen Lottoscheine auszufüllen. Das hat einen großen Vorteil, denn bei Lotto gibt es keinen Graumarkt. Das ist wichtig, um einer Manipulationsgefahr vorzubeugen, dafür, dass die Lotterie staatlich bleibt, wie es in fast allen anderen europäi

(Hans-Jörn Arp)

schen Ländern der Fall ist. Da gibt es keine drei Lottogesellschaften.

Wir wollen den Sportwettenmarkt neu regeln. Herr Kollege Beran, neu regeln heißt nichts anderes, als die 3.000 Seiten und mehr, die es schon heute im Internet gibt, zu regeln. Was glauben Sie, wie viele Millionen Menschen heute auf den Ausgang des Spiels Deutschland gegen die Türkei wetten? Das ist alles illegal. Die meisten Menschen wissen gar nicht, dass sie illegal spielen, denn das ist im Netz verfügbar. Wir, der Staat, können nicht kontrollieren, wer spielt, ob der Jugendschutz eingehalten wird, ob Suchtprävention vorgenommen wird und ob die Höchstmengen begrenzt sind. Wir wollen nichts anderes, als dies kontrollieren, und das können wir nur kontrollieren, wenn wir es liberalisieren. Wenn wir es liberalisiert haben, können wir es lizenzieren. Dann wissen wir genau, wer im Netz tätig ist. Nur der, der eine Lizenz erhalten hat - das ist eigentlich nichts anderes als heute schon beim privaten Rundfunk -, darf auch werben, und Werben ist existenziell wichtig für den Bereich. Nichts anderes wollen wir.

Liberalisierung heißt hier eigentlich genau das Gegenteil von dem, was man sonst mit dem Begriff verbindet: mehr Staat, mehr staatlicher Einfluss und mehr staatliche Kontrolle auf einem Markt, der heute überhaupt nicht kontrolliert wird.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie behaupten immer wieder - das wird nicht dadurch besser, dass Sie immer wieder Falsches behaupten -, es gebe weniger Geld für den Breitensport. Das ist kompletter Unsinn, denn wir verpflichten uns, einen Teil der Mehreinnahmen, die wir allein aus dem Bereich haben, dem Breitensport zur Verfügung zu stellen.

Wir werden - dann bin ich auch am Ende - noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf zur ersten Lesung ins Parlament bringen. Dann werden wir mit Ihnen und allen, wie es sich gehört, auf parlamentarischer Grundlage diskutieren, mit Befürwortern und Gegnern. Sie sind eingeladen, den Weg konstruktiv mitzugehen, im Interesse des Sports, aber auch im Interesse der Suchtprävention, der Aufsicht, die wir heute über Millionen, die im Internet spielen, nicht ausüben.