Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

Der Bundeskanzlerin ist klar geworden, dass die finanzschwachen Länder - Schleswig-Holstein gehört nach 21 Jahren SPD-Regierung leider dazu - keine Chance haben werden, die ihnen ab 2020 zwingend vorgeschriebenen Vorgaben für eine Nettoneuverschuldung von null zu erreichen, wenn Ihnen durch die geplanten Maßnahmen des Bundes neue, zusätzliche Finanzlasten aufgebürdet werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann ganz eindeutig sagen: Schleswig-Holstein wird im Bund wieder ernst genommen, Schleswig-Holstein hat gekämpft, Schleswig-Holstein hat dem Bund erhebliche Zugeständnisse abgerungen. Das sind alles Dinge, die die bisherigen schleswig-holsteinischen Landesregierungen der vergangenen 20 Jahre nicht einmal versucht haben. - Sie haben es nicht einmal versucht, Herr Kollege Stegner.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich habe im „Stern“ gelesen - vielleicht lesen Sie dieses Magazin -, der Ministerpräsident habe mit Löwenmut gekämpft. Wenn man schon in die Geschichte zurückgehen und von Sagengestalten reden will, so war er jetzt Prinz Löwenherz und nicht der Ritter von der traurigen Gestalt, Herr Kollege Dr. Stegner.

(Zurufe der Abgeordneten Detlef Buder [SPD] und Antje Jansen [DIE LINKE])

(Wolfgang Kubicki)

Es gibt vorzeigbare Ergebnisse. Das ist das, was Sie ärgert, Herr Stegner und Herr Habeck. Es gibt vorzeigbare Ergebnisse, die Sie uns ja nicht gewünscht hätten.

(Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das finde ich super! Da muss man wirklich einmal ehrlich sein!)

- Ja. Es gibt vorzeigbare Ergebnisse. Ich nenne sie gleich:

Erstens wird der Bund Länder und Kommunen von Zusatzkosten bei der Betreuung von Arbeitslosen entlasten. Dies ist für die Kommunen von erheblicher Bedeutung.

Liebe Sozialdemokraten, warum haben das SPD-regierte Rheinland-Pfalz, das SPD-regierte Bremen oder das Land Berlin das eigentlich nicht geschafft? Herr Kollege Stegner, warum hat eigentlich die SPD-Bundestagsfraktion keinen verfassungsändernden Gesetzentwurf zum Erhalt der ARGEn eingebracht?

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Sehr richtig!)

Sie stellen sich hier hin und machen polemische Ausführungen. Ich frage: Wo ist denn die SPD? Wo waren denn Ihre Anträge, eine Verfassungsänderung herbeizuführen? Ich höre nur, dass Ihre Bundestagsfraktion einer Verfassungsänderung nicht zustimmen würde, weil es der SPD entgegenkommt, dass die gesamte Organisation der Arbeitslosenverwaltung wieder über die Bundesagentur für Arbeit abgewickelt wird.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: So ist das!)

Ihre eigene Bundestagsfraktion will die ARGEn, die wir auf Landesebene haben, nicht. Deshalb werden wir im Bundestag auch keine verfassungsändernde Mehrheit bekommen. Aber sich hier hinzustellen und zu sagen: „Machen Sie doch etwas anderes!“, zeigt, wie schizophren die Sozialdemokratie auf allen Ebenen agiert.

(Beifall bei FDP und CDU - Wolfgang Baasch [SPD]: Das ist doch dummes Zeug, was Sie sagen!)

Zweitens gesteht der Bund den Ländern erhebliche Hilfen für den Schulausbau, die Ausbildung von Lehrern sowie die Schülerförderung zu. Der Anteil des Bundes bei der Finanzierung von Kindertagesstätten und Hochschulen soll deutlich erhöht werden. Es ist tatsächlich etwas, dass der Bund von 10 % auf 40 % geht, und das nicht nur bis 2013,

sondern dass er es dauerhaft macht. Das heißt, es ist eine dauerhafte Entlastung von Ausgaben, die Schleswig-Holstein sonst hätte tätigen müssen, und das ist etwas, was man gemeinhin Kompensation nennt.

(Beifall bei FDP und CDU)

Drittens - das ist sicherlich das umfangreichste Zugeständnis - wird der Bund den Ländern bei der Erreichung des Konsolidierungspfades hin zur Einhaltung der Schuldenbremse mehr entgegenkommen als bislang geplant. Es war schon ein Highlight, dass wir erst in dem Gespräch bei der Kanzlerin klarmachen konnten, worum es eigentlich geht. Es kann nicht sein, dass wir die 80 Millionen € Konsolidierungshilfe nicht bekommen können, weil wir den Konsolidierungspfad durch Mindereinnahmen, die der Bund verursacht, nicht erreichen. Damit hätten wir zweimal verloren. Das ist klar geworden, und deshalb hat der Bund die eindeutige Zusage gegeben, dass er uns dabei helfen will, den Konsolidierungspfad überhaupt zu erreichen, damit wir die Bundeshilfen bekommen können. - Das ist klasse, Herr Stegner. Ich weiß, dass Sie das nicht verstehen, aber das ist wirklich klasse.

(Beifall bei FDP und CDU)

Gestatten Sie mir an dieser Stelle, einmal auf die Presse-Essays der grünen Landtagsfraktion einzugehen. Herr Habeck, Sie sind mit Sicherheit ein schriftstellerisches Talent. Das kann ich nicht anders sagen. Doch leider vermischen Sie zu oft Fiktion und Wirklichkeit. Dass Sie erklären, das, was wir im Bundeskanzleramt vereinbart hätten, hätte überhaupt nichts mit neuen Vereinbarungen zu tun, sondern Ihnen läge bereits ein Schreiben aus Bayern vom 9. Dezember 2009 vor -

(Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihnen nicht?)

- Unabhängig von der Frage, ob mir ein Schreiben aus Bayern vorliegt, was hat das für eine Bedeutung?

(Heiterkeit bei FDP und CDU - Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sehen Sie gleich!)

- Das können Sie mir gleich erzählen, aber die Tatsache, dass die Ergebnisse unseres Gespräches in einem Schreiben aus Bayern, das drei Tage vorher geschrieben worden ist, nicht enthalten sein können, leuchtet eigentlich jedem ein.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Wolfgang Kubicki)

Mir jedenfalls. Das Schreiben aus Bayern kann ja eine Forderung gewesen sein.

(Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war die Vereinbarung!)

- Herr Habeck, wir reden ja nachher noch einmal darüber. Bedauerlicherweise sind Sie wieder auf dem Holzweg.

(Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war die Vorlage, die gestern besprochen wurde! - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bund-Län- der-Strategiegruppe! - Weitere Zurufe)

- Auch das, Frau Kollegin Heinold, zeigt mir, dass Sie schon lange nicht mehr in Regierungsverantwortung waren. Das, was vereinbart worden ist, ist auf der Grundlage einer Vorbesprechung der Chefs der Staatskanzleien erfolgt in einer Strategiegruppe, und gleichwohl gab es die konkrete Zusage, das Papier erst am gestrigen Tag auf der Grundlage einer Vorlage des Bundeskanzleramts. Glauben Sie mir das doch einfach einmal!

(Weitere Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber bleiben Sie bei Ihren Darstellungen. Das ist völlig wurscht. Das Ergebnis zählt für uns. Und das Ergebnis ist für Schleswig-Holstein ganz ordentlich - wie für alle anderen Bundesländer übrigens auch.

Ganz offenbar sind diese Zugeständnisse des Bundes für Schleswig-Holstein tatsächlich so erheblich, dass die SPD-Bundestagsfraktion die Bundeskanzlerin gleich am Montag deutlich kritisierte. So hieß es, die Finanzverteilung - man höre sich das wirklich an, Frau Heinold - zwischen den staatlichen Ebenen verstieße mittlerweile gegen das Grundgesetz, weil die Länder dem Bund immer wieder Steueranteile abgepresst hätten. Die Schieflage sei jetzt so krass, dass die Länder dem Bund rein rechnerisch allein für 2010 25 Milliarden € überweisen müssten - die Länder dem Bund! Herr Stegner, das ist Ihre Bundestagsfraktion, die erklärt, der Bund dürfe den Ländern nicht einmal mehr entgegenkommen, während Sie hier das genaue Gegenteil verfolgen. Wie schizophren ist das?

(Beifall bei FDP und CDU)

Die SPD-Bundestagsfraktion erklärt, das, was der Bund momentan macht, sei verfassungswidrig und der Bund müsse zurückfordern, und Sie fordern uns auf, mehr zu verlangen. Wie schizophren ist das eigentlich?

Herr Kollege Habeck, es wäre vielleicht sprachlich ganz gut, die grüne Bundestagsfraktion würde zur sprachlichen Abrüstung beitragen. Wer von Lösegeldforderungen der Länder spricht, der desavouiert sich im Zweifel auch. Es geht hier darum, dass man eine gerechte Finanzverteilung hinbekommt. Das hat mit Lösegeldforderungen, Piraterie oder sonstigen Geschichten überhaupt nichts zu tun,

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

oder aber wir werden nicht mehr entsprechend ernst genommen.

(Zuruf von der SPD: Wer nimmt Sie schon ernst?)

- Die Bundeskanzlerin offensichtlich!

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU)

Sie ja nicht, Herr Dr. Stegner, ich weiß ja, dass Sie das schmerzt.

(Zuruf von der SPD: Es ist lustig mit Ihnen!)

Die schleswig-holsteinischen Wählerinnen und Wähler haben sich dagegen entschieden, dass Sie die bessere Lösung seien, sonst hätten Sie ein besseres Ergebnis bekommen. Die haben entschieden, dass Sie eine kleine Lösung sind. Deshalb sind Sie als SPD auch verkleinert worden. Ich finde, die haben recht daran getan. Damit sollten Sie sich mittlerweile abfinden und nicht glauben, Sie müssten die Wirklichkeit ständig dadurch verändern, dass Sie sich immer noch im Wahlkampf befinden.

Die schleswig-holsteinischen Vertreter im Bundesrat werden ausschließlich im Interesse des Landes entscheiden.

(Zuruf)

Die Maßnahmen, die der Bund den Ländern als Kompensationsleistung zubilligen wird, liegen auf dem Tisch. Eine Zustimmung zu dem Gesetz der Bundesregierung ist aus meiner Sicht daher in den vergangenen Tagen deutlich wahrscheinlicher geworden. Ich bin sicher, Schwarz-Gelb im Bund und Schwarz-Gelb im Land werden ihre Handlungsfähigkeit beweisen.

Herr Dr. Stegner, ein letzter Satz: Sie haben eine Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Deutschen Bundestag, eine Sozialdemokratin.