Protokoll der Sitzung vom 14.09.2011

Die finanziellen Mehrbelastungen des Bürgers scheinen bei Ihnen politisches Programm zu sein, Herr Stegner.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Um es einmal einzuordnen: Es liegt der Vorschlag von den Grünen auf dem Tisch, den Spitzensteuersatz auf 45 % des Einkommens zu erhöhen für Einkommen ab 60.000 €. Das bringt bundesweit 2,5 Milliarden €, davon stehen den Ländern 42,5 % zu, davon bekommen wir in Schleswig-Holstein 3,5 % nach dem Königsteiner Schlüssel, das macht 35 Millionen €.

Das zeigt: Selbst diese Steuererhöhung würde unsere finanziellen Probleme nicht lösen, und die Wirkung wäre voraussichtlich geringer als die dieses Glücksspielgesetzes.

(Zurufe von der SPD)

Jetzt mögen Sie sagen, von der Zahl 60 Millionen €, die im Raum steht, entfielen 48 Millionen allein darauf, dass wir wieder den Onlinevertrieb im Lottobereich zulassen. Das sei eine absolute Selbstverständlichkeit, weil sich das auch aus dem Staatsvertrag ergebe, Onlinevertrieb von Lotto. Wenn das eine Selbstverständlichkeit ist, frage ich mich: Warum mussten wir 2007 einen Staatsvertrag verabschieden, der den Onlinevertrieb untersagt hat? Der Kollege Hans-Jörn Arp und ich waren schon damals der Auffassung, dass das der falsche Weg ist, und haben uns damals enthalten. Es war ausschließlich die SPD, der damalige Koalitionspartner, die darauf bestanden hat, dass wir diesem Staatsvertrag zustimmen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Andreas Beran [SPD]: Zu Recht!)

Es war Ihre politische Fehlentscheidung und damit auch Ihre Verantwortung, dass Schleswig-Holstein in den letzten Jahren Jahr für Jahr 40 Millionen bis 50 Millionen € Einnahmen aus dem Lottobereich entgangen sind - in der Summe also 200 Millionen €. Wir hätten alle Bauten für Forschung und Wissenschaft am UK S-H aus diesen Einnahmen der letzten vier Jahr finanzieren können. Es ist Ihre Verantwortung, dass Schleswig-Holstein diese Einnahmen entgangen sind.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn wir auf die Glücksspielabgabe im Sportwettenbereich schauen, können wir uns trefflich darüber streiten, ob das 8 Millionen oder 12 Millio

nen € sind. Auf jeden Fall ist es mehr als bisher, denn bisher haben wir nichts, gar nichts. Das Spiel läuft im Ausland und damit an uns vorbei, ohne dass Steuern in Deutschland gezahlt werden - keine Steuern oder Abgaben!

(Zuruf des Abgeordneten Christopher Vogt [FDP])

Diese Zahlen von 8 Millionen beziehungsweise 12 Millionen € beziehen sich ausschließlich auf die Abgabe. Wenn Unternehmen nach Schleswig-Holstein oder nach Deutschland kommen, hier Arbeitsplätze schaffen und dafür Lohnsteuer bezahlen, kommt das noch obendrauf. Wenn die auch noch Werbung in Deutschland machen, zahlen sie Umsatzsteuer. Auch das kommt mit dazu. Das sind doch genau die Wachstumseffekte, die wir uns wünschen, die zu Steuermehreinnahmen führen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist Realwirt- schaft? - Das ist Ihre Wirtschaftspolitik!)

- Ja, das ist Realwirtschaft. Wenn hier gearbeitet und geworben wird, ist das durchaus Realwirtschaft. Das sind die Wachstumseffekte und Steuermehreinnahmen, die wir wollen. Wir wollen nicht immer nur bei Bürgerinnen und Bürgern mit höheren Steuern abkassieren, sondern wir wollen die Unternehmen besteuern und dort Abgaben verlangen, wo bisher Geschäfte im Ausland am deutschen Fiskus vorbei betrieben worden sind. Das schaffen wir mit diesem Gesetz.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Kollegen Lars Harms.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn der Kollege Kalinka davon spricht, dass Suchtprävention Vorrang habe und oberstes Ziel sei, muss ich doch noch etwas dazu sagen, weil das definitiv nicht stimmt. Es werden hier neue Spiele zugelassen. Es gibt private Anbieter, die derzeit nicht legal Spiele anbieten können, die aber eine gewisse Menge Umsatz machen. Sie kommen jetzt in unser Land, und sie werden das nicht nur machen, um den Umsatz zu halten, sondern natürlich um ihn auszuweiten. Alles andere wäre aus dieser Sicht auch unsinnig. Das führt natürlich auto

(Tobias Koch)

matisch zu mehr Spiel und damit auch zu mehr Sucht.

Wenn also tatsächlich die von den Herren Arp und Kubicki erwähnten 40 Firmen mit den von Ihnen genannten mindestens 50 Mitarbeitern pro Firma kommen - am Anfang, das ist nur der Anfang -, wenn sie sich hier wirklich tummeln, dann machen sie das nicht, um den Umsatz auf der ganzen Welt zu halten, sondern dann machen die es natürlich, um den Umsatz in der Bundesrepublik Deutschland und speziell hier in Schleswig-Holstein zu steigern. Das führt zu einem Mehr an Spiel. Im Übrigen führt die Lizenz, die die Firmen hier erwerben, auch dazu, dass das bisherige Werbeverbot für diese Firmen fällt. Werbung bedeutet immer: mehr Umsatz. Deshalb macht man Werbung. Das führt automatisch dazu, dass auch mehr Leute spielen werden.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das wollen die doch!)

Es werden nicht nur die abgeklärten Menschen sein, sondern es wird auch die Menschen treffen, die jetzt süchtig sind. Meine Damen und Herren, das ist nicht Einschränken von Spielsucht, sondern das ist Befördern von Spielsucht.

(Beifall bei SSW, der LINKEN und verein- zelt bei der SPD)

Als Nächstes zu den Einnahmen. Ich habe vorhin schon einmal gesagt: Die Landesregierung kann weder sagen, ob Mehreinnahmen generiert werden, noch, wie hoch diese dann möglicherweise sein werden. Dazu gibt es auch eine Kleine Anfrage von mir. Aber eigentlich noch viel wichtiger ist, dass wir auch ein Risiko eingehen, Einnahmen zu verlieren.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ja, sicher!)

Wenn Sportwetten immer und überall - 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche - für den Spieler verfügbar sind, was passiert dann mit Oddset? Das ist ein relativ starres Spiel.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Christopher Vogt [FDP]: Ist doch so!)

- Lieber Herr Kubicki, Sie lassen aber mehr zu, als derzeit illegal machbar ist. Das schadet eben gerade auch Oddset.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Und da bekommen wir Probleme. Wenn dann darüber hinaus

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- lieber Kollege Arp - das vergleichsweise langweilige Spiel, langfristig auf irgendwelche Ergebnisse zu setzen, noch dadurch ergänzt wird, dass man Ereigniswetten abschließen kann - wer nach drei Minuten die erste rote Karte kriegt -, darf man sich nicht wundern, wenn diese traditionellen Spiele natürlich an Umsatz verlieren. Das kann schon passieren.

(Beifall des Abgeordneten Andreas Beran [SPD])

Gleiches gilt im Übrigen auch - darauf will ich nicht näher eingehen - für den Lottoblock. Natürlich wird es schwieriger, hier Lotto zu spielen, und es wird auch unattraktiver, wenn uns das wegfällt. Damit werden dort auch Umsätze einbrechen.

Ein Letztes ganz kurz zur Kohärenz. Kohärenz bedeutet, dass alle 16 Bundesländer einheitlich handeln und einheitlichen Gesetzen unterliegen. Das ist derzeit nicht der Fall. Weder der Staatsvertrag, der möglicherweise zwischen 15 Bundesländern geschlossen wird, noch unser Gesetz sind kohärent. Was passieren kann, ist, dass wir auf EU-Ebene um einmal ein Zitat zu verwenden - so eine „Klatsche“ kriegen, dass gar nichts gilt und dass wir dann hier in Schleswig-Holstein, aber auch in der ganzen Bundesrepublik Wildwest haben.

(Christopher Vogt [FDP]: So viel Unsinn!)

Sie, lieber Kollege Kubicki, befördern das dadurch, dass Sie diesen Alleingang machen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie verstehen überhaupt nichts davon! - Glocke des Präsi- denten)

Viel wichtiger ist es, jetzt an einer Einigung der Bundesländer zu arbeiten und eben diesen Alleingang nicht zu machen. Der Alleingang an sich führt schon dazu, dass wir Gefahr laufen, dass wir Wildwest in Schleswig-Holstein und darüber hinaus bekommen.

(Zuruf der Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] und Anke Spoorendonk [SSW])

Allein das müsste Sie davon abhalten, diesen unsinnigen Weg zu gehen.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

(Lars Harms)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Kollegen Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wieder einmal bedauerlich, wenn Argumentationen durch Vermutungen, Mutmaßungen und Unterstellungen ersetzt werden, weil das die Debatte in der Sache wirklich erschwert.

(Zuruf)

Herr Kollege Dr. Stegner, es ist leider in drei Minuten nicht möglich, das darzustellen, aber ich empfehle Ihnen erstens wirklich die Lektüre der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Halle - rechtskräftig -, Sachsen-Anhalt, zur Frage der Organisation des Glückspielwesens.

Zweitens. Herr Kollege Habeck, die Vermutung, Werner Kalinka hätte mit dieser Resolution mit weißer Salbe eingerieben werden müssen, ist deshalb falsch - ich darf das sagen, Werner -, weil die Resolution von ihm ist.

(Zurufe)