Protokoll der Sitzung vom 20.11.2009

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die auf Bundesebene auf der Basis eines in der Föderalismuskommission II ausgehandelten Kompromisses im Frühjahr dieses Jahres beschlossene Aufnahme einer sogenannten Schuldenbremse für Bund und Länder - Artikel 109 Grundgesetz - hat sich zu einer Cause célèbre in diesem Landtag entwickelt. Dies ist jedenfalls der Eindruck, den man als Parlamentsneuling aus der Lektüre von Plenarprotokollen aus Juli und September 2009 mitnehmen muss.

Einig waren und sind sich wohl alle damals im Landtag vertretenen Fraktionen darüber, dass es sich bei dieser neuen verfassungsrechtlichen Regelung um einen unzulässigen, weil verfassungswidrigen Eingriff in die garantierten Hoheitsrechte dieses Landes und seines Parlamentes handele, der mittels einer Klage beim Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen werden müsse. Eine Verletzung des Föderalismus- und Demokratieprinzips.

Stattdessen sei es das formale Recht und die politische Pflicht des Schleswig-Holsteinischen Landtags, eine solche Schuldenbremse in unsere Landesverfassung aufzunehmen. Im Frühjahr des Jahres hat der damalige Landtag einen einstimmigen Beschluss gegen diese Bundesregelung gefasst, ob

(Tobias Koch)

wohl es auch in Wissenschaft und Wirtschaft kritische Anmerkungen zur Sinnhaftigkeit einer solchen Regelung gegeben hat. Stichwort: Symbolpolitik.

Der Landtag der 16. Wahlperiode ist zu keiner abschließenden politischen Regelung gekommen. In der Debatte vom 16. September 2009 wurde für eine solche Regelung auf der Basis des Antrags des damaligen Landtagspräsidenten Kayenburg nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit erreicht.

Es ist die SPD-Fraktion gewesen, die sich nicht zu einem Ja zur Schuldenbremse entschließen konnte.

(Beifall bei FDP und CDU)

Deswegen ein Hinweis zum heutigen Antrag der SPD-Fraktion. Wie in der Abstimmung am 16. September lässt sie ihre Meinung zur Aufnahme einer Schuldenbremse in die Landesverfassung in der Schwebe. Unter Nummer drei wird nicht zweifelsfrei deutlich, ob sie dem angemahnten Gesetzesentwurf am Ende wirklich zustimmen und ihn beschließen will, wozu wir sie herzlich einladen und auch auffordern.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Nicht, dass uns diese Frage jetzt Herzschmerzen bereiten würde, wissen wir doch, dass die Stimmen der Sozialdemokratischen Fraktion nicht unbedingt zur Herstellung einer Zweidrittelmehrheit in diesem Landtag benötigt werden.

In der neuen Konstellation in diesem Landtag wollen wir uns dieses Themas wieder annehmen und legen Ihnen mit unserem Änderungsantrag zur Drucksache 17/12 einen gangbaren Weg hin zu einer Gesetzesregelung vor, um das zu vollenden, was im September an der SPD gescheitert ist. Wir gehen davon aus, dass die Landesregierung bis zum Januar des nächsten Jahres selbstverständlich einen Haushaltskonsolidierungsplan vorlegen wird.

In der Tat gibt es nicht nur verfassungsrechtliche Gründe für eine schleswig-holsteinische Verfassungslösung bei der Einführung einer Schuldenbremse, sondern natürlich auch finanzpolitische und moralische gegenüber der nachfolgenden Generation. Denn - das muss uns allen klar sein - es muss darum gehen, unseren Kindern nicht eine so hohe Schuldenlast zu übertragen, dass sie komplett ihrer Handlungsfähigkeit beraubt sind.

(Beifall bei FDP und CDU)

Es war ein sozialdemokratischer Finanzminister, der diesem Haus drei Jahre hintereinander Haushalte vorgelegt hat, die jeweils rund 1,7 Milliarden €

Schulden auswiesen und damit die Schuldenlast insgesamt um ein Drittel erhöht haben. Diese verantwortungslose Haushaltspolitik zulasten der nachfolgenden Generationen muss endlich ein Ende haben.

(Beifall bei FDP und CDU)

Eine Schuldenbremse macht nur Sinn, wenn sie auch eingehalten werden kann. Dafür müssen die Voraussetzungen geschaffen werden. Ich verweise auf die Debattenbeiträge vom 16. September 2009: Die Lage der Landesfinanzen, die sich für den aufmerksamen Leser daraus ergibt, ist erschreckend. Die Stützungsmaßnahmen für die HSH Nordbank einbezogen hat Schleswig-Holstein im Augenblick einen Schuldenstand von 24 Milliarden €. Bei der derzeitigen Finanzplanung wird der aktuelle Schuldenstand im Jahre 2013 auf 31 Milliarden € anwachsen. Rechnet man die vom Landesrechnungshof erwarteten Mindereinnahmen dazu, wird das Land Schleswig-Holstein demnächst jeden fünften Euro für die Bedienung seiner Kredite ausgeben müssen.

Hinzuzurechnen sind nach den Feststellungen des Finanzministers Wiegard neben den Kapitalmarktschulden weitere Belastungen wie Pensionsleistungen, Ausbau von Infrastruktur und unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen bei Vermögensgegenständen. Vor diesem Hintergrund wirkt die zugesagte Konsolidierungsbeihilfe des Bundes, die im Übrigen an den Artikel 109 GG gebunden scheint, mehr als mickrig.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Robert Ha- beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir sind es neben den oben genannten verfassungsrechtlichen und finanzpolitischen Gründen vor allem den uns nachfolgenden Generationen schuldig, ihnen den Mühlstein von den Schultern zu nehmen, der sämtliche Gestaltungsmöglichkeiten für ihr Leben erdrückt.

(Beifall bei FDP, CDU und des Abgeordne- ten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aus diesen drei Gründen fordern wir die Landesregierung auf, auf der Basis der Mai-Steuerschätzung 2010 den Weg zum systematischen Abbau dieser Schuldenlast aufzuzeigen, denn dies ist die notwendige Voraussetzung dafür, dass die von uns für spätestens die 4. Plenartagung vorgesehene Einführung der Schuldenbremse in die Landesverfassung Sinn macht. Es ist die materielle Fundamentalisierung einer Regelung, die sonst nur Schall und Rauch wäre.

(Katharina Loedige)

Für uns ist es wichtig, dass wir mit der gleichen Leidenschaft, mit der wir für die Verteidigung unserer Hoheitsrechte kämpfen, auch für die Stabilisierung der finanzpolitischen Handlungsfähigkeit dieses Landes kämpfen. Das betrifft nicht nur den Landeshaushalt, sondern auch die kommunalen Haushalte. Die heutige katastrophale Haushaltslage vieler Kommunen ist doch nicht zuletzt Ergebnis der desaströsen Haushaltspolitik vergangener Landesregierungen.

Haushaltsdisziplin in Verbindung mit der Konzentration auf die Kernaufgaben des Landes und umfassender Bürokratieabbau ermöglichen mittelfristig auch neue Spielräume für unsere Kommunen. Diese Haushaltsdisziplin wirkt nicht nur auf die Kommunen, sondern auch auf unseren internationalen Wirtschaftspartner. Denn dauerhaft ausgeglichene Haushalte auch mithilfe einer Schuldenbremse signalisieren: Wir sind ein zuverlässiger und berechenbarer Mitspieler auf den globalen Märkten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ausgeglichene Haushalte werden nur zu erreichen sein durch eine erfolgreiche, den Mittelstand und die Wirtschaft allgemein fördernde Wachstumspolitik. Denn uns allen muss klar sein, dass man den schleswig-holsteinischen Landeshaushalt nicht nur auf der Ausgabeseite konsolidieren kann. Vielmehr müssen wir alles tun, um eine Wirtschaftspolitik zu betreiben, die Wachstum produziert, damit Steuereinnahmen generiert, gleichzeitig die Arbeitslosigkeit senkt und die Sozialausgaben reduziert.

(Zuruf von der SPD: Alles gleich!)

Alles, was Wachstum schafft, wird gemacht. Alles, was Wachstum verhindert, wird weggeräumt.

(Beifall bei FDP und CDU)

Selbstbindung und Bremse einerseits, Befreiung von Fesseln und Gasgeben andererseits, Selbstwertgefühl, Würde und Ansehen unseres Landes stärken wir mindestens genauso stark durch finanzielle Fitness wie durch erfolgreiche Klagen vor Gericht.

(Beifall bei FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Loedige. - Gestatten Sie mir eine Anmerkung. Es macht Sinn, der Person, der wir das Wort erteilt haben, zuzuhören. Bisher war im Schleswig-Holsteinischen Landtag gängige Praxis: Wenn ein Mitglied unseres Hauses die erste Rede

hält, dann verwendet man ein wenig mehr Gehör darauf.

(Beifall)

Eine weitere Anmerkung gilt für alle und für die gesamte Wahlperiode: Das Benutzen des Handys ist möglich, allerdings vor dem Plenarsaal und nicht im Plenarsaal.

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Frau Kollegin Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt viele gute Gründe für eine Schuldenbremse. Wir haben es gehört, sie ist generationengerecht, nachhaltig und schafft Handlungsspielraum. Und dennoch: Grundsätzlich für eine Schuldenbremse zu sein, ist das eine. Die Schuldenbremse in Schleswig-Holstein unter den gegebenen Rahmenbedingungen aber tatsächlich umzusetzen, ist eine weit schwierigere Übung. Deshalb plädiere ich dafür, dass wir die Rahmenbedingungen des Landeshaushaltes nüchtern analysieren, bevor wir uns darüber ereifern, wer der beste Haushaltssanierer ist, Herr Koch.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Koch, wo war Ihre moralische Verantwortung, von der Sie eben gesprochen haben, als es um die Förderung von Bierflaschenverschlüssen ging, als es um die Förderung der A 20 ging? - All das ist schuldenfinanziert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wo ist Ihre moralische Verantwortung, wenn neue Beauftragtenstellen geschaffen werden? Frau Loedige, erklären Sie mir hier, wieso neue Beauftragtenstellen Wachstum schaffen.

(Glocke des Präsidenten)

Kollegin Heinold, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Arp?

Er wird Teile meiner Rede vorweg nehmen.

Herr Kollege Arp, Sie haben das Wort.

(Katharina Loedige)

Frau Kollegin, können Sie mir oder dem Hohen Haus erklären, wie viel Landesmittel in der Planung und in dem Ausbau der A 20 stecken?

Unter anderem deshalb ist die Straßenbauverwaltung so groß. Unter anderem deshalb wurde in der Straßenbauverwaltung kein Personal abgebaut. Die Planungsmittel sind auch gestiegen. Schauen Sie nach. Ich habe viele Zahlen im Kopf, diese aber nicht. Wenn Sie die wissen, dann nur Mut.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Ich bin hier nicht mit Ihnen im Dialog, aber ich möchte in der Tat eine Zusatzfrage stellen!)