Protokoll der Sitzung vom 25.01.2012

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki?

Sehr geehrte Frau Kollegin Spoorendonk, ungeachtet der Tatsache, welche Durchschlagskraft Sie dem Kollegen Arp und mir beimessen, frage ich: Könnten Sie mir zustimmen, dass es eine Diskontinuität im Bundesrat nicht gibt, weil das Land per se vertreten ist, und zwar unabhängig von den politischen Mehrheiten?

- Lieber Kollege Kubicki, dem kann ich ohne Weiteres zustimmen. Das war aber ein so schönes Bild, weil es noch einmal deutlich macht, wie wenig Effekte dieser Antrag hat.

(Zurufe)

Ich kann ja verstehen, dass man in Berlin noch nicht so weit gekommen ist. Ich kann auch verste

hen, dass die CDU in Berlin auf dem Bundesparteitag der CDU noch nicht die Mehrheit für sich gewonnen hat.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das hat Stegner bei CCS auch nicht!)

- Das kann ja sein, das ist auch ein Spiel, das immer wieder gespielt wird, Kollege Kubicki. Ich muss sagen, mittlerweile finde ich das ätzend,

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn wir haben jetzt im Landtag eine andere Situation. Wir haben einen einvernehmlichen Beschluss. Weil es aber schwierig ist, nur dieses dicke Brett durchbohren zu wollen, sage ich: Wir müssen zweigleisig fahren. Darum teilt der SSW die Auffassung derer, die sagen, dass wir natürlich weiterhin für die Aufhebung des Kooperationsverbots kämpfen müssen, dass wir aber auch alle uns zur Verfügung stehenden Instrumente zur Ausweitung der Bildungsinvestitionen vonseiten des Bundes nutzen müssen.

Nach einer aktuellen Studie der Friedrich-EbertStiftung könnten sich Bund und Länder auf eine eigenständige Gemeinschaftsaufgabe Bildung verständigen sowie auf die Einrichtung eines Sondervermögens für Bildung oder auch auf die Gründung einer Bundesstiftung Bildung. Es gibt also Möglichkeiten, und diese Möglichkeiten müssen genutzt werden.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich sage darum noch einmal: Wir sind für die Weiterentwicklung des Bildungsföderalismus und für die Modernisierung, nicht für die völlige Abschaffung.

Darum ist es bitter, dass die Landesregierung nicht die Kraft gehabt hat, sich rechtzeitig zu bewegen. Es fehlt ganz einfach eine Strategie für mehr Chancengleichheit in Sachen Bildungsfinanzierung. Darum bleibe ich dabei, auch vor dem Hintergrund der viel zitierten Schuldenbremse, die in jeder Rede vorkommt: Es wäre notwendig und richtig gewesen, rechtzeitig sehr früh in dieser Wahlperiode tätig zu werden.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

(Anke Spoorendonk)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Fraktionsvorsitzender der FDP, vor allem aber, Herr Oppositionsführer, was Sie heute dargelegt haben, war wieder einmal eine beklagenswerte Zurschaustellung von Scheinriesentum statt Substanz.

(Beifall bei CDU und FDP)

Bevor ich zur Substanz komme, zeige ich es Ihnen erst einmal an den Abläufen. Es ist richtig: Ich habe zusammen mit der Bundesvorsitzenden, der Bundeskanzlerin, eine Pressekonferenz gegeben. Es ist richtig: Ich habe angekündigt, dass die Landesregierung eine Bundesratsinitiative anschieben wird.

Dann kommt die FDP -

(Wolfgang Baasch [SPD]: FDP?)

- Die SPD, sie stellt den Antrag auf eine Aktuelle Stunde mit dem bemerkenswerten Inhalt, wir sollten eine Bundesratsinitiative auf den Weg bringen. Wir beschließen die Bundesratsinitiative, und Sie stellen sich hin und sagen: Nur weil wir das beantragt haben, beschließen die eine Bundesratsinitiative. Das ist Irrsinn, Herr Stegner!

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Es ist noch irrsinniger, uns vorzuwerfen, wir hätten unsere Hausaufgaben nicht gemacht, wenn Sie Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Sich hinzustellen und zu sagen, wir brauchten eine Beendigung des Kooperationsverbots, ist einfach. Sie müssen nur sagen, wie Sie das Kooperationsverbot beenden wollen. Sie müssen sagen, welche Verfassungsbestimmung Sie tatsächlich ändern wollen, und Sie müssen sagen, was das tatsächlich auslöst.

Ich kann Ihnen ganz genau sagen, was die Landesregierung - der Kollege Klug und ich - in der Kultusministerkonferenz im vergangenen Jahr gemacht hat. Wir haben mit den anderen Bundesländern darüber beraten, auf welcher Grundlage eine Veränderung der Verfassung möglich ist. Wir haben gemeinsam festgestellt, dass sie nur auf einer Grundlage möglich ist, die für das Land Schles

wig-Holstein schädlich ist. Wir würden nämlich im Nu eine Änderung der Verfassung hinbekommen, die besagt - zum Beispiel bei den Hochschulen -, dass man nicht nur Projekte der Hochschulen durch den Bund finanzieren kann, sondern auch Einrichtungen, aber nur in einem wettbewerblichen Verfahren. Ein wettbewerbliches Verfahren bedeutet auf Deutsch gesagt -: hochvolumige Projekte, bei denen wir nicht mithalten können. Eine solche Änderung der Verfassung würde das Nord-Süd-Gefälle in Deutschland nochmals verstärken. Deshalb haben wir gesagt, dass wir sie nicht mitmachen. Deswegen haben wir durch Kabinettsbeschluss von gestern eine Beschlussfassung für den Bundesrat vorgeschlagen, die in der Tat nicht der Diskontinuität anheimfällt, sondern weiter beraten wird, in der wir ganz genau gesagt haben, welche Verfassungsbestimmung wir und wie wir sie ändern wollen.

Das haben weder Sie als SPD-Landtagsfraktion noch als SPD-Bundestagsfraktion geschafft. Die Dinge gehen Hand in Hand, und Sie haben klug eingefädelt, dass am Donnerstag im Bundestag das Thema Kooperationsverbot auf der Tagesordnung steht. Die SPD hat einen Antrag eingebracht, der an Unkonkretheit nicht zu überbieten ist. Da heißt es:

„Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorzulegen, der Folgendes beinhaltet:

1. Nach Artikel 104 b wird ein neuer Artikel 104 c eingefügt, der auf Grundlage von Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern dauerhafte Finanzhilfen des Bundes für Bildung ermöglicht, ohne die Bildungshoheit der Länder einzuschränken.“

Da frage ich Sie: Wie denn?

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Genau! Wie denn?)

Sie haben doch ein Jahr Zeit gehabt! Sie wollten uns doch überholen. Sie wollten doch schneller sein als wir. Wie soll denn das geschehen?

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Deshalb waren Sie erstens nicht schneller als wir und haben zweitens weniger Substanz an den Tag gelegt.

Ich will eines hinsichtlich unseres Verhaltens bei der Abstimmung damals richtigstellen: Wir haben uns enthalten, weil wir in der Tat auch in der

Großen Koalition in Schleswig-Holstein Bedenken hatten, was die Beamtenrechtsreform anbelangt. Wir haben die Debatte - das gehört auch zur Wahrheit, Herr Stegner - in diesem Schleswig-Holsteinischen Landtag nicht durch einen Antrag der SPD begonnen, sondern wir haben ihn im Jahr 2010 durch einen Antrag der Grünen begonnen. Wir haben diese Debatte zeitgleich durch ein Pressegespräch begonnen, das ich mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ geführt habe. Das war zu einem Zeitpunkt, als die SPD noch im thematischen Tiefschlaf war. Erst als Sie mitbekommen haben, dass es Anträge gibt, haben Sie irgendwann einen Änderungsantrag draufgesattelt und behaupten jetzt, Sie hätten das Ganze hier in Gang gesetzt. Wenn das die Konturen dessen sind, was Sie an Kompetenz beanspruchen, wenn Sie Regierung werden wollen, sage ich Ihnen: Das reicht nicht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Ines Strehlau.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr de Jager, wir haben Wahlkampf, ja, aber dennoch finde ich es sehr platt, Ihr 13-monatiges Nichtagieren jetzt der SPD in die Schuhe zu schieben und zu sagen, die hätten eigentlich schuld, weil sie das Problem nicht gelöst hätten. Da schießen Sie deutlich über das Ziel hinaus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der Abgeordneten Ellen Streitbör- ger [DIE LINKE] - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir hoffen, dass Ihr Engagement Erfolg haben wird. Sie wollen es über den Bundesrat machen. Sie haben auch Verbündete in der Kultusministerkonferenz.

Ties Rabe, Hamburger Schulsenator und im Moment Vorsitzender der Kultusministerkonferenz, hat sich auch die Aufhebung des Kooperationsverbots als wichtiges Projekt auf die Fahnen geschrieben. Wir hoffen, dass die parteiübergreifende Initiative im Bundesrat und in der Kultusministerkonferenz zum Erfolg führt. Wenn aber das Kooperationsverbot endlich aufgehoben wird, erfordert dies zwingend Regeln für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Das hat Herr de Jager auch ge

sagt. Das ist ein ganz schwieriges Feld. Wir müssen entscheiden, wer was in welcher Höhe finanzieren darf und wer die Spielregeln festlegt. Das 4-Milliarden-€-Ganztagsprogramm hat damals einen enormen Impuls gesetzt und gezeigt, wie wichtig es ist, Bildung als gesamtstaatliche Aufgabe zu sehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sollten jetzt mutig sein und mit der Aufhebung des Kooperationsverbots die Chance nutzen, Kleinstaaterei im Bildungswesen zu beseitigen. Der Bildungsföderalismus ist im Moment für die Menschen ein Problem, denn sie sehen ihn als großes Mobilitätshemmnis. Nur wenn wir den Dschungel von bundesweit fast 90 unterschiedlichen Schulformen lichten und bundesweit gleiche Rahmenbedingungen entwickeln, kann der Bildungsföderalismus gerettet werden. Im Moment wollen ihn bis zu 90 % abschaffen. Grüne Position ist es, Schülerinnen und Schüler sowie Studierende und ihre Familien in den Mittelpunkt zu stellen. Sie wollen hohe Qualität an den Schulen und Unis und Mobilität. Das müssen wir garantieren!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Wir wollen bundesweit geltende Regelungen bei der Ausbildung der Lehrkräfte und Angleichung der Schulstrukturen, gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse und Möglichkeiten der Fortsetzung einer begonnenen Ausbildung in einem anderen Bundesland, vergleichbare Evaluationsverfahren, Qualitäts- und Leistungsstandards, Implementierung der Bildungsstandards. Das Beispiel der Bildungsstandards zeigt, dass längst nicht alles, was von der KMK beschlossen wurde, auch in allen Bundesländern und in allen Schulen tatsächlich umgesetzt wurde. Da bleibt den Ländern noch viel zu viel Spielraum, ihr eigenes Süppchen zu kochen.

Beschlüsse müssen tatsächlich umgesetzt werden, sonst können wir die KMK einstampfen.