Protokoll der Sitzung vom 16.12.2011

Meine Damen und Herren, die Sorgen und Ängste der Menschen sind berechtigt, vor allem die vorhandenen Fragen in Hinsicht Gefahrenpotenzial, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Sinnhaftigkeit dieser Transporte. Deshalb müssen neue, alle Aspekte umfassende Messungen in Auftrag gegeben werden.

Natürlich stellt sich auch die Frage nach den Verantwortlichkeiten im Genehmigungsverfahren. Die Halde in Niedersachsen entspricht nicht den Anforderungen für eine endgültige Lagerung des Asbestmülls. Sie müsste saniert werden. Das läge durchaus im Bereich des Möglichen. Das müsste man aber auch vor Ort wollen. Aber die Region Hannover hat ein Interesse daran, dass das Deponiegelände bei Wunstorf-Luthe zukünftig wirtschaftlich genutzt wird.

Es liegt seit geraumer Zeit ein Antrag auf Nutzung des Geländes vor. Ich zitiere an dieser Stelle einmal aus einem Rechtsgutachten über die Eigentumsund Rechtsverhältnisse dieser Halde, erstellt für die Fraktion DIE LINKE in der Regionalversammlung der Region Hannover. Darin wird zur Motivation zur Sanierung vor Ort ausgeführt:

„Die Verwaltung verfolge diese Variante nicht weiter, weil es dafür keine Förderung des Landes und aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung sowie keine posi

(Christopher Vogt)

tiven ökonomischen Effekte für den Logistikstandort Wunstorf gebe.“

So viel zum Hintergrund der Transporte. Hier werden wirtschaftliche Interessen über die Sicherheit der Menschen gestellt. Durch unseren gemeinsamen Antrag haben wir unsere Richtung vorgegeben, dass die Sicherheit der Menschen vor Ort in den Mittelpunkt gestellt wird.

(Beifall bei der LINKEN - Anhaltende Unru- he)

Dazu kommt noch, dass so ein Transport mit Tausenden von Lkws über mehrere Monate keinen Sinn macht und das Gegenteil von ökologisch und nachhaltig ist. Die Sanierung der Halde in Niedersachen würde mit 2,8 Millionen € nur ein Drittel des Transports kosten, der momentan mit circa 9,3 Millionen € veranschlagt wird, Tendenz nach oben offen. Allein diese Tatsache spricht schon für die Vor-Ort-Sicherung.

(Beifall bei der LINKEN - Anhaltende Unru- he)

Ich kann das tatsächliche Risiko durch Asbestfaseremissionen in diesem Zusammenhang weder fachlich einschätzen noch bewerten. Aber wir können und müssen die Ängste in der Bevölkerung ernst nehmen und tun das auch.

Mit dem fraktionsübergreifenden Antrag haben wir den richtigen Weg gefunden. Wir sollten den Menschen vor Ort, wenn wir alle hier schon in Weihnachtsstimmung sind, ein Weihnachtsgeschenk machen: dass überhaupt keine Transporte durch Schleswig-Holstein stattfinden. Niedersachsen soll seinen Müll selber vor Ort ablagern.

(Beifall bei der LINKEN)

Solange die Gesetze so sind, muss der Müll vor Ort abgelagert werden.

(Beifall bei der LINKEN - Anhaltende Unru- he)

Für die SSW-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Flemming Meyer das Wort.

(Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsiden- ten)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, auch

ich möchte mich für Ihren Bericht bedanken, der deutlich und klar war. Das hat mich sehr gefreut.

Der Sachverhalt um die geplante Asbestmülltransporte spitzt sich seit Wochen immer weiter zu. Stück für Stück kommen mehr Informationen ans Tageslicht, die das gesamte Verfahren immer fragwürdiger machen.

Der Bericht der Landesregierung, Drucksache 17/2027, wurde bereits im Ausschuss behandelt und zur Kenntnis genommen. Zum Zeitpunkt der Beratung war er bereits überholt, weil ungeklärte Fragen zum Sachverhalt aufgetreten sind. Diese müssen geklärt werden, bevor es eine Entscheidung in der Sache gibt.

Die Sicherheit der Bevölkerung ist das oberste Gebot. Daher ist es gut und richtig, dass wir hier in diesem Haus in dieser Sache mit einer Stimme sprechen. Die ganze Angelegenheit hat nämlich mittlerweile Ausmaße angenommen, die insbesondere die betroffene Bevölkerung vor Ort zu Recht auf die Palme gebracht hat, um das jetzt einmal ganz milde auszudrücken.

Deutlich wurde in der gesamten Angelegenheit eines: Mit Müll ist viel Geld zu verdienen. Je gefährlicher der Müll, desto mehr Geld ist im Spiel. Wir reden hier von mindestens 170.000 t Asbestmüll, der auf über 7.000 Lkws transportiert werden soll. Wir reden hier über den bundesweit größten Mülltourismus.

Prinzipiell stellen sich die Fragen: Warum ist es überhaupt so weit gekommen? Warum will Niedersachsen den Müll loswerden, wenn er dort doch bereits seit Jahren auf einer Deponie gelagert wird, die eingehaust werden könnte? - Ich kenne keinen triftigen Grund, weshalb Schleswig-Holstein verpflichtet wäre, den Müll aus Niedersachsen anzunehmen,

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

nur damit er dann bei uns gelagert wird. Brandenburg hat den Transport und die Deponierung bereits abgelehnt. Diese Option haben wir auch. Dann sollten wir sie auch nutzen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Lars Harms [SSW])

Die Darstellung in den Medien über millionenschwere EU-Zuschüsse für Transport und Lagerung des Mülls lassen einen eigenen Schluss zu. Unverständlicherweise ist damit mehr Geld zu verdienen als mit einer Deponiesanierung. Es erweckt

(Antje Jansen)

den Anschein, dass Profitgier über die Sicherheit der Bevölkerung geht. Das darf nicht sein.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Nach welchen Kriterien werden derartige EU-Zuschüsse eigentlich verteilt? - Es kann doch nicht sein, dass der Transport von derart hochgiftigem Müll höher bezuschusst wird als die Sanierung einer Deponie!

(Beifall der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Die ungeklärten Fragen hinsichtlich der Gutachter und Transportüberwachung erwecken den Anschein, dass hier mehr als oberflächlich gearbeitet wurde. Wenn solche hochgiftigen Transporte stattfinden, muss sichergestellt sein, dass nur akkreditierte Gutachter entsprechende Aussagen treffen dürfen. Gleiches gilt für die Überwachung und Ermittlung der Freisetzung von Asbestfasern während der Transporte. Es macht nicht den Anschein, dass hier gründlich und sauber gearbeitet wurde.

Die Landesregierung beruft sich darauf, dass sie sich in der Sache auf Informationen aus Niedersachsen gestützt hat. Mecklenburg-Vorpommern hat dieses nicht getan und unlängst ein unabhängiges Gutachten in Auftrag gegeben. Vertrauen ist gut, eigene Kontrolle ist besser!

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Daher ist es sinnvoll, das Ergebnis des Gutachtens abzuwarten. Es muss jetzt darum gehen, die ungeklärten Fragen ausführlich zu beantworten. Erst dann können wir uns auch ein abschließendes Bild vom Sachverhalt machen und eine Entscheidung treffen.

Es freut mich, dass sich die Ministerin sehr klar in diesem Sinne geäußert hat. Es ist klar, dass das Vertrauen der Bevölkerung vor Ort angeknackst ist. Es ist Sache der Landesregierung, jetzt die richtige Ware zu liefern, damit dieses Vertrauen wieder zurückgewonnen werden kann.

Jo tak. Glædelig jul!

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Niclas Herbst.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema ist mir so wichtig, dass ich bereit bin, mir Ihren Groll zuzuziehen und die Weihnachtspause um drei Minuten hinauszuzögern. Zwei Aspekte sind mir besonders wichtig. Wenn wir über unzulängliche und widersprüchliche Informationen reden, müssen wir sagen: Viele von den Fragen, die wir jetzt stellen, können wir nur stellen, weil engagierte Menschen vor Ort sie aufgeworfen haben.

(Beifall bei CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW sowie vereinzelt bei SPD und der LINKEN)

So sehr das ein Lob für die Menschen ist, die das in ihrer Freizeit tun, so sehr ist das eigentlich auch eine schallende Ohrfeige für diejenigen, die uns diese Information eigentlich aus der Region Hannover hätten geben müssen.

(Vereinzelter Beifall)

Es kann nicht sein, dass wir nicht aus der Region Hannover wissen, ob die Ingenieursgesellschaft, die die Sanierung der Halde beurteilen soll, überhaupt akkreditiert ist für den Umgang mit asbesthaltigen Stoffen, sondern dass wir das von den Menschen vor Ort erfahren. Das geht nicht.

(Beifall)

Allein das nährt doch die Zweifel, ob es diese Transporte jemals geben wird.

Ein zweiter Punkt, der mir auch wichtig ist: Die Menschen vor Ort, auch gerade die, die sich dort sehr stark engagieren, arbeiten eben gerade nicht nach dem Sankt-Florian-Prinzip. Viele Menschen vor Ort haben sich sehr wohl - auch nach all den Querelen, die es in den vergangenen Jahren gab mit der Deponie auseinandergesetzt. Es gab durchaus in den letzten Monaten vertrauensbildende Maßnahmen. Es geht den Menschen nicht darum, irgendetwas, was sie nicht verstehen, wegzuhalten, sondern es geht ihnen um den konkreten Punkt, um diesen Transport. Das ist nicht das Sankt-Florian-Prinzip, sondern das ist die Arbeit verantwortungsvoller Bürger.

(Beifall bei CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu rufe ich den interfraktionellen Ent