Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 19. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig.
Erkrankt sind die Kolleginnen und Kollegen Silke Hinrichsen, Mark-Oliver Potzahr, Ranka Prante, Dr. Christian von Boetticher und Ellen Streitbörger. - Allen Kolleginnen und Kollegen wünschen wir von dieser Stelle aus gute Besserung.
Der Schleswig-Holsteinische Landtag trauert um zwei seiner früheren Mitglieder. Im Alter von 82 Jahren ist am 25. Juli 2011 der frühere Landtagsabgeordnete Alfred Schulz verstorben. Der in Altona geborene Gymnasiallehrer gehörte diesem Haus von 1971 bis 1992 als Mitglied der SPD-Fraktion an. In der 12. Wahlperiode war er zweiter Vizepräsident des Schleswig-Holsteinischen Landtags. In 21 Jahren der Zugehörigkeit zum Parlament hat Alfred Schulz seine Lebenserfahrung in vielen Ausschüssen eingebracht. Besonders hervorheben möchte ich dabei den Innenausschuss, den Volksbildungsausschuss sowie den Ausschuss für Kultur, Jugend und Sport, dem er von 1980 bis 1988 vorsaß.
Alfred Schulz war ein aufrechter, ein unbeugsamer Mensch, der sich von unerschütterlichen Werten leiten ließ. Für sein vielfältiges politisches Engagement schöpfte er Kraft aus seinem tiefen Glauben. Als engagierter Christ und Sozialdemokrat begriff er es zeitlebens geradezu als seine Pflicht, unserer Gesellschaft - ganz kompromisslos - einen Spiegel vorzuhalten. Im Sinne christlicher Nächstenliebe stellte er sich dabei konsequent an die Seite der Schwachen, oft Ausgegrenzten. Er setzte sich für Flüchtlinge und Minderheiten ein, vor allem für die Sinti und Roma. Und er stritt rastlos für eine gerechtere Welt.
Alfred Schulz entschied sich nie dafür, Behaglichkeit versprechende Wege zu gehen. „Ich war mehr oder weniger immer in Opposition“, sagte er 2010 über sich. Das war oft unbequem - nicht nur für ihn. Aber die Unerschütterlichkeit, in der Alfred Schulz seinen Weg ging, verdient unsere Hochachtung. Sie kann anderen zum Vorbild dienen.
Alfred Schulz, das langjährige Mitglied der Nordelbischen Synode, war ein Mann der Kirche und der Politik, der sich um die Menschen in unserem Lande verdient gemacht hat. Hierfür wurde er mit der Freiherr-vom-Stein-Medaille sowie mit der Bugenhagen-Medaille ausgezeichnet, der höchsten Auszeichnung der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche.
Nach langer, schwerer Krankheit verstarb am 22. August 2011 der frühere Landtagsabgeordnete Werner Liebrecht. Der 1936 in Danzig geborene Bauingenieur gehörte diesem Haus von 1971 bis 1987 ebenfalls als Mitglied der SPD-Landtagsfraktion an. Nach Maurerlehre und dem gleichzeitigen Besuch eines sogenannten Aufbauzuges studierte Werner Liebrecht an der Staatlichen Baugewerkschule Eckernförde, an der er 1961 sein Examen als Ingenieur der Fachrichtung Tiefbau ablegte. Ab 1962 war er dann als Abteilungsleiter bei der Stadtverwaltung Husum tätig.
Werner Liebrecht war ein durch und durch bodenständiger Mensch, der fest in seiner Wahlheimat Husum verwurzelt war. Dort begann er seine politische Karriere als Mitglied der Jungsozialisten, bevor er 1969 Vorsitzender seines SPD-Ortsvereins wurde. Ab 1966 zunächst Mitglied des Kreistags Husum, gehörte er nach der Kreisgebietsreform von 1970 bis 1974 dem Kreistag Nordfriesland an. Zwischen 1973 und 1979 amtierte er als Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Nordfriesland.
Im Schleswig-Holsteinischen Landtag brachte sich Werner Liebrecht vor allem über die Arbeit des Innen- und Rechtsausschusses ein. In der 7. und 8. Wahlperiode gehörte er auch dem Landesplanungsausschuss an. Zudem wirkte er in fünf Untersuchungsausschüssen mit.
Werner Liebrecht, der mit Begeisterung und Ausdauer für den FC Landtag spielte, war ein profilierter und geschätzter Sozialdemokrat, der bis zuletzt Kraft aus seinem kommunalpolitischen Engagement schöpfte. Auch als bereits stark von Alter und Krankheit gezeichneter Mann setzte er sich noch voller Tatendrang für die Geschicke seiner Mitbürgerinnen und Mitbürger ein. Die SPD - besonders der Kreisverband Nordfriesland - hat mit ihm ein Stück ihres „Urgesteins“ verloren.
Meine Damen und Herren, der Schleswig-Holsteinische Landtag gedenkt seines ehemaligen Vizepräsidenten Alfred Schulz und des früheren Abgeordneten Werner Liebrecht in Dankbarkeit und vollem Respekt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor einem Monat, am 22. Juli 2011, hat sich in Norwegen eine nationale Tragödie ereignet, die uns alle schwer getroffen hat. Bei einem Massaker auf der Insel Utøya und einem Bombenanschlag in Oslo starben 77, vor allem junge Menschen. Für Norwegen sind diese Anschläge eines kaltherzigen, eines verblendeten Menschen die schwerste Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg.
Schleswig-Holstein ist dieser Nation seit Langem eng verbunden. Was dort am 22. Juli 2011 geschah, hat deshalb gerade uns tief im Herzen getroffen. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes stehen in Trauer und tiefer Bestürzung an der Seite Norwegens, und wir teilen den Schmerz, den viele Familien dort zu tragen haben. Die Opfer von Oslo und Utøya mahnen auch uns. Wenngleich es sich bei den Anschlägen nach derzeitigen Erkenntnissen um die Tat eines Einzelnen handelte, müssen wir entschiedener denn je allen Formen von Fremdenfeindlichkeit, von politischem Extremismus und Fundamentalismus entgegentreten.
„Ich glaube weiterhin daran, dass die Freiheit stärker ist als die Angst. Ich glaube weiterhin an eine offene norwegische Demokratie und Gesellschaft. Und ich glaube weiterhin an unsere Fähigkeit, in unserem eigenen Land frei und sicher zu leben.“ Dies hat Norwegens König Harald V. bei der Gedenkfeier am vergangenen Sonntag gesagt. Dieses Bekenntnis unterstreicht der Schleswig-Holsteinische Landtag auch für unsere Gesellschaft. Dem Hass und der Menschenverachtung setzen wir Freiheit, Demokratie und Toleranz entgegen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie nun, einen Augenblick im Gedenken innezuhalten. - Sie haben sich zu Ehren der Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben; ich danke Ihnen.
Ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 2, 4, 7, 9, 10, 12, 13, 15, 22, 24, 28, 37, 38, 43 und 47 ist eine Aussprache nicht vorgesehen.
Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 3 und 11 - Gesetzentwürfe zur Änderung des Landesdatenschutzgesetzes und des Landesverfassungsschutzgesetzes -, 5, 6 und 8 Gesetzentwürfe der Fraktion der SPD und der Lan
desregierung zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher sowie wahlrechtlicher Vorschriften und Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes, der Gemeindeordnung, der Amtsordnung sowie des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes -, 25 und 26 - Anträge zu einer landesrechtlichen Regelung zum Aufenthalt aus humanitären Gründen sowie zu einer Bundesratsinitiative für eine wirksame und stichtagsunabhängige gesetzliche Bleiberechtsregelung - sowie 29 und 45 - Antrag zur Einführung von Gender Budgeting und Bericht „Neue Wege neue Chancen: Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebenslauf“.
Der Petitionsausschuss hat Ihnen mit Drucksache 17/1726 seinen Tätigkeitsbericht vorgelegt und darum gebeten, ihn noch in dieser Tagung aufzurufen. - Widerspruch sehe ich nicht, dann werden wir so verfahren.
Ich schlage Ihnen vor, den Bericht als Punkt 38 A in die Tagesordnung einzureihen und ihn morgen vor Eintritt in die Mittagspause zur Berichterstattung durch die Frau Ausschussvorsitzende aufzurufen.
Wann die weiteren Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratungen in der 19. Tagung.
Wir werden heute und morgen jeweils unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause längstens bis 18 Uhr tagen. Am Freitag ist eine einstündige Mittagspause von 13 Uhr bis 14 Uhr vorgesehen. Ich höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.
Ich begrüße auf der Zuschauertribüne Auszubildende der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung in Eutin sowie Auszubildende der Bildungsgesellschaft Handwerk Dithmarschen. - Seien Sie uns herzlich willkommen hier im Kieler Landeshaus!
Ich begrüße ebenso herzlich unsere ehemalige Landtagskollegin Silvia Eisenberg. - Herzlich willkommen!
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich dem Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine diesjährige kulturpolitische Sommerreise hat mich auch nach Flensburg geführt. Dort kann man sehr direkt erfahren, wie wichtig und wie lebendig die Zusammenarbeit mit Dänemark ist. Ob es um die gemeinsame Kulturhauptstadt geht, um Folk Baltica, das Orchester der Landestheater oder andere Fragen - überall gibt es Projekte, Gespräche, Zusammenarbeit, ist der kulturelle Mehrwert größer als die Summe der Einzelteile. Dies gilt aber nicht nur für die Kultur, sondern auch für den Arbeitsmarkt und viele andere Felder. So weit, so gut, könnte man sagen, und so sehen und erleben es die Menschen unserer beiden Länder auch miteinander.
Die politische Entwicklung sieht aber momentan leider ganz anders aus. In der heutigen Debatte geht es vordergründig um Verkehrsregelung, in Wirklichkeit aber um unser Verständnis von Europa und bedrückenderweise auch um die Frage, ob sich Politik von Rechtspopulisten abhängig machen sollte.
Im Frühjahr kündigte die dänische Regierung an, wieder permanente Grenzkontrollen einrichten zu wollen. Damit entsprach man einer Forderung der Rechtspopulisten, auf die sich die amtierende dänische Minderheitsregierung bedauerlicherweise stützt. Dieser Ankündigung folgten Widerstände
und Proteste aus Schleswig-Holstein, aus Deutschland, ja aus ganz Europa. Es gab eine einstimmige gemeinsame Erklärung dieses Landtags, in der die Wiedereinführung solcher Grenzkontrollen abgelehnt wurde.
Schon damals waren die Landesregierung und insbesondere der Herr Ministerpräsident eher dabei abzuwiegeln, zu verharmlosen nach dem Motto, so schlimm werde es schon nicht werden, es tue ja gar nicht weh, und wir sollten uns nicht so haben. Anfang August konnten wir das gleiche Spiel dazu noch einmal verfolgen, diesmal unter aktiver Beteiligung Schleswig-Holsteins. Es wurde öffentlich, dass Dänemark ab September den Bau eines dänischen Zollkontrollsystems von deutschem Boden aus vor dem Autobahn-Grenzübergang Ellund plant. So etwas lässt sich bekanntermaßen nur umsetzen, wenn die Landesregierung mitmacht. Nach Angaben des Direktors der dänischen Zollbehörde, Erling Andersen - ich bitte Sie, darauf besonders zu achten, weil ich ahne, wie Sie heute argumentieren werden -, hätten diese Anlagen zwar ursprünglich nichts mit den beschlossenen intensiveren Grenzkontrollen zu tun gehabt, sondern es sollte bei stichprobenartigen Kontrollen die Verkehrssicherheit für Autofahrer und Kontrollbeamte erhöht werden. Durch beleuchtete Schilder sollten auch bei Dunkelheit Verkehrsüberprüfungen ermöglicht werden. Nun aber - so Andersen weiter - werde man natürlich die Gunst der Stunde nutzen und diese schöne Einrichtung für die neue Form intensiverer Kontrollen à la Dänemark auch nutzen. - Na prima. Das ist auch klar. Schranken braucht man nämlich, soweit ich weiß, zur Verkehrslenkung nur an Bahnübergängen, Fähren oder Klappbrücken. Darüber reden wir hier aber nicht, und deswegen sollten wir auch nicht so tun, als sei das eine ganz normale verkehrspolitische Angelegenheit, auch wenn hier heute der Verkehrsminister dazu reden wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Hintergrund dieser Installation auf schleswig-holsteinischem Boden ist das, was der „Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag“ als ,,Spiel mit dem Feuer“ bezeichnete - just zu dem Zeitpunkt, in dem sich Europa in einer Existenzkrise befindet. Europa droht auseinanderzudriften, einzelne Länder schotten sich ab, überziehen sich mit Schmähungen, schüren Vorurteile. Die Bundesregierung ist leider an dieser Entwicklung unmittelbar beteiligt. Ich erinnere nur an die schmähenden und falschen Aussagen von Frau Merkel zu Arbeits- und Urlaubszeiten in Griechenland. Die gleiche FDP, die die Steuern senken will, droht damit, bei einer europäischen Ei
Wo ist die europäische Vision? Wie provinziell muss man sein, um zu glauben, durch Kleinstaaterei der Lösung der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise näherzukommen!
Wenn wichtige Exportpartner eines Landes ihre Währungen abwerten und Zollschranken errichten können, dann brechen Gewinnerwartungen ein, dann sind in der Folge Arbeitsplätze gefährdet, und dann verringern sich auch die Steuereinnahmen und dass für den Konsum verfügbare Geld der Allgemeinheit. Das bekommen übrigens alle zu spüren vom Kellner bis zur Bauunternehmerin.