Protokoll der Sitzung vom 16.12.2009

(Beifall bei CDU und FDP)

(Ursula Sassen)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat Frau Abgeordnete Kirstin Funke.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir vorab eine persönliche Bemerkung: Ich freue mich, dass wir mit Herrn Dr. Heiner Garg einen liberalen Sozialminister haben, bei dem ein Thema wie Armut in Schleswig-Holstein Beachtung findet. All diejenigen, die politisch darauf hoffen, dass die soziale Kälte mit der FDP in das Sozialministerium einzieht, werden enttäuscht sein.

(Beifall bei FDP und CDU)

Die Stimmung im Sozialministerium hat sich nach dem Regierungswechsel von der SPD zur FDP auf jeden Fall nachhaltig gebessert.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU)

Die FDP-Fraktion begrüßt die Entscheidung der Europäischen Kommission, um mit der Ausrufung des Jahres 2010 zum „Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ gezielt auf die gesellschaftlichen und sozialen Missstände in Europa hinzuweisen und diesen mit geförderten Projekten und Veranstaltungen entgegenzutreten. So sollen speziell die Projekte und Veranstaltungen in folgenden Themenbereichen im nächsten Jahr in den Fokus gerückt werden:

Erstens. Jedes Kind ist wichtig - Entwicklungschancen verbessern.

Zweitens. Wo ist der Einstieg? Mit Arbeit Hilfebedürftigkeit überwinden.

Drittens. Integration statt Ausgrenzung. Selbstbestimmte Teilhabe für alle Menschen.

Leider machen die gesellschaftlichen Missstände auch vor der Landesgrenze Schleswig-Holsteins nicht halt. Sie sind ein europaweites Thema. Gerade die großen Städte haben beispielsweise mit Kinderarmut zu kämpfen. Es ist gleichermaßen ein Auftrag an Politik und Gesellschaft, diesem auf lange Sicht entgegenzutreten. Dies hat beispielsweise bereits der Kinderund Jugend-Aktionsplan Schleswig-Holstein in Angriff genommen. Es ist eine der auf Langfristigkeit angesetzten Aktionen, die im Sozialministerium angesiedelt sind und in Kooperation mit Verbänden und Vereinen mehrere Projekte umfassen. Es sind Projekte, die sich beispielsweise um die regelmäßige Ernährung von Kindern kümmern und die Gesundheitsförderung eines Kindes im Visier haben. Auch das Gemein

schaftsprojekt des Sozialministeriums „Willkommen im Leben“ stärkt gleichermaßen die Familie und setzt sich für gleiche Startchancen für Kinder ein. Es gehört bereits zu den auf Langfristigkeit angelegten Projekten.

Politik kann Rahmenbedingungen schaffen. Aber es bedarf zusätzlich eines gut funktionierenden Netzwerkes der unterschiedlichsten Verbände, ob es nun die Wohlfahrtsverbände, Selbsthilfeinitiativen, Kirchen, Sport- oder Kulturverbände sind.

Auch wenn die Ausrufung des Jahres 2010 zum „Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ von der Kommission aus Brüssel kommt, so findet Europa nicht allein in Brüssel oder Berlin statt, sondern jede Schleswig-Holsteinerin und jeder Schleswig-Holsteiner ist dazu aufgerufen, sich in den Projekten zu engagieren und in seinem persönlichen Lebensbereich etwas gegen Armutsrisiken wie der sozialen Ausgrenzung zu tun. Aus Sicht der Koalition kann ich Ihnen eines versprechen: Wir treten dafür ein, dass in Schleswig-Holstein jedes Jahr ein Jahr gegen soziale Ausgrenzung sein wird.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das sieht man bereits daran, dass es in SchleswigHolstein eine Vielzahl von Maßnahmen und Projekten gibt. Diese gilt es im öffentlichen Bewusstsein zu stärken und optimal zu vernetzen.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Nachhaltig för- dern!)

- Auch das.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Wir warten einmal auf die Haushaltsanträge!)

Ich bitte Sie um Zustimmung zu dem Antrag.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Rasmus Andresen.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Wohlfahrt kann erdrücken“, „Hartz IVEmpfängern geht es zu gut“, „Armut ist in Deutschland ein Randproblem“. - Angesichts der Tatsache, dass Armut in Deutschland für viele Menschen Alltag ist und jedes siebte Kind in Schleswig-Holstein in Armut lebt, kann einem bei den eben ge

nannten Aussagen schwarz-gelber Politiker schlecht werden, auch wenn sie nicht aus Schleswig-Holstein kommen. Das will ich gern zugestehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Armut in einem Industrieland wie Deutschland ist ein Skandal und muss mit allen Mitteln bekämpft werden. Armut ist nicht für alle sichtbar. Armut ist ein Tabuthema in unserer Gesellschaft. Armut steht als Zeichen für Perspektivlosigkeit und für sehr viele für etwas, wofür man sich schämen muss. Aus Sicht der steigenden Anzahl von Betroffenen ist dieses Verhalten verständlich. Wer gibt schon gern zu, Schulden zu haben, seinem Kind nicht die Klassenfahrt, gesundes Essen oder vernünftige Kleidung bezahlen zu können?

Um die Öffentlichkeit für den Umgang mit Armut zu sensibilisieren und um die Bekämpfung und das Wissen über Armut in der Bevölkerung breit zu verankern, kann das EU-Projekt „Armut und soziale Ausgrenzung“ wertvoll sein. Die EU-Initiative ist vor allem eine Kommunikationskampagne. Es ist eine Kommunikations- und Informationskampagne, die längst überfällig ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Kampagne bietet die Chance, breite gesellschaftliche Bündnisse gegen Armut zu initiieren. Beispielsweise können Schulprojekte geeignet sein, junge Leute gegenüber Armut zu sensibilisieren.

Den Vorschlag der Bundesregierung und der EU, Daten über Armut zu erheben, halten wir für wichtig. Wir haben in der Vergangenheit einen Landesarmutsbericht in diesem Haus gefordert. Leider war eine Mehrheit in diesem Haus dazu nicht bereit. Erfahrungen beispielsweise aus meiner Heimatstadt Flensburg zeigen aber, dass solche Armutsberichte oder - wie in Flensburg in Form eines Armutsatlasses - wertvoll sein können und sowohl von Politik als auch von Verbänden unterstützt werden.

Aber nur zu reden und Daten zu erheben, hilft eben auch nicht. Der von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachte und danach einstimmig beschlossene Antrag „Gemeinsam gegen Kinderarmut“ und die darin festgelegte Unterstützung für unterschiedliche Beratungs- und Hilfsangebote müssen auch in der neuen Legislatur gelten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass die Bekämpfung von Kinderarmut in die Lan

desverfassung geschrieben wird. Dass diese Volksinitiative die notwendigen Quoren erreicht hat, freut uns sehr. Wir fordern die noch zweifelnden Fraktionen auf, gerade im „Europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ mit diesen Grundsatzerklärungen, die wir gerade gehört haben, die von über 30.000 Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern unterstützte Initiative auch hier im Landtag zu unterstützen, über die wir im Februar oder März abstimmen werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber auch andere Themen sind wichtig. Eine grundsätzlich andere Bildungspolitik gehört dazu. Kollege Fischer hat es genannt. Dazu gehört unsere Forderung nach einer Kindergrundsicherung und der Forderung nach einem Mindestlohn. Aber damit allein werden wir die Armutsprobleme nicht lösen können. Wir werden nicht müde, dies immer wieder zu fordern und dies durch parlamentarische Initiativen in der Zukunft unter Beweis zu stellen. Es gibt deutliche Unterschiede zwischen dem Antrag der regierungstragenden Fraktionen und dem der Opposition.

Die Vorteile des Oppositionsantrags sind: Zum einen fordern wir einen Zwischenbericht und eine Evaluation. Übrigens wird das auch in der nationalen Umsetzungsstrategie der Bundesregierung gefordert. In Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, findet man dazu leider nichts.

Wir wollen sicherstellen, dass Verbände wie zum Beispiel der Kinderschutzbund oder auch andere Sozialverbände in diesen Prozess eingebunden werden. Wir glauben, dass dies eine Stärkung für die Bekämpfung von Armut sein kann.

Der Oppositionsantrag ist besser und konkreter. Man muss ganz ehrlich sagen: Ohne die Initiative der LINKEN und des gemeinsamen Oppositionsantrags hätten Sie gar nicht reagiert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

„Sozial blinken, rechts abbiegen“, das scheint das Motto Ihrer Amtszeit zu werden. Das spiegelt sich nicht nur in den Wortbeiträgen, sondern auch in diesem Wischiwaschi-Antrag wider. Ich möchte trotzdem noch etwas Persönliches zum Schluss sagen. Das Thema ist zu wichtig, als dass es im Parteiengezänk untergehen darf.

(Lachen bei der CDU)

(Rasmus Andresen)

- Das ist so. Wir können es nicht so machen, wie wir es bei der HSH Nordbank erlebt haben. Deswegen wünsche ich mir für diese Legislaturperiode, dass die Bekämpfung von Armut, gerade von Kinderarmut, über einen fraktionsübergreifenden Antrag behandelt wird, auch wenn dieser wahrscheinlich deutlich schlechter sein wird. Wir müssen das als gemeinsames Schwerpunktthema sehen. Auf die konstruktive Zusammenarbeit im Fachausschuss wie auch hier im Parlament freue ich mich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Das Wort für die Fraktion DIE LINKE erteile ich der Frau Abgeordneten Jansen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Europäische Kommission hat das Jahr 2010 zum „Europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ erklärt. Armut, insbesondere Kinderarmut, grassiert in den reichen Nationen Westeuropas. Sie ist für Millionen von Menschen zur größten, aber realen Bedrohung geworden. Das gilt leider auch für viele Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner. Allein 81.000 Kinder und Jugendliche leben bei uns von Hartz IV, und in den kreisfreien Städten gilt jedes dritte Kind als arm. Auch wenn Sie als CDU und FDP das hier beschönigen und sagen, dass es Maßnahmen gegen Armut gibt - die Armut hier in Schleswig-Holstein steigt. Heute stand in den „Kieler Nachrichten“ ein Bericht, wie viele Menschen zu den Tafeln gehen müssen.

Die Chancen und Perspektiven von Armut lassen sich ganz einfach beschreiben. Ist jemand erst einmal arm und ausgegrenzt, gibt es aus diesem Kreislauf kaum ein Entrinnen. Das darf nicht sein. Das kann niemand von uns verantworten. Es liegt in der Verantwortung der Politik, auch in der des Landes, also in der persönlichen Verantwortung eines jeden Mitglieds dieses Hauses, das zu ändern.

(Beifall bei der LINKEN sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die HSH Nordbank geriet in eine extreme Schieflage. Die Gründe dafür waren hausgemachte Fehler der Banker und der Landespolitik. Prompt wurde fast so etwas wie ein Staatsnotstand ausgerufen. Wird aber annähernd ein Drittel der Bevölkerung wirtschaftlich und sozial abgehängt, dann herrscht