Doch genau das ist das, was wir unseren Kindern zumuten, wenn wir jetzt die Steuern für Bessergestellte auf Kosten der Länder und Kommunen senken,
wenn schwarz-gelbe Wahlgeschenke auf Steuerkosten, auf Schuldenbasis verteilt werden. Sogar die Wirtschaftsweisen nennen das Gebaren der Bundesregierung unseriös. Wenn Sie so etwas stützen, sind Sie auch unseriös.
Was sind die Gründe für die Einnahmeverluste, die uns die Bundesregierung zumutet? - Bessere Infrastruktur, sanierte Schulen oder ein kostenloses Mittagessen für alle Schulkinder? - Mitnichten! Es geht darum, den Arbeitnehmern, die bereits sehr gut verdienen, Steuergeschenke zu machen, indem die Kinderfreibeträge deutlich erhöht werden.
Das macht unter Umständen mehrere Hundert Euro im Jahr aus für die Klientel, die Sie gern betreuen wollen. Kleinverdiener und Hartz-IV-Empfänger bekommen dagegen nur 20 € mehr im Monat, die dann aber bei den Hartz-IV-Empfängern mit deren Ansprüchen verrechnet werden. Am Ende kommt
für diese Menschen dann nichts heraus. Aus Ihrer Politik kommt für niemanden überhaupt irgendetwas heraus. Diese Art Lobbyismus ist bereits in wirtschaftlich guten Zeiten unverantwortlich; in der derzeitigen Krise spaltet diese Politik unsere Gesellschaft und entzieht ihr die demokratische Grundlage.
Darum warnt der SSW vor der Fortsetzung dieses Kurses. Schleswig-Holstein kann diesem Vorhaben keinesfalls zustimmen. Das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist eine Mogelpackung. Es begünstigt diejenigen, die ohnehin schon viel haben, und es wirkt sich nicht so aus, wie von Schwarz-Gelb erwartet. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat ermittelt, dass die 23 Milliarden €, die hier quasi eingesetzt werden, nur Wachstumseffekte von rund 3 Milliarden € auslösen werden. Das Ganze ist somit auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ein absolutes Minusgeschäft. Besser wäre es, wenn wir in Schulmahlzeiten für alle Schüler oder in die völlige Beitragsfreiheit bei Kindergärten investieren würden.
Der SSW würde es ausdrücklich begrüßen, wenn sich alle Fraktionen dem vorliegenden Antrag anschlössen. Das wäre das deutliche Signal, das in der Steuerdiskussion derzeit vonnöten ist. Ohne ein solches Signal kommt es nicht zur Umsteuerung. Darum: Kein Herumgeeiere und keine falschen Rücksichtnahmen. Wenn die Berliner Steuerpolitik den Kommunen finanziell das Rückgrat bricht und soziale Ungerechtigkeiten zementiert werden, müssen wir dem gemeinsam Einhalt gebieten. Deshalb werden wir dem Antrag der Grünen selbstverständlich zustimmen.
Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erhält der Fraktionsvorsitzende der FDP, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wende mich in besonderer Weise zunächst an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, weil mir die letzten drei Tage Veranlassung geben, eine Frage zu stellen, die man beantworten kann. Das ist die Frage, ob wir den Wahlkampf mit Schaufensterreden fortsetzen oder in einen ernsthaften Dialog eintreten wollen.
(Zurufe der Abgeordneten Dr. Robert Ha- beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] - Weitere Zurufe)
- Wir wollen tun, was wir immer gesagt haben, Kollege Harms. Das finde ich ja lustig. Sie fordern diese Regierung auf, im Bundesrat komplett gegen das Steuerentlastungsprogramm des Bundes zu stimmen. - Das bedeutet, nicht nur gegen das Leistungsbeschleunigungsgesetz zu stimmen, sondern auch gegen die Maßnahmen, die noch von der alten Regierung ins Werk gesetzt worden sind, die unter anderem beinhalten, die Pendlerpauschale wieder einzuführen. Sie haben damals mit uns gemeinsam gefordert, die Pendlerpauschale wieder einzuführen. Sollen wir jetzt dagegen stimmen? Oder haben Sie da Ihre Meinung geändert? Oder soll die Pendlerpauschale wieder eingeführt werden?
Man muss schon etwas differenzierter nachdenken und vielleicht auch argumentieren, bevor man hier Reden hält.
- Selbstverständlich habe ich den Antrag gelesen, Frau Kollegin Heinold. Ich komme gleich darauf zurück.
Das größte Steuerentlastungspaket, das in der Bundesrepublik Deutschland jemals beschlossen worden ist, war die Körperschaftsteuerreform, beschlossen von Rot-Grün. Wo war Ihr Widerstand im Bundesrat gegen diese Entlastung, die ausschließlich großen Konzernen nützte? Wo war Ihr Widerstand?
Und wie glaubwürdig sind Sie eigentlich, wenn Sie sich heute hinstellen und sagen, wir sollen nach Ihren Vorstellungen etwas ins Werk setzen, das im Übrigen unseren Vorstellungen nicht entspricht?
(Ulrich Schippels [DIE LINKE]: Wenigstens lernfähig! - Zuruf des Abgeordneten Dr. Ro- bert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
- Herr Kollege Habeck, ich finde das sehr lustig, Sie vielleicht auch, aber es hilft dem Land nicht. Sie erklären, dass die Absenkung der Mehrwertsteuer für Beherbergungsbetriebe den Millionären dient. Das mag sein, dass es den mehreren Tausend oder Zehntausend Millionären - das ist völlig egal - dient. Aber die 30 bis 40 Millionen Übernachtenden in Deutschland sind nicht nur Millionäre. Das sind auch andere. Ich teile Ihre Auffassung - das habe ich in meiner Rede am Mittwoch gesagt -, dass das keine wachstumspolitische Maßnahme ist. Und deswegen werden wir dem auch so nicht zustimmen.
Aber noch einmal: Es ist die erste Landesregierung - das werden Sie erleben -, die überhaupt im Bundesrat Widerstand leistet. Ich sage es noch einmal von hier: Es wird keine Zustimmung des Landes Schleswig-Holstein zu diesem Gesetz geben, wenn wir nicht ausreichend auf andere Weise entschädigt werden. Punkt. Aus. Ende.
Es gab keine Landesregierung seit Bestehen dieses Landes bei gleicher Farblehre, die so entschlossen war, sich so zu verhalten, wie wir es gegenwärtig sind. Darauf können Sie sich verlassen. Da müssen Sie nicht nur den Ministerpräsidenten fragen. Wir sind in einer Koalitionsregierung. Da müssen Sie uns vielleicht auch fragen.
Frau Kollegin Heinold, ich weiß, dass es vergeblich ist, und das ist mein letzter Appell: Wir können so weitermachen wie bisher. Dann werden wir sehen, wie die Mehrheiten in diesem Haus stehen. Wir wollten mit Ihnen in einen vernünftigen, konstruktiven Dialog eintreten. Auf die SPD müssen wir dabei nicht setzen. Der größte Schuldenminister aller Zeiten in diesem Land war der Kollege Stegner. Der größte Bilanzfälscher aller Zeiten war der Kollege Stegner.
Der Kollege Stegner ist persönlich dafür verantwortlich, dass wir heute mit Schwierigkeiten der HSH Nordbank kämpfen müssen, die wir nicht hätten, hätte er im Aufsichtsrat und Risikoausschuss aufgepasst.
Ich bin gern bereit, das außerhalb dieses Saales in jeder gerichtlichen Verhandlung zu dokumentieren und auszusagen. Er soll den Mut haben, mich in dieser Frage zu verklagen - ich habe das gerade noch einmal geschrieben -, dann werden wir sehen, dass ich das belegen kann. Er hat geschlafen. Das hat uns 2008 eine Milliarde € gekostet und noch mehr dazu, und er spielt sich heute als einer der möglichen Sanierer auf. Hier müssen wir den Mist beseitigen, den Sie uns hinterlassen haben - dann krähen Sie nicht wie ein Hahn, der seinen Boden verliert.
Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Abgeordneter Dr. Ralf Stegner.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe im Wahlkampf die FDP immer verteidigt,
weil ich auf Wahlkampfveranstaltungen gehört habe, die Ankündigung der FDP, Steuern zu senken, sei gelogen. Das stimmt nicht, es ist viel schlimmer: Die meinen das ernst. Man konnte auch merken, dass Sie das ernst meinten, weil Sie die Gewerbesteuer und anderes mehr abschaffen wollen, und die Steuerberatungskosten soll man ganz absetzen können. Sie wollen die Kommunen ruinieren. Das ist ein „Armutsbeschleunigungsgesetz“, über das wir hier reden, was Schwarz-Gelb in Berlin auf den Weg bringt.
Was ich natürlich spannend finde: Da plakatiert man hier „Mehr Netto vom Brutto“, das ganze Land wird vollplakatiert, und dann stellt man sich hier hin, schreibt irgendwelche Briefe, die nicht veröffentlicht werden, und tut so, als hätte man es nicht mal gesagt. Jetzt hinzugehen und zu sagen: Wir protestieren jetzt gegen die Steuersenkungen, die wir die ganze Zeit versprochen haben - das ist die Art von Glaubwürdigkeit, die wir von Ihnen kennengelernt haben.
Wer in dieser Landtagstagung eine Regierungserklärung abgibt, sich an die Bevölkerung wendet und sagt, wir müssten jetzt alle sparen, wir müssten die Gürtel enger schnallen - die Vereine, die Verbände und die Menschen mit dem kleinen Einkommen -, und noch am gleichen Tag hingeht und das aufhebt, was das Parlament zur HSH Nordbank und zur Begrenzung der Managergehälter beschlossen hat, der hat jedwede Form von Glaubwürdigkeit eingebüßt. Das ist eine Frechheit!