Protokoll der Sitzung vom 18.11.2011

(Präsident Torsten Geerdts)

Obwohl derzeit keine unmittelbaren Bezüge zwischen den Taten der Thüringer Gruppe und Schleswig-Holstein bestehen, habe ich in Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein beauftragt, eine Gefährdungslagebeurteilung für muslimische Personen und Objekte in Schleswig-Holstein vorzunehmen und nötigenfalls Schutzmaßnahmen anzuordnen. Aufgrund einschlägiger Erfahrungen muss zudem damit gerechnet werden, dass die Ereignisse vom 4. November 2011 in Eisenach und Zwickau sowie die überraschenden Erkenntnisse zur Mordserie gegen türkische und griechische Mitbürger Initialwirkung auf irrational handelnde Einzeltäter entfalten können. Diesen Umstand wird die Polizei in ihre Gefährdungslagebeurteilung selbstverständlich einbeziehen.

Meine Damen und Herren, zu der erneut - teilweise reflexartig - vorgetragenen Forderung nach einem NPD-Verbot hat sich meine Haltung nicht geändert. Ich halte es nach wie vor für richtig, dass das Damoklesschwert eines Parteienverbots latent über allen verfassungsfeindlichen Parteien hängen sollte. Mit anderen Worten: Ich halte es für richtig, dass auch jetzt wieder geprüft wird, ob das Verbot der NPD die richtige Antwort des Rechtsstaats ist. Wie gesagt, ich rede von einer Prüfung, nicht aber von der Forderung nach einem NPD-Verbot. Für mich darf es einen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht nur dann geben, wenn der Erfolg nahezu zweifelsfrei feststeht. Sollte der Verbotsantrag scheitern, wäre das ein politisches Konjunkturprogramm für die NPD. Ein politisch-juristisches Vorgehen gegen die Partei wäre dann für Jahre nicht mehr möglich.

Schleswig-Holstein wird selbstverständlich der länderoffenen Arbeitsgruppe, die auf der letzten Innenministerkonferenz in Frankfurt eingerichtet worden ist und die die Argumente für und gegen ein Parteiverbot prüft, weiterhin zuarbeiten. Wir haben auf der heutigen Konferenz vereinbart - das federführende Land Sachsen-Anhalt in dieser Arbeitsgruppe hat eine entsprechende Zusage gegeben -, dass ein erster Zwischenbericht auf der in drei Wochen in Wiesbaden stattfindenden Innenministerkonferenz gegeben wird, um dann möglicherweise schon erste Schlussfolgerungen für diesen Komplex ziehen zu können.

Ich bin allerdings nach wie vor skeptisch, dass die Argumente für ein erfolgreiches Verbotsverfahren ausreichen. Zudem bezweifle ich, dass ein Verbot das richtige Mittel gegen rechtsextremistischen Terror ist, wie er von der Zwickauer Terrorzelle aus

ging. Selbst wenn wir schon 2003 ein Verbot gehabt hätten, hätte das die Taten wohl nicht verhindert.

Meine Damen und Herren, Parteienverbote können Organisationsstrukturen zerschlagen; das entsprechende Bewusstsein vermögen sie leider nicht zu beseitigen. Jenseits aller rechtlichen und administrativ notwendigen Maßnahmen des Staates und seiner Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des Extremismus in allen seinen Formen halte ich eine breite politische, intellektuelle und gesellschaftliche Auseinandersetzung aller Demokraten mit den Feinden der Freiheit, der Toleranz und des Rechts für erforderlich.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Dazu gehört auch die Unterstützung von Maßnahmen und Projekten zur Aufklärung gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit. So ist es weiterhin selbstverständlich möglich, beim Rat für Kriminalitätsverhütung eine Anschubfinanzierung für Maßnahmen und Projekte zur Aufklärung gegen Rechtsextremismus zu erhalten.

Um die Frage aus dem Änderungsantrag der SPDFraktion zu beantworten: Der Landesregierung ist kein Fall bekannt, in dem es in Schleswig-Holstein durch die Umverteilung der Mittel zum Wegfall von Angeboten und Projekten gekommen wäre. Darüber hinaus beteiligt sich Schleswig-Holsteins seit 2009 auch finanziell an Bundesprogrammen gegen Rechtsextremismus. Unterstützt werden dabei alle, die sich aufgrund von rechtsextremen, fremdenfeindlichen oder antisemitischen Vorfällen gegen solche Entwicklungen einsetzen wollen. All das ist und bleibt notwendig und eine wichtige Voraussetzung für einen wirksamen und damit erfolgreichen Einsatz gegen Extremismus und in besonderer Weise auch gegen den Rechtsextremismus, um ein stabiles, die gesamte Gesellschaft umfassendes Klima der Ächtung aller Extremisten zu schaffen.

Ich will Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, gern auch berichten, was heute aktuell auf der Konferenz der Innen- und Justizminister und -senatoren gemeinsam mit der Bundesministerin der Justiz und dem Bundesinnenminister verabredet worden ist. Der Kollege Schmalfuß, der wohl noch auf dem Weg zurück von Berlin ist, und ich waren gemeinsam mit dem Leiter des Landeskriminalamts und unserem Leiter der Verfassungsschutzabteilung, der zwischenzeit

(Minister Klaus Schlie)

lich schon eingetroffen ist, bei dieser Konferenz anwesend. Wir haben miteinander vereinbart, dass wir eine Antiterrordatei „Rechts“ aufbauen wollen, ähnlich der Antiterrordatei für den islamistischen Terrorismus. Dazu soll es eine Arbeitsgruppe geben, weil diese Datei nicht genau nach dem gleichen Muster aufgebaut werden kann wie die bestehende Datei bezüglich des islamistischen Terrorismus, weil wir insoweit andere Verhältnisse haben: Es sind andere nachrichtendienstliche Erkenntnisse vorhanden, der internationale Bezug fehlt auch. Deswegen ist es notwendig, dass man noch einmal sehr genau betrachtet, wie eine solche Antiterrordatei aufgebaut werden soll und aufgebaut werden muss. Sie hat den Sinn, dass Erkenntnisse, Fakten und Daten noch zügiger als bisher zusammengeführt werden, dass sie analysiert werden können, dass sie dann auch bewertet werden können und dass sich daraus auch die entsprechenden operativen Maßnahmen ergeben.

Das bedeutet nicht, dass es jetzt nicht auch einen Austausch solcher Daten gibt; aber ganz offensichtlich ist dies nicht in dem Maße, in der Zügigkeit und in dem Umfang der Fall, wie es nötig ist, um wirklich zu Erfolgen zu kommen. Was die islamistische Antiterrordatei angeht, so ist es ja schon in vielfältiger Weise von Erfolg gekrönt gewesen, dass es diese Datei gibt. Wie gesagt, Bund und Länder werden in einer Arbeitsgruppe gemeinsam an der Frage arbeiten, wie diese Datei auszugestalten ist.

Der Bundesinnenminister hat angekündigt, dass es des Weiteren ein Terrorabwehrzentrum „Rechts“ geben wird, das er für den Bund ins Leben rufen wird, in dem Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt gemeinsam und selbstverständlich unter Beachtung des grundgesetzlich festgelegten Trennungsgebots solche Daten bewerten, um zu entsprechenden Maßnahmen zu kommen. Der Bundesinnenminister hat es den Ländern freigestellt, sich auch an diesem Terrorabwehrzentrum „Rechts“ zu beteiligen.

Wir haben weiterhin in Anwesenheit der Bundesjustizministerin Einvernehmen darüber erzielt, dass es zu einer Änderung des § 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes kommen soll. Zurzeit können verfassungsschutzbehördlich relevante Personen in die gemeinsame Verfassungsschutzdatei NADIS nur mit ihren Personalien und nicht mit weitergehenden Informationen etwa zu deren verfassungsfeindlicher Tätigkeit eingestellt werden. Deshalb bedarf es einer gesetzlichen Änderung dieses § 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Die beiden

Bundesminister haben uns mitgeteilt, dass die Bundesregierung diese auf den Weg bringen wird.

Wir haben weiterhin übereinstimmend festgestellt, dass es, wie ich vorhin auch ausgeführt habe, nach wie notwendig ist, dass V-Leute im Bereich des Verfassungsschutzes eingesetzt werden. Dies ist gerade auch im rechtsextremistischen Bereich eines der wesentlichen Mittel, um zu Erkenntnissen zu gelangen. Auch dazu wird es eine Diskussion geben, die aber heute nicht vertieft geführt worden ist, sodass es zu einer noch stärkeren als der bisher schon vorhandenen Vereinheitlichung der Standards sowohl bei der Werbung von V-Leuten als auch bei deren Führung kommen soll. Wir halten es aus schleswig-holsteinischer Sicht für gut, dass insgesamt Einheitlichkeit gegeben ist.

Das waren die wesentlichen Punkte, die heute angesprochen worden sind. Ansonsten haben wir miteinander vereinbart, dass wir die nächsten Tage und Wochen nutzen wollen, um auf der Grundlage der uns überhaupt bekannten Fakten- und Datenlage in allen Behörden noch einmal erforschen wollen, ob diese terroristische Gruppe vernetzt war und, wenn ja, wie sie vernetzt war. Der Generalbundesanwalt, der gestern ernannt worden ist, hat mitgeteilt, dass es sozusagen fast stündlich zu weiteren Erkenntnissen kommt und dass es - ich versuche, es vorsichtig zu formulieren - in mehreren Bundesländern auf jeden Fall Unterstützer gegeben haben muss, sowohl bei der Beschaffung der Autos als auch der Wohnung. Das ist noch ein Stück weit im Bereich der Vermutung, macht aber schon deutlich, dass wir in den nächsten Tagen mit weiteren Erkenntnissen werden rechnen müssen. Wir in Schleswig-Holstein beteiligen uns an dieser Aufklärung jedenfalls mit aller Intensität.

So weit mein Bericht. Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat 15 Minuten gesprochen. Ich eröffne jetzt die Aussprache. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Kollegin Luise Amtsberg das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zehn Menschen haben ihr Leben verloren, nicht weil sie der Mafia angehörten, nicht weil sie kriminell waren oder mit Kriminellen zu

(Minister Klaus Schlie)

tun hatten, nicht weil sie etwas Falsches gemacht haben. Sie haben ihr Leben vielmehr durch rechten Terrorismus verloren. Diese Menschen sind tot, weil sie nicht in die kranke Denkweise von drei wahnsinnigen Neonazis gepasst haben. Sie mussten sterben, weil es eine Realität außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung gibt, eine Realität, die vielen Menschen in Deutschland einfach nicht bewusst ist, eine Realität, in der Menschen prügeln, jagen und töten, angetrieben von einer diffusen menschenverachtenden Weltanschauung, die rassistisch, antisemitisch, homophob, frauenfeindlich und obdachlosenfeindlich ist, eine Realität, meine sehr verehrten Damen und Herren, die nach der grausamen und unvorstellbaren Brandanschlagserie auf Asylbewerberheime in Deutschland, in deren Folge auch viele Menschen in Schleswig-Holstein zu Tode kamen, auch heute noch ihr unerträgliches Gesicht zeigt.

Wir denken an die Opfer und an die Hinterbliebenen, an die Familien und Freunde dieser Menschen, die sich über viele Jahre hinweg die Frage stellen mussten, welche Gründe deren Tod gehabt haben könnte. Wir sind jetzt bei ihnen, in einer Zeit, in der die Brutalität und der Fanatismus, der sich dahinter verbirgt, offen zutage treten.

Die Empörung und die Fassungslosigkeit über die deutschen Sicherheits- und Ermittlungsbehörden sind nachvollziehbar. Es ist offensichtlich: Strukturen haben versagt, und vielleicht hat man sich sogar schuldig gemacht.

Was ist also unsere Aufgabe? - Mit Blick auf Deutschland und die betroffenen Bundesländer müssen wir dafür sorgen, dass die Vorgänge lückenlos aufgeklärt werden. Wir müssen die Frage beantworten, welche Rolle die Verfassungsschutzämter gespielt haben, wir müssen uns die Frage stellen, welche Rolle die sogenannten V-Leute in diesem System innehaben, und, sollten sich die bisherigen Vermutungen in Wahrheit wandeln, müssen wir uns der Frage stellen, was uns eine Institution bringen soll, die den Schutz der Demokratie im Namen trägt und die mit möglicherweise fragwürdigen Methoden fragwürdige Ergebnisse erzielt.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

Das sind Fragen, zu deren Beantwortung wir beitragen müssen, um unsere Demokratie zu schützen und um unsere Demokratie vor allen Dingen auch glaubwürdig zu machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es darf nie wieder vorkommen, dass so sehr in falsche Richtungen ermittelt wird, dass es für kriminelle Neonazis möglich ist, 13 Jahre unterzutauchen, ohne den Wohnort wesentlich zu wechseln, und in dieser Zeit weitere Menschen zu ermorden und Bomben zu bauen.

Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist auch der Hintergrund unseres Dringlichkeitsantrags gewesen. Es geht darum, für Schleswig-Holstein zu klären, ob wir in der Vergangenheit dem Reflex erlegen sind, rechte Gewalt nicht ernst genug zu nehmen, rechte Gewalt nicht als solche erkannt zu haben. Dies ist vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der vergangenen Woche einfach unsere Verpflichtung und Aufgabe.

Ich danke daher Herrn Minister Schlie sehr herzlich für den Bericht, den er uns gegeben hat, aber auch allen Fraktionen, dass sie der Dringlichkeit heute zugestimmt haben. Herr Minister, wir haben selbstverständlich nicht erwartet, dass Sie uns zu allen Fragen und Dinge, die uns zu diesem Thema bewegen, eine Antwort finden. Ich denke, das Heutige kann sozusagen als Beginn eines Prozesses gewertet werden. - Dies zur Erklärung, warum wir es für notwendig gehalten haben, heute darüber zu reden.

Ich habe von unseren Aufgaben gesprochen. Wenn ich darüber nachdenke und mir die Debatte in Deutschland anschaue, komme ich, ehrlich gesagt, aus der Verärgerung nicht richtig heraus.

Sie haben es gesagt, fast stündlich kommen neue Erkenntnisse herein. Auch wenn wir nicht wirklich wissen, wer worin verwickelt ist, und wenn wir noch nicht einmal wissen, wie viele Opfer es tatsächlich gibt, will sich die Politik jetzt schon unbedingt auf Antworten auf diese Fragen festlegen. Abzug der V-Leute, NPD-Verbot, Vorratsdatenspeicherung, Zentralregister, Terrorabwehrzentrum; all dies soll Abhilfe schaffen und das Problem lösen, und vielleicht ist das sogar so. Ich beginne trotzdem, mich zu wundern, denn mit diesem Kurs machen wir sozusagen den zweiten Schritt vor dem ersten. Wir behandeln wieder nur das Symptom, aber nicht seine Ursache,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und vereinzelt bei der LINKEN)

denn zwei Antworten können wir schon geben: Haben wir in der Vergangenheit zu wenig gegen Nazis getan? - Ja, offensichtlich. Müssen wir genau deswegen die zivilgesellschaftlichen und demokratiebildenden Maßnahmen ausbauen? - Ja, genau das müssen wir jetzt tun,

(Luise Amtsberg)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

weil wir nur so verhindern können, dass Menschen die NPD wählen, in Kameradschaften eintreten oder sich radikalisieren und Gewalt anwenden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte führen Sie sich einmal vor Augen, dass Schleswig-Holstein in Westdeutschland proportional zur Einwohnerzahl, was die rechten Gewalttaten angeht, ganz weit vorn liegt, so viel ich weiß, sogar an erster Stelle. Wir wissen, dass wir mehr als 1.340 Neonazis oder Rechtsextreme in Schleswig-Holstein haben. Die Hälfte davon ist gewaltbereit. Über all das haben wir in der letzten Plenartagung debattiert. Und was macht Bundesfamilienministerin Schröder? - Sie weicht nicht von ihrem Vorhaben ab, die Programme gegen Rechts weiter zu kürzen. Im Gegenteil, sie wirft uns, der Opposition, vor, dass wir mit dieser Forderung - ich zitiere mit Erlaubnis an dieser Stelle - „einen billigen tagespolitischen Geländegewinn erzielen wollen.“

Ich glaube, ich kann authentisch herüberbringen, dass mir das wirklich die Sprache verschlagen hat. Ich sage Ihnen an dieser Stelle, dass ich mir diesen Schuh nicht anziehen werde.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Man kann sehr darüber streiten, was Frau Schröder tatsächlich über diesen Themenbereich weiß, aber in diese Richtung darf es nicht gehen. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder angemahnt, dass wir an diesen Stellen ansetzen müssen: Prävention, Beratungsprogramme, Aussteigerprogramme.

In der vergangenen Plenarsitzung haben wir auch über Rechtspopulismus in Europa und Deutschland debattiert. Ich hatte den Eindruck, dass inhaltlich eigentlich überhaupt kein Dissens über die Bedeutung, die Reichweite und auch die Dramatik dieses Themas bestand. Es gab einige, die sich sehr positiv und auch sehr nachdenklich angesichts der Redebeiträge aller gezeigt haben. Trotz alledem haben Sie den Wunsch nach einer Anhörung im Ausschuss gerade vor zwei Wochen abgelehnt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das sollte uns kein zweites Mal passieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Eine Sache vielleicht noch: Das Projekt „Mut gegen rechte Gewalt“ hat jüngst einen Bericht über die Todesopfer rechter und rassistischer Gewalt seit 1989 gegeben: Es sind 182 Menschen, die doku

mentiert zu Todes gekommen sind. Ich lege Ihnen wirklich nahe, sich diesen Bericht einmal anzuschauen, denn er beschreibt sehr deutlich, was in allen 182 Fällen vorgefallen ist. Das ist sehr beklemmend. Die Tatsache, dass Menschen in Deutschland aufgrund ihrer Herkunft oder Herkunft ihrer Familien zu Tode kommen, macht betroffen. Sie lässt es einem übel werden. Mich persönlich macht dies wütend und traurig, und mit Blick auf unsere Geschichte ist der Begriff Scham an dieser Stelle viel zu schwach. Für die Opfer kommen jede Hilfe, jede Erkenntnis und auch jedes Bedauern zu spät.

Was hier in Deutschland in den vergangenen Jahren geschehen ist, ist einfach unverzeihlich. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben es aber in der Hand, an dieser Stelle anzusetzen und etwas zu ändern; so deutlich, dass wir diesen Satz in zehn Jahren nicht wiederholen müssen. Ich weiß, manchmal ist es schwer, den eingeschlagenen politischen Weg, für den man sich entschieden hat und den man - wie zum Beispiel den Weg der Extremismusklausel - sehr hart verteidigt hat, wieder zu verlassen. Ich kann das nachvollziehen. Ich glaube aber, mit Blick auf die derzeitige Lage zum Thema Extremismus hier in Deutschland und der Politik, die dazu betrieben wird, sowie angesichts der Erkenntnisse aus den vergangenen Tagen können wir sehen, dass dieser Weg der falsche ist. Ich sage dies ganz ohne Vorwurf, aber ich lade Sie ein: Verlassen Sie diesen Weg, und lassen Sie uns gemeinsam etwas ändern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Werner Kalinka das Wort.