Sehr geehrte Damen und Herren! Die Plenartagung ist eröffnet. Ich begrüße Sie alle sehr herzlich. Als erkrankt am heutigen Tag sind die Abgeordneten Detlef Buder, Jürgen Weber und Heinz-Werner Jezewski gemeldet. - Von dieser Stelle aus wünschen wir ihnen gute Besserung.
Beurlaubt ist Herr Minister Rainer Wiegard für die Landesregierung und ab heute Nachmittag 14 Uhr Frau Abgeordnete Ranka Prante.
Auf der Zuschauertribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler des Friedrich-Schiller-Gymnasiums in Preetz sowie deren Lehrkräfte. - Seien Sie uns herzlich willkommen!
Am 27. Januar 1945 erreichten sowjetische Truppen das Konzentrationslager Auschwitz. Die Befreier fanden nur noch 8.000 völlig entkräftete Menschen vor. Bis zur letzten Minute hatten ihre Peiniger versucht, möglichst viele Menschenleben zu nehmen. Auf Todesmärschen verloren auf diese Weise kurz vor dem Ende noch einmal mehrere Tausend Menschen ihr Leben. Insgesamt wurden weit über 1 Million Menschen in Auschwitz ermordet. Auch das war nur ein Teil der Opfer des nationalsozialistischen Herrschafts- und Vernichtungssystems.
Der Schleswig-Holsteinische Landtag gedenkt heute zusammen mit Menschen in der ganzen Welt dieser Opfer von Unmenschlichkeit, Rassismus und Intoleranz. Unter den Ermordeten und Verfolgten waren Menschen jüdischen Glaubens, politisch Andersdenkende, Sinti und Roma, Homosexuelle, Menschen mit Behinderung, Frauen und Männer des Widerstands und Kriegsgefangene. Das millionenfache Morden traf Menschen aller Religionen, Weltanschauungen und ethnischen Zugehörigkeiten. Auch die Orte des Mordens waren vielfältig. Auschwitz-Birkenau steht nur stellvertretend für dieses System des industriellen Mordens, das auch in Schleswig-Holstein mit den Namen Fröslev, Ladelund und Schwesing ganz konkret benannt werden kann.
Nach über 60 Jahren stellt sich uns bis heute immer wieder die Frage nach der Form des Erinnerns an diese ungeheuerlichen Ereignisse und Taten, die mit dem deutschen Volk untrennbar verbunden sein werden. Wie kann das unsagbare, in seinen Ausmaßen unvorstellbare Geschehen fassbar und gegenwärtig gemacht werden? Wie kann die Erinnerung wachgehalten werden in einer Zeit, in der bald keine Zeitzeugen des Holocaust mehr unter uns sind?
In der Gedenkveranstaltung heute Abend in Rendsburg, die vom Landtag, von der Landeszentrale für politische Bildung und vom Landesmuseum gemeinsam durchgeführt wird, steht diese drängende Frage im Vordergrund.
Eine Antwort darauf ist die Auseinandersetzung mit dem Tagebuch der Anne Frank. Mit ihren Ängsten und Hoffnungen, mit der Sprache eines heranwachsenden Mädchens, das sich noch alles von der Zukunft erhofft, erreicht Anne Frank bis heute die Herzen ihrer Leserinnen und Leser. Auschwitz-Birkenau und das Versteck der Franks in einer Hinterhofwohnung in Amsterdam liegen auf den ersten Blick weit voneinander entfernt. Und doch sind sie gleichermaßen Teil dessen, an das wir heute erinnern.
Die Zukunft, die jungen Menschen wie Anne Frank damals genommen wurde, müssen wir der jungen Generation heute sichern. Das sind Auftrag und Vermächtnis der Ereignisse von vor über 60 Jahren. Wir müssen die Jugend fördern, bilden, ausbilden, ihr Potenzial für eine friedliche Zukunft ausschöpfen - dann wäre viel erreicht. Wohin Intoleranz, Vorurteile und Hass führen, daran erinnert uns dieser Tag, daran erinnert uns der Name Auschwitz.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag zu b) wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Ich erteile für die Landesregierung der Ministerin für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Frau Dr. Juliane Rumpf, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegenden Anträge aller Fraktionen unterstützen meine Bestrebungen zur weiteren Verbesserung der Futtermittel- und Lebensmittelsicherheit. Sie greifen zum großen Teil die Positionen und Forderungen auf, die bereits in den gemeinsamen Aktionsplan der Verbraucherschutz- und Agrarministerkonferenz vom 18. Januar 2011 eingeflossen sind. Deshalb möchte ich heute nicht zu lange in die Vergangenheit blicken, sondern Ihnen neben einem kurzen Abriss über das Krisenmanagement der vergangenen Wochen aufzeigen, welche Konsequenzen Bund und Länder aus dem Dioxinskandal gezogen haben.
Zunächst gilt aber mein Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses und des Landeslabors, die diese komplexen Arbeiten und Ermittlungen mit großem Einsatz und hochprofessionell vorangetrieben und die notwendigen Maßnahmen veranlasst haben.
So haben wir im Rahmen unseres Krisenmanagements unter anderem folgende Maßnahmen ergriffen: Im Ministerium und im Landeslabor wurde ein Krisenstab eingerichtet, der sieben Tage die Woche besetzt war. Die Staatsanwaltschaft wurde unverzüglich informiert. Es erfolgten laufende Ermittlungen auf den verschiedenen Produktionsstufen, Folgeabschätzungen und Entscheidungen, eine regel
mäßige Berichterstattung an das Bundesministerium und die Länder sowie eine länderübergreifende Abstimmung zum Teil über Konferenzen. Der Landtag und das Kabinett wurden informiert. Es wurde kurzfristig ein Informationsangebot im Internet eingestellt und ein Bürgertelefon eingerichtet. Es erfolgte eine ständige Information der Öffentlichkeit über die Medien zu Fortschritten der Ermittlungsarbeit auch am Wochenende.
Im Rahmen der Untersuchungen hat das Ministerium insgesamt 112 amtliche Futterfettproben aus der Eingangs- und Ausgangsware der Firma Harles und Jentzsch ab Herstellungsdatum 11. November 2010 von den Standorten Uetersen und Bösel zur Untersuchung gegeben. Zwischenzeitlich liegen alle Ergebnisse vor. Die Dioxinwerte liegen zwischen 0,13 bis 62,07 ng/kg. In 65 Fällen wurde der zulässige Höchstgehalt unterschritten, in 46 Fällen aber überschritten. Diese zu hoch belasteten Futterfette hätten nicht in die Futtermittelherstellung eingehen dürfen.
Weiterhin wurden je sieben Rückstellproben der Ausgangsware vom Standort Bösel und Standort Uetersen, die vor dem 11. November 2010 produziert wurden, untersucht. Die Ergebnisse wurden am 18. Januar veröffentlicht. Während die Ware aus Bösel nicht zu beanstanden war, wiesen beim Material aus Uetersen sechs Proben - wenn auch geringe - Höchstmengenüberschreitungen auf. Somit können die hohen Dioxinwerte auf die rund 100 t Futterfette eingegrenzt werden, die zwischen dem 11. und 25. November 2010 nach Bösel geliefert wurden.
Welche Erfahrungen haben wir aus diesem Fall gewonnen, welche Folgerungen sind notwendig, damit so etwas in Zukunft nicht wieder passiert? Ich möchte Ihnen eine erste kurze Bewertung geben.
Das Sicherheitssystem, das nach dem BSE-Skandal entwickelt worden ist, hat sich im Prinzip bewährt. Durch die Rückverfolgbarkeit konnte der Umfang belasteter Futtermittel relativ schnell eingegrenzt werden. Richtig war es, aus Vorsorgegründen zunächst von einer größeren Verdachtsmenge auszugehen, die dann in einem abgestimmten Verfahren zu einer Entsperrung der meisten Betriebe führte. Aufgrund der sehr zeitaufwendigen Analysen ergaben sich leider unvermeidbare Verzögerungen. Das Sicherheitsnetz risikoreicherer Futterkomponenten wie Fettsäuren ließ zu große Schlupflöcher. Eine Gesundheitsgefährdung der Verbraucherinnen und Verbraucher lag glücklicherweise zu keinem Zeitpunkt vor. Das hat das Bun
Dennoch reagierten viele Verbraucherinnen und Verbraucher zum Teil sehr verunsichert und stellten ihr Einkaufsverhalten um. Der wirtschaftliche Schaden in der Landwirtschaft ist enorm, vor allem durch starke Preiseinbrüche und Nachfragerückgang bei Schweinefleisch und Eiern. Das spüren wir auch auf den Exportmärkten.
Aus diesem Dioxinskandal eine Forderung nach Änderung der Agrarpolitik abzuleiten, halte ich für abwegig, ja sogar schädlich. Damit gewinnen wir nicht das Vertrauen verunsicherter Verbraucherinnen und Verbraucher zurück, sondern erreichen das Gegenteil. Es geht hier nicht um Öko oder Konventionell, Groß oder Klein, sondern um die Sicherheit unserer Lebensmittel auf allen Ebenen und in allen Betrieben. Niemand sollte in einem solchen Fall auf andere zeigen, denn vor kriminellen Machenschaften ist niemand geschützt.
Meine Damen und Herren, ich bin sehr froh, dass es Bund und Ländern einstimmig gelungen ist, auf der Basis einer Schwachstellenanalyse einen Aktionsplan zu erstellen, der sehr konkret und ohne einseitige Ideologie Lehren aus den Vorkommnissen zieht. Wenn sich der parteipolitische Nebel verzogen hat, wird man feststellen, dass Frau Bundesministerin Aigner die richtigen Signale zum richtigen Zeitpunkt gesetzt hat. Ich bin ihr auch sehr dankbar, dass sie schon in dieser Woche wesentliche Punkte unseres Aktionsplans auf EU-Ebene diskutiert und weitgehend durchgesetzt hat.
Folgende Punkte des Aktionsplans möchte ich besonders hervorheben: Die Eigenverantwortung der Futter- und Lebensmittelhersteller steht weiterhin an erster Stelle. Das Qualitäts- und Zertifizierungsmanagement muss aber verbessert werden. Die Produktionsströme zwischen technischen und Futterfetten werden eindeutig getrennt. Produzenten von Futtermittelkomponenten mit höherem Risiko müssen sich künftig einem Zulassungsverfahren unterziehen. Futtermittelkomponenten müssen künftig analysiert werden, bevor sie weiterverarbeitet und ausgeliefert werden. Wir brauchen eine EU-weite Positivliste für Futtermittel.
Hier müssen wir gemeinsam weiter Überzeugungsarbeit leisten. Die Produzentenhaftung muss verbessert werden, zum Beispiel über eine verschuldensunabhängige Haftpflichtversicherung.
Meine Damen und Herren, eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Futtermittelrechts zu starten, wie von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gefordert, halte ich zum jetzigen Zeitpunkt für nicht zielführend. Der Bund und die Länder haben sich in einem gemeinsamen Aktionsplan auf das weitere Vorgehen verständigt, um den Verbraucherschutz sowohl in der Futtermittel- als auch in der Lebensmittelkette zukünftig deutlich zu verbessern.
Zur Umsetzung des Aktionsplans wurden nicht nur die notwendigen Akteure, sondern auch der erforderliche Zeitrahmen festgelegt. Da es seit der Veröffentlichung des Aktionsplans inhaltlich keine neuen Erkenntnisse gibt, ist eine Bundesratsinitiative nach meiner Auffassung jetzt nicht zweckmäßig. Wir brauchen jetzt keinen hektische Aktionismus, sondern abgestimmte und begründete Aktionen, und die Bundesministerin hat die ersten Gesetzentwürfe zeitnah angekündigt.
Meine Damen und Herren, kriminelle Machenschaften wird man nie ganz ausschließen können, wir müssen sie aber erschweren und ein Höchstmaß an Sicherheit für unsere Lebensmittel gewährleisten. Mit dem 14 Punkte umfassenden gemeinsamen Aktionsplan von Bund und Ländern wird der Verbraucherschutz gestärkt und ein verantwortungsvoller Umgang mit Lebens- und Futtermitteln zukünftig sichergestellt. Ich bin der Auffassung, dass wir auf einem guten Weg sind, den wir konsequent verfolgen müssen.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat die Redezeit um 4 Minuten überzogen. Diese Zeit steht jetzt auch den Fraktionen zusätzlich zur Verfügung.
Auf der Zuschauertribüne begrüße ich den Präsidenten der Landwirtschaftskammer, Herrn Heller. Seien Sie uns im Schleswig-Holsteinischen Landtag herzlich willkommen!
Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Bernd Voß das Wort.