Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

Das, was Sie, Frau Kollegin Spoorendonk, dazu gesagt haben, wie man in veränderten Zeiten reagiert, lohnt eine ernsthafte Erörterung. Die sollten wir im Ausschuss oder bei anderer Gelegenheit einmal vornehmen. Denn die Themen Terrorgefahr und Attentatsgefahr sind die dominanten Themen dieses Verfassungsschutzberichts. Dahinter stehen andere Themen - in der Gewichtung erkennbar - deutlich zurück, jedenfalls aus meiner Sicht.

Zweite Bemerkung. Kollegin Amtsberg hat hier gesagt, gegen Rechts könne man auf die Straße gehen. Ich finde es wichtig, dass man einmal in diesem Haus und woanders zur Kenntnis nimmt, dass es eine Abstufung gibt. Das eine ist links und rechts, das andere ist links- und rechtsradikal, noch weiter liegen links- und rechtsextremistisch. Wir müssen

beginnen, diese Abstufungen, die eigentlich selbstverständlich sind, auch in der Gewichtung, auch in unserer Sprache zum Ausdruck zu bringen.

(Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wo stehen Sie?)

Man kann also durchaus links sein, ohne linksextremistisch zu sein.

(Beifall der Abgeordneten Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich meine, das muss in der Sprache auch wieder sichtbarer werden.

(Zuruf der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

- Erst bei sich selbst anfangen!

Dritter Punkt: Niemand ist ohne Fehler. Wenn es bei einem Dienst und anderswo Fehler gibt, Herr Kollege, kann man die ansprechen. Es können auch einmal Gewichtungen zur Diskussion stehen. Dafür beraten wir so etwas auch in Ausschüssen. Das ist überhaupt gar kein Punkt, den man nicht ansprechen darf. Natürlich darf man den ansprechen. Das ist gar kein Thema. Aber es ist derzeit kein Fehler oder Versäumnis in Schleswig-Holstein erkennbar. Insofern stellt sich die Frage nicht. Aber verboten ist dies grundsätzlich natürlich nicht.

Vierter Punkt: Lübeck. Ich meine, dass es ein großer Wert ist, dass wir in Lübeck im Prinzip gegenseitig - in Anführungsstrichen - friedliche Demonstrationen haben. Ich kann sehr gut verstehen, dass man nicht will, dass die Nazis durch das Holstentor gehen. Es ist völlig verständlich, dass dort gegengehalten wird. Ich glaube aber, dass wir auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir gut daran tun, dieses Thema nicht in allen Bereichen immer weiter nach oben zu ziehen. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Ich will das für alle sagen. Ich will das deswegen gar nicht weiter vertiefen. Aber ich glaube, es wäre gut, wenn wir der Offenheit, die hier vonseiten der Polizei seit Jahren an den Tag gelegt wird - mit der Vorplanung der Demonstration und dem Darlegen und damit, dass wir Gott sei Dank keine Auseinandersetzungen, jedenfalls nicht der härteren Art, haben -, auch bei uns gerecht werden und deswegen dieses Thema ein Stück nicht zum Mittelpunkt einer Debatte machen, in die es nicht hingehört. Nicht hingehört ist falsch, wo es nicht die Gewichtung hat. Es gehört selbstverständlich dahin.

Die letzte Bemerkung: Herr Kollege Schippels, Sie haben gesagt, der Bericht sei so unnötig wie die

(Wolfgang Baasch)

Arbeit des Verfassungsschutzes in SchleswigHolstein. Da muss ich Ihnen in der Tat sagen, dass Sie die Sache in diesem Punkt nicht verstanden haben. Denn dass es Gefahren für diesen Staat und für unsere Bürger gibt - erhebliche Gefahren durch Terror, Gewalt und Extremismus -, kann gerade nach diesem Bericht überhaupt niemand leugnen. Dies in dieser Form in Abrede zu stellen, ist nicht nur eine Fehleinschätzung, es wäre verhängnisvoll, wenn man einen solchen Weg gehen würde. Deswegen stehen wir zum Verfassungsschutz, zu seiner Arbeit und zu den Aussagen, die in dem Bericht getroffen werden.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte veranlasst mich doch, zu zwei Punkten Stellung zu nehmen.

Zum einen. Ich habe bei einer der letzten Demonstrationen in Lübeck, an denen ich regelmäßig teilnehme, mit der Bischöfin Jepsen unterhalten. Da hat sie mir gesagt, in ihrer Kirche gebe es viele, die es nicht gut fänden, dass sie daran teilnehme, weil man da mit Leuten zusammen sei, mit denen man nichts gemein habe. Sie hat gesagt: Wenn in Deutschland Nazis aufmarschieren, ist mein Platz dort, um zu verhindern, dass das passiert. Und dann muss ich in meiner Rede deutlich machen, dass in Demonstrationen kein Platz für Gewalt ist, denn das ist genau das, was die wollen: dass wir die Grundrechte, die die beseitigen wollen, nicht einhalten.

Deswegen finde ich, dass dies die richtige Ordnung ist, indem man auch deutlich macht, dass die Polizisten, die wir haben, das Recht schützen und nicht die Rechten. Sie stehen dort nicht gern, das muss man meiner Meinung nach sehr deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei CDU, FDP und SSW)

Ich finde, es ist in Deutschland immer etwas anderes als in anderen Ländern, wenn hier Rechtsextremisten aufmarschieren. Aufgrund unserer Geschichte wird dies nie das Gleiche sein können. Bei unseren Diskussionen sollten wir immer bedenken,

dass es dann, wenn demokratische Parteien über den Umgang mit Nazis streiten, nur einen Gewinner gibt, nämlich die Nazis selbst.

(Beifall bei der SPD)

Daher finde ich es wichtig, dass man es vermeidet, Instrumentalisierungen vorzunehmen. Ich fand es auch bemerkenswert, was die Kollegin Spoorendonk gesagt hat. Ich will dies aber noch in eine andere Richtung wenden. Bei dem Maß an Politikund Parlamentsverachtung, das wir in der gegenwärtigen Zeit teilweise erleben, ist es wichtig, einen Beitrag dazu zu leisten, dass wir an bestimmten Stellen keine Ermutigungen des Populismus leisten, wie sie in erschreckender Weise von dem Attentäter in Norwegen auch textlich verarbeitet worden sind. Meine Fraktion wird in der nächsten Landtagssitzung einen Antrag zum Thema Rechtspopulismus einbringen, weil wir glauben, dass man sich mit dem Thema sehr ernsthaft auseinandersetzen muss.

Ich fand es bewundernswert, was der norwegische Regierungschef gesagt hat. Insgesamt bleibt es aber eine wichtige Aufgabe für uns selbst, die Hemmschwelle nicht herabzusetzen, wenn Leute ernsthaft glauben und sagen: Diese ganze Politik taugt nichts, wir müssen uns gegen diejenigen wenden, die sich zum Beispiel für Toleranz in der Gesellschaft einsetzen. - Hier gibt es etwas, was meiner Meinung nach in Teilen unterschätzt wird und worum wir uns wirklich kümmern müssen. Das sollte unser gemeinsames Anliegen hier in diesem Haus ein.

(Beifall bei SPD, der LINKEN, SSW und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 17/1494, an den Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen. Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt für heute erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:

Datenschutz in privaten Netzwerken sichern

Antrag der Frakton BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1770 (neu)

(Werner Kalinka)

Appell für datenschutzrechtliche Verantwortung

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/1823

Daten aller Internetnutzerinnen und -nutzer wirksam schützen

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/1826

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Thorsten Fürter das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren in immer kürzeren Abständen über Fragen des Datenschutzes und der Netzpolitik. Der eine oder andere wird sich vielleicht überlegen: Müssen wir solche neuen Themen überhaupt im Landtag diskutieren? - Ich sage ganz klar: Ja, das müssen wir. Wir müssen im Landtag über netzpolitische Grundsatzfragen sprechen.

Die gestrige Debatte zum Glücksspielgesetz und über den Glücksspielstaatsvertrag, die wenn man es ehrlich sieht, auch eine Art der netzpolitischen Debatte darstellt, hat auch gezeigt dass wir durch alle Bereiche des Wirtschafts- und Soziallebens die Frage stellen müssen: Was bedeutet das Dazukommen dieses neuen Mediums Internet für die Bereiche der Politik und der Rechtspolitik?

Herr von Abercron, ich möchte es an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Ich bin Ihnen und Frau BrandHückstädt dankbar dafür, dass Sie das Thema Facebook und die Datenschutzproblematik zur Beratung im Innen- und Rechtssausschuss angemeldet haben, dass wir diese Themen dort diskutiert haben und dass wir eine Debatte in Gang gebracht haben. Sie werden zur Kenntnis genommen haben, dass diese Debatte es ermöglicht hat, dass wir unseren Antrag, den wir ursprünglich gestellt haben, ändern, weil Sie einen Fortschritt in die Debatte hineingebracht haben.

Soziale Netzwerke im Internet sind heute einer der Orte, in denen sich die Bürgergesellschaft austauscht, diskutiert, Freundschaften schließt; schlicht lebt. Es geht um Sportvereine, um Theater, um Ju

gendgruppen, es geht aber auch um politische Initiativen wie zum Beispiel die Initiative „Tigran bleibt hier“, die sich sehr stark über das Internet, über Facebook und über soziale Netzwerke insgesamt organisiert hat. Wir wissen nicht, ob es Facebook in fünf Jahren noch geben wird. Wir wissen aber, dass es solche Räume und solche sozialen Netzwerke geben wird. Uns Grünen ist es wichtig, dass solche Räume als Räume der Freiheit und der Demokratie erhalten bleiben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist im Grundsatz alles, was in die Richtung der Abschaltung oder der Einschränkung solcher Angebote geht, erst einmal kein Ziel von grüner und freiheitlicher Netzpolitik. Ich sage aber auch ganz deutlich: Freiheit setzt Selbstbestimmung voraus. Das beinhaltet die Möglichkeit, selbst entscheiden zu können, wie mit den eigenen Daten verfahren wird. In dieser Hinsicht ist gerade Facebook zurzeit kein Ort der Freiheit und der Selbstbestimmung. Deswegen sind wir dem Datenschutzbeauftragten dankbar, dass er Bewegung in die Diskussion um den Datenschutz bei Facebook gebracht hat.

Facebook hat beispielsweise zugegeben, bei Nichtmitgliedern einen Cookie zu setzen, sobald diese nur einmal die Seite von Facebook betreten haben. Der Beteuerung, dass darüber keine Profile erstellt werden, darf man nicht einfach glauben. Die Möglichkeit dazu besteht jedenfalls. Damit folgt Facebook bis zu zwei Jahre jemandem, der nicht Mitglied ist und mit Facebook vielleicht gerade nichts oder nichts mehr zu tun haben möchte. Wir erwarten von Facebook, dass gemeinsam mit der Politik und dem Datenschutzbeauftragten Lösungen entwickelt werden, die sicherstellen, dass meine Daten tatsächlich mir gehören.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jezewski?

Ja, klar.

(Peter Eichstädt [SPD]: Das war ein Spam- Filter!)

- Nein, die Daten fließen noch nicht.

(Zurufe)

(Präsident Torsten Geerdts)