Protokoll der Sitzung vom 28.01.2011

Umso wichtiger ist es, den Erfolg der Integrationskurse für die Zukunft zu sichern. Wenn es im Bund schwierig ist, müssen wir uns auch selbst helfen. Controlling und Auswertung der landesfinanzierten Migrationssozialberatung anhand der Quoten zur Sprachkursteilnahme und Spracherfolg sind ein Ansatz. Vorschulische Sprachförderung im Rahmen von „Sprint“ und 54 Deutsch-als-ZweitspracheZentren sind bundesweit anerkannte schleswig-holsteinische Konzepte.

Der von der Landesregierung unter Federführung des Integrationsministers beschlossene Aktions

(Ingrid Brand-Hückstädt)

plan Integration lässt hoffen, dass nicht nur Handlungsziele formuliert, sondern Strategien entwickelt werden, die dann auch schnell umgesetzt werden können. Wir werden uns diesen Aktionsplan genauestens anschauen und prüfen, wie spürbare und nachhaltige Effekte gesetzt werden können.

Die friedliche Koexistenz von unterschiedlichen Menschen verschiedenster Nationen, Kulturen und Religionen setzt das gewollte Zueinander und Miteinander voraus. Das hat nichts mit Geld zu tun.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Kollegin Luise Amtsberg.

Das Integrationskonzept auf Bundesebene und die Initiative unseres Integrationsministers sind zu begrüßen. Ebenso zu begrüßen ist der vermeintliche Perspektivwechsel der CDU, der sich nun andeutet. Ich erinnere an die Debatte um Integrationsverweigerer. Das hört sich jetzt alles schon ganz anders an. Das beruhigt mich sehr.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es hilft aber trotzdem nichts, Wein zu versprechen und Wasser zu verteilen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, um einmal eine Phrase zu bringen.

(Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vor wenigen Monaten haben wir im Landtag eine Integrationsdebatte geführt. Wir alle wurden nicht müde, an jeder Stelle zu erwähnen, dass das Erlernen der deutschen Sprache maßgeblich ist. Wie gut die Migrantinnen und Migranten die deutsche Sprache sprechen, entscheidet über ihre Zukunft in Deutschland. Was nun in der Debatte schmerzt, ist, dass die Erkenntnis durchaus vorhanden ist, das politische Handeln an vielen Stellen jedoch fehlt.

(Ingrid Brand-Hückstädt [FDP]: Das Geld!)

- Auch das Geld, ja.

Die Situation in den Sprachkursen sieht nämlich etwas anders aus als sie hier dargestellt wurde. Ich habe neulich einen Tag lang Integrationskurse besucht und mich mit den Menschen unterhalten. Einige, die zu einem Kurs verpflichtet wurden, warten mitunter bis zu drei Monate, um an einem Kurs teilnehmen zu können. Es kann sein, dass sich das jetzt

geändert hat. Das ist möglich. Angesichts der Nachfrage in diesem Bereich befürchte ich aber, dass wir Ende des Jahres genau das gleiche Problem wieder haben werden. Dann wird das Geld nämlich wieder aufgebraucht sein, und die Wartelisten werden wieder länger sein.

Unsere Interpretationen der derzeitigen Lage ist, dass der Bedarf höher ist als das, was wir - auch wenn wir die Mittel aufgestockt haben - hineingeben.

Ein weiteres Problem, das man an der Stelle erwähnen kann, sind die Fahrtkosten. Die Fahrtkosten zum nächstgelegenen Träger werden erstattet. Sind die Kurse bei diesem aber voll, bedeutet das für den Betroffenen: Platz nehmen auf der Warteliste; denn nicht ohne Weiteres kann er oder sie sich die Fahrtkosten zu einem anderen Träger erstatten lassen.

Neben der schlechten Bezahlung der Sprachlehrerinnen und -lehrer, auf die wir hier noch nicht eingegangen sind, stört mich noch eine weitere Sache. Man hält sich die Möglichkeit für Sanktionen offen. Man fragt jedoch nicht nach, warum jemand einen Kurs nicht besucht oder nicht besuchen kann - das ist vielleicht eher die Realität. Viele Menschen das kann man auch noch einmal erwähnen - haben schlichtweg keine Möglichkeit, an einem Integrationskurs teilzunehmen, weil die Fahrtkosten nicht erstattet werden. Außerdem spielt die Kinderbetreuung dabei eine Rolle. Wenn eine Kinderbetreuung nicht von jedem Träger angeboten werden kann, weil es so wenig Mittel dafür gibt, dann kann man verstehen, dass es der eine oder andere Migrant nicht schafft, an diesen Kursen teilzunehmen. Ich habe das noch einmal ganz schlicht gesagt, um es zu verdeutlichen, weil Sie das in Ihrem Beitrag nicht erwähnt haben, Frau Kollegin Damerow.

(Astrid Damerow [CDU]: Dafür haben wir auch keinen Ausschuss!)

- Das können wir auch gern im Ausschuss besprechen, so wird es sicherlich auch sein. Uns von der SPD-Fraktion und den Grünen war es aber wichtig, dass diese Punkte Erwähnung finden, weil Sie sie bisher nicht erwähnt haben.

Dass das nicht alles ist, was in der Integrationspolitik schiefläuft, muss nicht besonders erwähnt werden. Eine Sache möchte ich aber gerne noch ansprechen. Herr Minister Garg hat vorhin besonders auf die Partizipation von jungen Migranten am Arbeitsmarkt abgezielt. Die aktuellen schwarz-gelben Kürzungen - das muss man an dieser Stelle auch sagen - betreffen aber zum Beispiel auch die

(Ingrid Brand-Hückstädt)

Migrationssozialberatungsstellen des Landes, die eine entsprechende Hilfestellung bieten.

(Beifall der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Sie helfen beispielsweise jungen Menschen bei der Jobsuche. Diesen Stellen wurden die Mittel gekürzt, obwohl deren Auslastungsgrad im Durchschnitt bei 147 % liegt.

Vielleicht haben Sie deshalb Verständnis dafür, dass Frau Midyatli und ich an dieser Stelle gern die Punkte erwähnen möchten, die bei der Sprachkursund Integrationskursgestaltung stören.

Mit unserem Antrag fordern wir von Ihnen lediglich ein stärkeres Engagement auf Bundesebene, und wir wissen, dass wir mit Minister Schmalfuß jemand haben, der die Probleme in diesem Bereich durchaus versteht und der auch die nötige Sensibilität mitbringt, um sich damit auseinanderzusetzen. Ich frage mich jedoch, wie Sie auf der Landesebene aus die Situation der Sprachkurse verbessern wollen, ohne auf die Kollegen im Bund zuzugehen. Wenn wir als Schleswig-Holstein nicht sagen, dass wir einen größeren Bedarf und nicht genug Geld haben, wie wollen wir dann dem vorhandenen Bedarf gerecht werden? Das würde im Endeffekt bedeuten, dass wir eigene Mittel in die Hand nehmen müssten, um die Sprachkurse zu verbessern. Ich glaube nicht, dass das hier so angedacht ist.

Noch eine Phrase zum Schluss: Die Bundesregierung ist meiner Meinung nach auf dem Holzweg und hat nicht den ihr zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum ausgeschöpft. Das muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass das Land oder die Landesregierung diesem Kurs hinterhertrottet.

Nehmen Sie das in die Hand und stimmen Sie unserem Antrag zu! Setzen Sie sich auf Bundesebene dafür ein, dass Sprach- und Integrationskurse ausreichend ausgestattet und auch die Lehrer anständig bezahlt werden!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort für die Fraktion DIE LINKE erteile ich der Frau Kollegin Antje Jansen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

„Erfolgreiche Integrationspolitik ist keine Nischen- oder Sozialpolitik. Sie ist als Querschnittsaufgabe verantwortungsbewusste Gesellschafts- und zunehmend zugleich auch vorausschauende Wirtschaftspolitik.“

Dieses Zitat entstammt dem Bericht der Landesregierung zum Stand der Integration in SchleswigHolstein. Aber was ist der Stand der Dinge? - Jetzt möchte ich auch noch einmal, wie es gerade meine Kollegin Luise Amtsberg von den Grünen getan hat, darauf hinweisen, dass die Landesregierung mit ihrem Streichhaushalt Kürzungen vorgenommen hat, die gerade die Migrantenberatungsstellen empfindlich treffen. Das sind auch diejenigen, die diese Integrationskurse vornehmlich anbieten.

Die gleichgestrickte schwarz-gelbe Koalitionsmehrheit im Bundestag hat erhebliche Einschränkungen bei den Integrationskursen eingeführt. Ihre Kürzungspolitik, meine Damen und Herren, richtet enorme Schäden an. Die personelle Ausstattung der Lübecker Beratungsstellen für Migranten wurde unter die Grenze ernsthafter Arbeitsfähigkeit zusammengestrichen. Landesweit haben Sie bei den Migrantenberatungsstellen 120.000 € gestrichen, davon allein 25.000 € in Lübeck. Das sind willkürliche Kürzungen, die nach unserer Meinung dringend korrigiert werden müssen, denn gerade diese Beratungsstellen tragen zu einer Integration bei.

Einerseits wird von den Zuwanderern Integrationsbereitschaft eingefordert, andererseits werden Gelder zusammengestrichen. Das ist nach unserer Meinung keine glaubwürdige Integrationspolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt kommen noch die Kürzungen des Bundes dazu. Das bleibt natürlich nicht ohne erhebliche Auswirkungen auf die größte Gruppe der hier lebenden Migranten. Die schwarz-gelbe Koalition in Berlin beschloss nebenbei, die Rahmenbedingungen der Integrationskurse wegzuschneiden. Frau Damerow, uns ist auch zugetragen worden, dass der Bund das letztendlich alles zurückgenommen hat. Aber wir haben uns auch bei unserer Bundestagsfraktion erkundigt, und da wurde uns gesagt, dass die Bundesregierung nur die Wartelisten und die Wartezeiten zurückgenommen hat und nicht die sozialen Nebenkosten der Teilnahme, wie zum Beispiel die Fahrkosten oder die Übernahme der Kinderbetreuungskosten. Das sind zwei Punkte, die für die Migranten, die die Integrationskurse besuchen, gerade im ländlichen Bereich sehr wichtig sind und - Frau Midyatli hat das auch gesagt - insbesondere

(Luise Amtsberg)

für die Migrantinnen einen erheblichen Schaden anrichten.

Wer die Bedingungen für die Integrationskurse auf diese Weise drastisch verschlechtert, der muss sich über unerwünschte Folgen für den Integrationsprozess nicht wundern. Ich weise noch einmal ausdrücklich darauf hin: Asylsuchende und etwa 1 Million Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus bleiben hier ohnehin ausgeschlossen von den bundesgeförderten Integrationsmaßnahmen. Was soll mit denen denn passieren? Darauf hat die Politik mindestens bis jetzt keine brauchbare und verantwortungsvolle Antwort. Da muss ich sagen: Hier wird Integration verhindert. Ein aufgrund kurzsichtiger Finanzpolitik ausgebremster Integrationsprozess verursacht für die nächste Generation mehr Kosten als Nutzen. Wir als LINKE treten für eine nachhaltige Integrationspolitik ein. Die Gesellschaft steht erst am Anfang, wenn es darum geht, die migrations- und integrationspolitischen Versäumnisse der letzten 50 Jahre aufzuarbeiten.

Das Argument ist uns allen sehr gut bekannt. Auch Sie haben immer argumentiert, man führe vorrangig aus Haushaltsgründen Sparmaßnahmen und Einschränkungen ein. Das unterstützen wir nicht. Dieses Argument der Haushaltszwänge als Grund für Sparmaßnahmen und Kürzungen ist schon jetzt bis zur Beliebigkeit abgegriffen, aber es greift nicht.

Das Ergebnis ist das gleiche auf Landesebene. Da muss ich aber trotzdem sagen: Wir sind zum Teil schon auf einem guten Wege, aber der Bund schiebt jetzt noch Kürzungen nach. Das finden wir verantwortungslos.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer sich ernsthaft dem Ziel einer gesellschaftlichen Integration stellt - das ist jetzt mehr an den Bund gerichtet -, der weiß natürlich, dass all diese finanziellen Einschränkungen den Integrationsprozess erschweren. Wir meinen, da sollte man auch keine Scheindebatte über Integrationsverweigerer führen. Ich denke, wir müssen eigentlich genügend Angebote machen und dürfen nicht sagen: Die verweigern sich. Wenn sie von dem wenigen Geld, das sie zum Teil haben, die Fahrtkosten nicht bezahlen können, dann kann man nicht sagen, sie verweigern sich der Integration.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der FDP: Das hat doch auch keiner gesagt!)

- Aber das kommt zum Teil in der Argumentation auf Bundesebene vor.

Mangelnde Bildung und fehlende Ausbildung reduzieren die Chancen - das ist ja auch schon gesagt worden - auf dem Arbeitsmarkt für jeden. Zu einer erfolgreichen Integration gehört für Menschen mit Integrationshintergrund als Erstes der selbstverständliche Zugang zu Bildung und Ausbildung. Alle Hindernisse zu diesem Zugang müssen ernsthaft angegangen werden.

Ich erinnere mich noch ganz genau an Ihre Rede in Rendsburg, Herr Minister Schmalfuß, als Sie Ihren Aktionsplan Integration vorgestellt haben, den wir auch positiv beurteilen. Sie haben dort Schleswig-Holstein eine Vorreiterrolle in Sachen Integration bescheinigt. Jetzt bietet sich die beste Gelegenheit, diese Vorreiterrolle mit einer verantwortungsvollen Integrationspolitik unter Beweis zu stellen. Wir fordern Sie und Ihre Landesregierung auf: Machen Sie sich stark auf Bundesebene, und setzen Sie sich gegen diese integrationserschwerenden Einschränkungen ein.

(Beifall bei der LINKEN)