Protokoll der Sitzung vom 07.10.2011

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als wir vor einem Jahr die damalige Finanzplanung hier in diesem Haus beraten haben, gab es noch erhebliche Verständnisschwierigkeiten aufseiten der Opposition. Es wäre deshalb besser gewesen, wenn der Herr Oppositionsführer heute hier im Landtag anwesend wäre, als uns via Twitter mitzuteilen, dass er eine SPD-Veranstaltung seinen Pflichten im Landtag vorzieht.

(Beifall bei CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Ulrich Schippels [DIE LIN- KE]: Ich bin doch hier, Herr Abgeordneter!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, bitte haben Sie vor diesem Hintergrund Verständnis dafür, dass ich heute die Diskussion mit denjenigen führe, die an diesem Thema wirklich Interesse haben.

(Unruhe bei der SPD)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Eichstädt?

Ich sagte es gerade: Ich führe die Diskussion mit denjenigen, die an diesem Thema wirklich Interesse haben. Insofern würde ich gern meine Rede fortsetzen.

(Lebhafter Widerspruch bei der SPD - Zurufe von der SPD: Was? - Unerhört! - Das ist fei- ge!)

Ich würde mich gern den Grünen zuwenden.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Tobias Koch. Ich bitte alle Abgeordneten, ihm zuzuhören.

(Zuruf von der SPD: Nein! Mit uns will er doch nicht reden!)

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Da ich 10 Minuten Redezeit habe, bin ich ganz entspannt, was die vielen Zwischenrufe anbelangt.

(Minister Rainer Wiegard)

(Zuruf von der SPD: Sie haben doch nichts zu sagen!)

Wenn ich mit meiner Rede fortfahren darf, würde ich mich gern den Grünen zuwenden. Deren Fraktionsvorsitzender Robert Habeck war es, der im vergangenen Jahr von „Taschenspielertricks” sprach und dem Finanzminister den Vorwurf der „Haushaltslüge” machte. Herr Habeck, Sie haben sich anschließend dafür entschuldigt. Diese Entschuldigung verdient unseren allergrößten Respekt. Sie war aber auch angemessen; das zeigt sich heute umso mehr, wenn man sich den aktuellen Finanzplan anschaut.

Dank guter Landes- und Bundespolitik ist es gelungen, die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise zu bewältigen, und das sogar deutlich schneller als gedacht. So erreichen die prognostizierten Steuereinnahmen ab dem Jahr 2013 nicht nur die der alten Finanzplanung zugrunde gelegten Werte - die übrigens von den Grünen damals im Disput mit dem Finanzminister noch bezweifelt wurden -; die Werte für die Steuereinnahmen werden sogar deutlich übertroffen.

7,45 Milliarden € Steuereinnahmen im Jahr 2013 das sind 110 Millionen € mehr als im mittleren Szenario der damaligen Finanzplanung vorgesehen. Wir erinnern uns: In dem mittleren Szenario war bereits ein jährliches Wachstum der Steuereinnahmen von 2,5 % berücksichtigt worden, was dem langfristigen Durchschnitt entspricht.

Darüber hinaus war bei den Steuereinnahmen bereits einkalkuliert, dass die Steuerrechtsänderungen des Jahres 2010 in mehreren Schritten wieder aufgeholt werden sollten. Dennoch wird dieser Wert, der damals bezweifelt wurde, von den aktuellen Steuerschätzungen übertroffen.

(Beifall bei der CDU)

Der darüber hinausgehende Betrag von 110 Millionen € bedeutet rechnerisch, dass wir bereits im Jahr 2013 beginnen, unseren Schuldenberg wieder abzutragen.

(Zuruf von der SPD: Ha, Ha!)

Diese konjunkturell bedingten Steuermehreinnahmen werden 2013 dazu verwendet, die in der Finanz- und Wirtschaftskrise aufgenommenen Kredite zu tilgen - genauso, wie es die Vorgaben der Schuldenbremse zu einem symmetrischen Vorgehen vorsehen. In den Jahren 2014 und 2015 ist auf der Basis der aktuellen Steuerschätzung mit der Rückzahlung weiterer Schulden von zusammen 180 Millionen € zu rechnen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Wir haben kein Einnahmeproblem. Ganz im Gegenteil, die Steuereinnahmen steigen 2015 auf über 8 Milliarden € - als ob es die Finanz- und Wirtschaftskrise nie gegeben hätte und die Steuereinnahmen seit 2008 kontinuierlich gewachsen wären.

Trotz der ausgezeichneten Einnahmesituation müssen wir allerdings konstatieren, dass der Landeshaushalt auch in den kommenden Jahren ein strukturelles Defizit aufweist, welches nur durch neue Kredite ausgeglichen werden kann. Der Fehlbetrag wurde mit dem Doppelhaushalt 2011/2012 auf 780 Millionen € reduziert; durch die bereits eingeleiteten Maßnahmen, zum Beispiel den Abbau von 10 % der Stellen im Landesdienst, wird er sich weiter reduzieren. Klar ist aber auch: Dieser Doppelhaushalt war nur der erste Schritt, dem weitere folgen müssen.

Der Handlungsbedarf ergibt sich aus der Darstellung der Zuschüsse und Investitionen auf Seite 53 der Finanzplanung. Daraus geht hervor, dass die für Zuschüsse und Investitionen eingesetzten Landesmittel von 2,27 Milliarden € im Jahr 2012 auf nur noch 1,91 Milliarden € im Jahr 2020 sinken müssen, damit die Rechnung aufgeht und wir das Ziel eines Haushalts ohne neue Schulden erreichen.

Trotz aller Steigerungen auf der Einnahmeseite nicht zuletzt aufgrund der Erhöhung der Grunderwerbsteuer - und trotz einer Zinsentwicklung, die uns ebenfalls entgegenkommt, bedarf es somit weiterer Ausgabenkürzungen im Volumen von 360 Millionen €. Für die Jahre 2013 bis 2015 bedeutet dies, jährlich 40 Millionen € weniger auszugeben als im Jahr zuvor.

Sie sehen: Die Zahlen werden überschaubarer. Die Finanzplanung lässt allmählich wieder Licht am Ende des Tunnels erkennen, und dieses Licht stammt nicht von einem entgegenkommenden Zug.

Dennoch ist Geld für neue, zusätzliche Ausgaben weiterhin nicht vorhanden. Die Größenordnung von 40 Millionen €, die wir jedes Jahr weniger ausgeben müssen als im Jahr zuvor, macht deutlich, wie sinnvoll der Vorschlag von Finanzminister Wiegard hinsichtlich der Einführung gemeinsamer BundLänder-Anleihen ist. Das sich für Schleswig-Holstein ergebende Einsparpotenzial aus der gemeinsamen Kreditfinanzierung mit dem Bund und den anderen Ländern von - geschätzt - 20 Millionen bis 40 Millionen € würde den kompletten Kürzungsbetrag des Jahres 2013 ausgleichen. Das wäre sicherlich der eleganteste Weg, um unseren Erfordernissen gerecht zu werden.

(Tobias Koch)

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag, damit Herr Finanzminister Wiegard die Gespräche mit dem Bundesfinanzminister Ende dieses Monats mit der Unterstützung des gesamten Landtags führen kann.

Ich beantrage die Überweisung des Finanzplans an den Finanzausschuss zur abschließenden Beratung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die Fraktion der SPD erteile ich der Frau Kollegin Birgit Herdejürgen das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf die Einwürfe des Herrn Kollegen Koch zu Beginn seiner Rede möchte ich nur kurz eingehen: Unser Fraktionsvorsitzender nimmt an der Konferenz der SPD-Fraktionsvorsitzenden der Landesparlamente teil. Bundesweite Verpflichtungen sind bisher in diesem Hause immer akzeptiert worden. Gestern ist in einem anderen Zusammenhang sogar eingefordert worden, dass wir gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern an der einen oder anderen Stellschraube drehen. Das tut Herr Stegner.

Übrigens scheint auch der Wirtschaftsminister, der gerade erst hereinkommt, an diesem Thema, zumindest an dem Redebeitrag des Herrn Kollegen Koch, nicht wirklich interessiert zu sein. Das ist schade.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

In den vergangenen Jahren hat wohl kaum jemand den Versuch unternommen, die finanzielle Situation des Landes schönzureden. Aber man kann doch nicht leugnen, verehrter Herr Minister Wiegard, dass die Struktur der Finanzmärkte durchaus prozyklische Wirkungen entfaltet hat und dass gerade in der Krise Konsequenzen für die Regulierung der Finanzmärkte gezogen werden müssen. Wenn Sie all das ausklammern wollen, was in der Krise auf den Finanzmärkten passiert ist, dann halte ich das für ziemlich verwegen. Wir haben uns - als Folge der Finanzmarktkrise - durch Konjunkturprogramme zusätzlich verschuldet. Auch das sollte an dieser Stelle einmal gesagt werden.

(Beifall bei der SPD - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Hat er doch gesagt!)

Die Finanzmarktkrise hat durchaus Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum, die Steuereinnahmen und damit den Wohlstand der Bevölkerung.

Sie haben diesen Aspekt in Ihrer Rede völlig außen vor gelassen; das halte ich nicht für besonders gelungen.

Der Finanzplan beschreibt die Problemlage sehr gut. Das hat der Finanzminister auch getan, indem er den Rahmen der künftigen Finanzpolitik, die durch die demografische Entwicklung und so weiter bestimmt wird, nachgezeichnet hat. Das ist aber nicht wirklich etwas Neues. Der Finanzplan legt auf transparente Weise - das erkenne ich an - die rechnerischen Korridore dar, in denen wir uns befinden und in denen wir in den kommenden Jahren handeln müssen. Wir wissen aber immer noch nicht, was das heißt, wenn man es in reale Politik übersetzt. Auch Herr Kollege Koch hat das in seiner Rede nicht zum Ausdruck gebracht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir unterstützen den Vorstoß des Ministers, was die Deutschlandbonds angeht. Diese setzen dort an, wo die Diskussion um unseren Altschuldenfonds aufgehört hat.

Wir wissen, dass der Landtag damals gefordert hat, entsprechende Regelungen einzuführen. Herausgekommen ist ein Kompromiss, die Zusage für Konsolidierungshilfen bei der Einhaltung bestimmter fremdbestimmter Parameter. Wir alle hier wissen, dass das nicht ausreichend ist, dass Schleswig-Holstein ebenso wie andere finanzschwache Bundesländer mehr gebraucht hätte und mehr braucht, um in einem konstruktiven Wettbewerb der Länder mitzuhalten. Der Ton, der sich mittlerweile gegenüber Hamburg entwickelt hat - wir kommen noch gleich auf das Thema Standort -, trägt jedenfalls nicht dazu bei, die künftige Zusammenarbeit konstruktiv anzugehen. Schleswig-Holstein wird diese Zusammenarbeit brauchen. Wir werden unsere Stärken sehr eng mit denen anderer abstimmen müssen, wenn wir gemeinsam vorankommen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Das betrifft kleinere Finanzvolumina, wenn es beispielsweise um Schülerkostenausgleich und die Frauenhausfinanzierung geht. Das betrifft aber auch große finanzielle Bewegungen.

Eines der Themen für die nächste Föderalismuskommission wird sicherlich der Abbau negativer Anreize für Zusammenschlüsse sein. Wenn sich Länder entschließen, ihre Kompetenzen zu bündeln und wenn Gebiets- und Verwaltungsreformen Syn

(Tobias Koch)

ergien erzeugen sollen, dann darf daraus kein Nachteil beim Länderfinanzausgleich entstehen.

Die ganze Diskussion um Deutschlandbonds wird sicherlich kein Selbstgänger sein, ist aber nötig, um zukünftige Herausforderungen zu meistern: vernünftige Reformen, zukunftsorientierte Investitionen, keine Trennung von budgetärer Nachhaltigkeit, ökologische Orientierung und sozialer Frieden. Das ist zu schaffen. Davon bin ich überzeugt. Deutschlandbonds sind ein Schritt in die richtige Richtung. Sie allein reichen nicht aus. Hoffen wir trotzdem, dass dieser Vorstoß zum Erfolg führt!

Was den Finanzplan angeht, freue ich mich auf die Diskussion in den Ausschüssen, wenn wir dann möglicherweise auch erfahren, was tatsächlich dahintersteckt.