Protokoll der Sitzung vom 26.08.2011

„Hunderte Jobs bei der HSH-Nordbank in Gefahr“

Im Text hieß es:

„Die Schätzungen reichen von wenigen 100 bis zu 1.000 Jobs.“

Das ist seit dem 13. Juli 2011 bekannt. Angesichts dessen ist Aufregung heute nicht angebracht.

Das Ergebnis ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HSH-Nordbank sehr schmerzlich. Deswegen war es guter Stil des neuen Vorstandsvorsitzenden, Herrn Dr. Lerbinger, dass er die Mitarbeiter in zwei Versammlungen unverzüglich informiert hat: genauso schnell, wie die Regierung uns informiert hat, werden auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informiert. Ich habe auch erfreut zur Kenntnis genommen, dass die Information zunächst

am Standort Kiel und erst anschließend in Hamburg erfolgt ist. Es tut gut, wenn man sieht, dass der Standort Kiel erste Priorität genießt.

Der Sachverhalt an sich - insoweit gibt es hier gar nichts zu dramatisieren - ist eine logische Konsequenz aus den Vorgaben der EU-Kommission.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein!)

- Herr Kubicki, wenn die Vorgabe der EU-Kommission lautet, das Geschäftsvolumen der HSHNordbank gegenüber den bisherigen Planungen noch weiter zu reduzieren und die Bilanzsumme noch einmal um rund ein Viertel zu senken, dann wird man das Geschäft der Bank nicht mit demselben Personal wie bisher fortführen können. Die HSH-Nordbank ist keine öffentliche Beschäftigungsgesellschaft, sondern eine Bank, die ihr Geschäft betreibt.

Im Grunde müssten wir alle froh sein; denn das sind doch alles Geschäfte, die wir nicht mehr betreiben wollen. Es sind genau die Geschäfte, die wir vorher kritisiert hatten. Jetzt gibt uns die EU-Kommission Anlass, uns tatsächlich auf den Kernbereich des Geschäfts zu konzentrieren, das wir von einer Landesbank eigentlich erwarten. Dann ist es doch die logische Konsequenz, dass wir nicht mehr die Mitarbeiter brauchen, mit denen die bisherigen Geschäfte getätigt wurden, die wir doch alle gemeinsam kritisiert haben. Wenn die Bilanzsumme wieder auf 200 Milliarden € steigen soll und wenn dieselben Geschäfte wie in den Jahren 2003 bis 2006 getätigt werden sollen, dann brauchen wir wieder mehr Mitarbeiter. Wenn wir eine kleinere Bank mit 82 Milliarden € Bilanzsumme anstreben, dann ist das, was ich geschildert habe, die naheliegende, logische Konsequenz; denn die Bank soll positive Geschäftsergebnisse liefern.

Nächster Punkt! In dem Fragenkatalog der SPDFraktion wird auch die Einmalzahlung von 500 Millionen € angesprochen. Man kann sich nur wundern, in welchem Duktus Sie versuchen, das in eine skandalöse Ecke zu rücken. Die EU-Kommission macht die Vorgabe einer zusätzlichen Zahlung der HSH-Nordbank an den HSH-Finanzfonds für die gewährten Garantien; das belastet das Ergebnis der HSH-Nordbank und schmälert deren Eigenkapital. Dann wird vereinbart, dass diese 500 Millionen € als Kapitalerhöhung wieder in die Bank fließen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Von wem mit wem?)

(Tobias Koch)

- Herr Kollege Kubicki, auch dazu komme ich gleich. - Das ist der Vorschlag, der jetzt auf dem Tisch liegt. Mit dem Geld, dass der HSH-Finanzfonds von der Bank bekommt, stärken wir anschließend, im zweiten Schritt, wiederum die Eigenkapitalstruktur der Bank. Das geschieht deshalb, weil die Bank auf eine gute Eigenkapitalstruktur angewiesen ist, um die verbleibenden über 2.000 Arbeitsplätze zu sichern. Wir können uns doch nicht zunächst hinstellen und sagen, dass der Abbau von 900 Arbeitsplätze ganz furchtbar sei, wenn wir anschließend nicht bereit sind, das zu tun, was notwendig ist, um über 2.000 Arbeitsplätze zu erhalten.

Im Beteiligungsausschuss - ich glaube, das kann ich sagen, auch wenn er vertraulich getagt hat - ist selbstverständlich dargestellt worden, dass sich aus den EU-Vorgaben Änderungskonsequenzen für den geschlossenen Garantievertrag ergeben. Einzelheiten werden uns zugeleitet, und es wird auch zu einer Befassung der Parlamentsgremien kommen.

Das Modell, das auf dem Tisch liegt, ist schlüssig. Die Bank zahlt zusätzlich 500 Millionen € an die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein; darüber können wir uns im ersten Schritt freuen. Im zweiten Schritt ist es unsere Verantwortung, die Bank erneut mit Kapital auszustatten, sodass sie ihre Geschäfte weiterhin betreiben kann. Wir wollen die Bank nicht abwickeln. Das Geld, das wir von der Bank bekommen, verwenden wir, um die Kapitalstruktur der Bank zu stärken.

All diese Informationen sind vorhin vonseiten der Regierung im Beteiligungsausschuss gegeben worden. Zusätzlichen Erkenntnisgewinn hat die heutige öffentliche Debatte im Plenum nicht gebracht. Alle Fakten sind vorhin - sogar noch eingehender - im Beteiligungsausschuss vorgetragen worden. Gleichwohl war es sicherlich dem Thema angemessen, dass sich das Parlament damit beschäftigt hat. Deswegen haben wir dem Antrag auf Feststellung der Dringlichkeit heute ohne Weiteres zugestimmt. Wenn die heutige Debatte zur Versachlichung und Aufklärung beigetragen hat, dann ist das schon einmal ein gutes Ergebnis.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Das Wort erhält Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki von der Fraktion der FDP.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass auch ich gestern Nachmittag von Medienvertretern auf das angesprochen worden bin, was bei der HSH-Nordbank passiert. Ich hatte vorher keine Kenntnis davon, was mich durchaus überrascht hat.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Warum sollte es Ihnen besser gehen als uns?)

- Das stimmt, aber es kann mich doch trotzdem überraschen, weil ich immer noch in einer Regierungskoalition sitze mit einem Partner, der offensichtlich früher unterrichtet war als ich; das ist ja auch in Ordnung so.

(Lachen bei der SPD)

- Ich nehme das schon ziemlich ernst. - Ich möchte am Anfang darauf hinweisen, dass der Abbau von weiteren 900 Mitarbeiterstellen in Kiel, Hamburg und anderswo nicht Folge einer Auflage der EUKommission ist, sondern Folge einer falschen Geschäftspolitik der Bank in der Vergangenheit. Darüber haben wir schon debattiert.

(Beifall bei FDP und SSW)

Wir als FDP haben schon im Zusammenhang mit der Gewährung des Rettungsschirms des Landes Schleswig-Holstein darauf hingewiesen, dass europarechtliche Rahmenbedingungen zu beachten sind, dass die Verzinsung des eingesetzten Kapitals möglicherweise als zu gering erachtet wird, woraus unter Umständen beihilferechtliche Konsequenzen abzuleiten sind. Das ist geschehen - ich sage das ausdrücklich - dankenswerterweise weniger stark, als es zunächst zu befürchten war. Wir wissen, dass die Komplettabwicklung der Bank tatsächlich im Raum stand. Die Folge wäre ein Totalverlust der Anteile gewesen, die Schleswig-Holstein, Hamburg und andere an der Landesbank halten.

Ich halte es für untunlich, über die Geschäftspolitik dieser Bank in einem öffentlichen Gremium wie dem Plenum zu debattieren; denn es muss auch in unserem Interesse liegen, die Werthaltigkeit unserer Anteile nicht nur zu halten, sondern auch zu stärken. Aber zumindest in einer vertraulichen Sitzung des Finanzausschusses oder des Wirtschaftsausschusses muss über verschiedene Fazilitäten dessen, was uns heute auf dem Tisch liegt, geredet werden.

(Vereinzelter Beifall bei FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Tobias Koch)

Ich will das deutlich ansprechen: Mich hat schon früher das Gefühl beschlichen, dass nicht Schleswig-Holstein Anteile an der Bank hält, sondern dass die Bank sich Schleswig-Holstein hält - im Zweifel als Kapitalgeber, Herr Koch.

(Beifall der Abgeordneten Ingrid Brand- Hückstädt [FDP])

Ich betone: Über die Frage, was mit einem ausschüttungsfähigen Betrag, den die Bank an Schleswig-Holstein zu zahlen hat, geschieht, entscheidet weder der Bankvorstand noch die Landesregierung oder unsere Koalition, sondern das Parlament.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Bevor es überhaupt öffentlich thematisiert wird, sodass es gar keine Rückzugsmöglichkeiten mehr gibt - wie stünde denn der neue Vorstandsvorsitzende dar, wenn wir jetzt erklären würden, wir machen das so nicht, weil wir andere Vorstellungen haben -, hätte ich mir gewünscht, wir hätten das intern in den Ausschüssen des Parlamentes oder im Parlament in den zuständigen Gremien erörtern und ein Meinungsbild dazu erhalten können, bevor wir mit den Fakten konfrontiert werden. Das ist mein Verständnis des Umgangs eines Vorstands mit dem Anteilseigner, dem Mehrheitsbesitzer.

Das würde übrigens auch jeder in der Hauptversammlung durchsetzen. Da würde man sagen: Wenn der Vorstand etwas propagiert, was nicht vorher im Aufsichtsrat abgestimmt und mit dem Mehrheitsanteilseigner erörtert worden ist, werden wir denen einmal zeigen, wo der Hammer hängt. Nicht der Vorstand ist Eigentümer der Bank, sondern das Land Schleswig-Holstein und die Freie und Hansestadt Hamburg. Dafür zuständig ist das Parlament in den jeweiligen Städten. Was machen wir - das frage ich, das ist das, worauf es ankommt - eigentlich, wenn die anderen Anteilseigner mit der Verwässerung ihrer Anteil nicht einverstanden sind? Da stand schon im Jahr 2009/2010 eine Ankündigung im Raum, dass Herr Flowers sich überlegt, ob er gegen die weitere Verwässerung seiner Anteile Klage erheben wird.

Ich sage einmal als Jurist, der sich in dem Bereich ein bisschen auskennt: Ganz chancenlos wäre eine solche Klage nicht. Den ursprünglichen Anteilswert würde er sich im Zweifel von Schleswig-Holstein oder von den anderen Anteilseignern wiederholen. Ich sage das nur ganz vorsichtig.

Was machen wir denn - auch das sage ich ganz vorsichtig - mit der neuen Ausrichtung der Bank?

82 Milliarden € ist - glaube ich - die untere Grenze, bei der die Bank überhaupt überlebensfähig wäre. Aber wo will sie ihre Renditeüberlegungen realisieren, wenn nicht gleichzeitig in bestimmten Geschäftsfeldern wiederum unter Umständen Konkurrenzsituationen zu unseren Sparkassen auftreten? Welche Auswirkungen haben die Anteilsverwässerungen auf die Wertanteilsentwicklungen bei den Sparkassen und damit auf deren Eigenkapitalausstattung in Schleswig-Holstein? - All dieses hätte ich gern erörtert, bevor ich es in der Presse lesen. Das ist mein einziger Kritikpunkt.

Ansonsten denke ich, sollten wir den Rest der Veranstaltung wirklich an die zuständigen Ausschüsse überweisen.

Ein einziger Punkt noch, der mich als Strafrechtler ein bisschen - sagen wir einmal - kritisch werden lässt: Ich habe noch nie erlebt, dass in großen Wirtschaftsstrafverfahren zwischen Ermittlung, Anklageerhebung und Verurteilung ein Zeitraum von zwei Jahren eingehalten werden kann. Wenn es zutreffend sein sollte, dass in einem Aufhebungsvertrag steht, dass Ansprüche Schleswig-Holsteins binnen zwei Jahren geltend gemacht werden müssen, wäre dies nach meiner Einschätzung keine konsequente Umsetzung dessen, was im Kabinett in Schleswig-Holstein beschlossen worden ist. Das will ich noch einmal zu Protokoll geben.

(Beifall bei FDP, SPD und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Kollegin Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die HSH Nordbank ist einer der größten Arbeitgeber des Landes. Von daher steht es uns gut zu Gesicht, uns heute mit dem Bericht zu beschäftigen und dass die Landesregierung hier einen Bericht gibt, denn es geht um den Abbau von Hunderten von Arbeitsplätzen. Das sollten wir sehr ernst nehmen und dieses auch signalisieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Die Auflagen der EU, die es jetzt gibt, sind die Konsequenz aus den Fehlern, die in der Vergangenheit gemacht worden sind. Das muss man so klar sagen. Positiv ist, dass die EU das Land nicht gezwungen hat, sehr zeitnah die Bank zu verkaufen,

(Wolfgang Kubicki)

weil es dann erhebliche Probleme gegeben hätte, die Werthaltigkeit auf ein Maß zu bringen, welches gewährleistet hätte, dass das Land tatsächlich das herausbekommt, was es hineingesteckt hat. Ob ein späterer Verkauf dies ermöglicht, wird man sehen. Da ist jede Prognose schwierig.

Schwierig ist natürlich die Aufgabe bestimmter Geschäftsbereiche der HSH Nordbank, die jetzt erfolgen muss. Diese wiederum zieht in der Logik den Abbau von Arbeitsplätzen nach sich. Das ist sehr bitter. Wenn man es zusammenfasst, kann man sagen: Diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die loyal und unermüdlich für ihre Bank in den letzten Jahren gearbeitet und sich eingesetzt haben, müssen jetzt um ihren Arbeitsplatz bangen, weil Vorstände und Aufsichtsräte gravierende Fehler gemacht haben. Das ist die eigentlich schlechte Nachricht des Tages.

Jetzt ist es entscheidend, dass es ein neues Geschäftsmodell gibt, das trägt - ein Geschäftsmodell, das Perspektive hat, das die Werthaltigkeit der Bank steigern kann. Für uns als Kieler und als Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner ist natürlich entscheidend, dass dabei der Arbeitsstandort Schleswig-Holstein nicht überproportional betroffen wird. Die Landesregierung hat heute ja gesagt, in welchem Verhältnis der Stellenabbau geschehen soll. Dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heute Morgen auch von Herrn Lerbinger informiert worden sind, war richtig und notwendig. Ich erinnere an Zeiten von Herrn Nonnenmacher, wo das nicht so vorbildlich passiert ist, dass diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in schwierigen Zeiten direkt angesprochen worden sind.

Wenn es der HSH Nordbank gelingen sollte, sich wieder zu einer regional starken Bank zu entwickeln, die unsere Wirtschaft in Schleswig-Holstein stärkt und stützt - sei es mit Kreditprogrammen oder konzeptionell mit der Unterstützung, die Unternehmen bei der Frage der Weiterentwicklung, Neugründung, Bestandserhaltung brauchen -, dann wäre dies ausgesprochen gut, auch für die Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein. Allerdings - Herr Kubicki hat es eben angesprochen - steht natürlich die Frage der Konkurrenz zu denjenigen, die bisher die Wirtschaft mit Krediten stärken, im Raum. Insofern müssen wir uns auch damit beschäftigen.

Zu den 500 Millionen €, die jetzt im Raum herumschwirren und die jeder angesichts der Haushaltsschwierigkeiten des Landes gern hätte, kann ich für meine Fraktion nur sagen: Wir erwarten ein parlamentarisch sauberes Verfahren, das ist ganz klar. Wir erwarten, dass Alternativen aufgezeigt werden.