Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kinder zum selbstständigen Denken, Lernen und Handeln anzuleiten, gehört zu unseren zentralen Bildungszielen. Dies anzustreben, zieht unweigerlich Folgen für die staatliche Institution Schule nach sich. Wo der freie, eigenverantwortlich handelnde Mensch im Mittelpunkt stehen soll, braucht die Schule selbst auch möglichst weite Gestaltungsspielräume. Nur dort, wo Eigenverantwortung gelebt wird, kann auch Eigenverantwortung gelehrt werden. Oder, um es mit dem Bildungsforscher Heinz Ro
Als logische Konsequenz verändert sich die Rolle des Staates im Bildungswesen. Damit Bildung vor Ort gestaltet werden kann, müssen wir zwangsläufig von zentral vorgegebener Einheitlichkeit bei den Inhalten und Strukturen abrücken. Die staatliche Ebene konzentriert sich stärker auf den gemeinsamen Rahmen. Dazu gehört insbesondere unser Anspruch an eine hohe Bildungsqualität.
Grundsätzlich stehen wir vor der Aufgabe, bei dezentralen Strukturen gleichwohl Mobilität zu ermöglichen und Qualität zu gewährleisten. Dies führt nun in allen Bundesländern zu einem neuen Steuerungsmodell. In diesem setzt der Staat Ziele in Form von Bildungsstandards und überprüft das Erreichen dieser Ziele. Mit welchen Mitteln und Wegen diese Ziele erreicht werden, wird stärker in die Verantwortung der Schule gestellt. Sie trägt damit aber auch Verantwortung für die Qualität der Ergebnisse. Eigenverantwortung und Ergebnisverantwortung gehören zusammen.
Erstens in der Pädagogik, in der Lern- und Unterrichtsorganisation: Hier ist die Eigenverantwortlichkeit deutlich ausgeprägt. Ein Beispiel dafür ist die freie Entscheidung über die Dauer von Schulstunden. Viele Schulen sind zu einem doppelstündigen Rhythmus gewechselt, einige auch zu Stundenplänen mit vollen Stunden statt der gewohnten 45 Minuten. Dadurch stehen pro Schultag weniger Fächer auf dem Stundenplan, in denen dann aber zugleich ein vertieftes Lernen möglich ist.
Eine ganze Reihe weiterer Beispiele ließe sich noch nennen. Zu den jüngsten gehört bei den Gymnasien die Wahl zwischen G 8 und G 9 und bei den Gemeinschaftsschulen die größeren Flexibilität der pädagogischen Konzepte.
Zum Zweiten die personellen Ressourcen: Hier sind wir in dieser Legislaturperiode ein gutes Stück vorangekommen.
Die Schulleitungen haben erheblich bessere Möglichkeiten als früher, die Zusammensetzung ihres Kollegiums selbst zu steuern. Dafür sorgt in erster
Linie der Online-Stellenmarkt Schule, den wir vor einem Jahr freigeschaltet haben. Die Schulen können ihre freiwerdenden Stellen bundesweit ausschreiben und zielgerichtet nachbesetzen. Die ersten Erfahrungen mit diesem neuen Verfahren sind ausgesprochen positiv, wenngleich es noch unterschiedlich stark genutzt wird.
Drittens die finanziellen Ressourcen: Über das Instrument Geld statt Stellen haben Schulen die Möglichkeit, nicht besetzbare Stellenanteile zur Sicherung des Unterrichtsangebots und zur Verbesserung der Unterrichtsqualität nach eigener Entscheidung zu verwenden. Konsequenterweise sollen die allgemeinbildenden Schulen künftig auch die Möglichkeit erhalten, diese Mittel für Fortbildungsmaßnahmen nutzen zu können. Das ist bisher nur im Rahmen eines Delegationserlasses bei den beruflichen Schulen möglich gewesen.
Viertens die Schulqualität: In diesem Handlungsfeld ist die schulische Eigenverantwortung eingebettet in ein stringentes Verfahren zur Qualitätssicherung. Die Schulen sind verpflichtet, ein Konzept zur schulinternen Qualitätssicherung zu entwickeln. Dafür stehen ihnen drei Instrumente mit unterschiedlichen Zielfunktionen zur Verfügung. Das sind zum einen die Rückmeldungen aus den jährlichen Vergleichsarbeiten in den Jahrgängen 3 und 8, Stichwort VERA. Sie ermöglichen den Schulen eine Zwischenbilanz darüber, inwieweit Bildungsziele bereits erreicht sind beziehungsweise wo gegebenenfalls noch Entwicklungs- oder zusätzlicher Förderbedarf besteht. Inzwischen nutzt etwa ein Fünftel bis ein Viertel der Schulen die Möglichkeit, diese VERA-Tests freiwillig um ein weiteres Fach zu erweitern.
Zum anderen findet über die zentralen Abschlussprüfungen in den Kernfächern auch eine externe Qualitätssicherung statt. Die Ergebnisse der zentralen Abschlussprüfungen werden auch von der Schulaufsicht aktiv genutzt. Sie erhält Anhaltspunkte, um auf einzelne Schulen zuzugehen, deren Ergebnisse schlechter als erwartet oder deutlich unter dem Durchschnitt des Landes ausfallen. Zusammen mit diesen Schulen sucht die Schulaufsicht nach den Ursachen und unterstützt Maßnahmen zur Weiterentwicklung, zum Beispiel gezielte Qualifizierungen. Werden etwa an einer Schule die Abschlussprüfungen im Fach Mathematik im Ergebnis deutlich vom Landesdurchschnitt abweichen, dann wenden wir uns diesen Schulen zu. Dann sollen sie beispielsweise besondere Fortbildungsangebote bekommen, damit der Mathematikunterricht in Zukunft eine höhere Effizienz hat.
Als drittes Instrument der Qualitätssicherung stellt das Bildungsministerium verschiedene Möglichkeiten auch zur internen Evaluation bereit und bietet dazu Hilfestellung. Der Vorwurf, Schleswig-Holstein verfüge nach dem Wegfall des sogenannten Schul-TÜVs EVIT über keine wirksame Evaluation mehr im Schulbereich - wie ihn kürzlich die „Süddeutsche Zeitung“ erhoben hat - geht somit ins Leere. Vielmehr können wir durch klare Fokussierung auf die Ergebnisqualität jetzt viel genauer als früher auf die Probleme reagieren. EVIT blieb trotz des großen Aufwands weitgehend wirkungslos. Die Untersuchung war umfassend angelegt und brachte nur wenige wirklich greifbare Empfehlungen. Jetzt werden weniger Daten erhoben, die dafür intensiver genutzt werden.
Meine Damen und Herren, unser Konzept zur Qualitätssicherung nimmt die schulische Eigenverantwortung ernst, ohne die gemeinsamen Ziele preiszugeben. Für diesen Kulturwandel im Verhältnis zwischen Schulen und Schulaufsicht bekommen wir ermutigende Rückmeldungen. Die Schulen wollen zeigen, was sie können, und fordern Beratung an. Ich bin sicher, dass dies zu einem sehr produktiven und ausgewogenen Verhältnis zwischen schulischer Eigenverantwortung und staatlicher Gesamtverantwortung beitragen wird.
Auf der Zuschauertribüne begrüße ich unsere Gäste von der Bürgervereinigung Wedel. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Jetzt eröffne ich die Aussprache. Das Wort erteile ich für die CDU-Fraktion der Frau Abgeordneten Heike Franzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die regierungstragenden Fraktionen haben sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, den Schulen in Schleswig-Holstein mehr Eigenverantwortung für die Entscheidungen vor Ort zu übertragen.
- Das hat mit weniger Lehrern nichts zu tun, sondern wir wollen weniger Bildungspolitik und dafür mehr Bildung in unseren Schulen.
Der vorliegende Bericht des Bildungsministeriums macht deutlich, dass wir uns diesem Ziel, insbesondere in den letzten zwei Jahren, deutlich genähert haben.
Die Bundesländer haben sich in der Vergangenheit auf länderübergreifende Bildungsstandards verständigt, die es nun in den Schulen umzusetzen gilt. Dabei sollen die Schulen die Entscheidungsfreiheit haben, selber zu entscheiden, auf welchem Weg sie die Ziele der Bildungsstandards erreichen.
Meine Fraktion ist zutiefst davon überzeugt, dass die Fachleute vor Ort, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und Schülerinnen und Schüler, ihre Kreativität ausleben und die örtlichen Kenntnisse nutzen werden, um die besten Rahmenbedingungen sowohl bei der äußeren als auch bei der inhaltlichen Unterrichtsgestaltung zu nutzen, um ihre Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu bilden.
Mit der Eigenverantwortung für den Unterricht geht allerdings auch eine gewisse Verantwortung für die Ergebnisse einher. Daher ist es für uns wichtig, dass es an den Schulen ein entsprechendes Qualitätsmanagement gibt, das auf der internen und externen Evaluation beruht. Das vom Ministerium erarbeitete Konzept setzt auf diese Instrumente und eröffnet weitere Gestaltungsspielräume für unsere Schulen.
Dazu gehört auch, dass Schulen mehr Einfluss auf das Personal nehmen können, das an ihrer Schule eingesetzt wird. Mit dem Online-Stellenmarkt Schule können Stellen bundesweit ausgeschrieben werden. Hier ist es inzwischen auch möglich, spezielle Anforderungen einer Schule bereits in der Stellenausschreibung darzustellen und nach entsprechend qualifizierten Lehrkräften zu suchen.
Mit mehr Eigenverantwortung der Schule geht auch ein Mehr an Arbeitsaufwand für die Schulleitungen einher. Daher werden seit 2010 nicht personengebundene Budgets für Leitungszeiten an die Schulen gegeben, um Lehrkräfte und Funktionsträger in die Gestaltung der Schule und die Qualitätssicherung einzubinden.
Bei einer Entwicklung zur Eigenverantwortlichkeit - oder wie wir als CDU es nennen: zur selbstständi
gen Schule - verändert sich auch die Anforderung an die Schulaufsicht. Auch hier zeigt der Bericht, dass sich die Landesregierung darum bemüht, die Aufgaben der Schulaufsicht neu zu ordnen und den unterschiedlichen Ebenen klare Aufgaben zuzuweisen. Den Schulen stehen diverse Hilfestellungen und Handreichungen zur Verfügung, bis hin zu entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen durch das IQSH.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bericht macht auch deutlich, welche Instrumente insbesondere für die interne Evaluation der Schulen und das Qualitätsmanagement zur Verfügung stehen. Über die zentralen Abschlüsse und die Vergleichsarbeiten kann die Erreichung der Bildungsstandards überprüft werden. Für die Wirksamkeit der pädagogischen Arbeit steht unter anderen die Plattform LeOniE+ zur Verfügung. Sehr erfreulich ist die seit 2011 auf den Weg gebrachte fokussierte Begleitung durch die Schulaufsicht, bei der festgestellt wird, welche Schulen eine gezielte Beratung oder auch spezifische Weiterbildung durch das IQSH benötigen.
Das ist ein richtiger Schritt auf dem Weg zur externen Evaluation, bei dem wir uns als CDU allerdings noch weitergehende, durchaus verpflichtende, wissenschaftlich begleitete Verfahren der externen Evaluation insbesondere beim Qualitätsmanagement vorgenommen haben. Diese Verfahren wollen wir in Zukunft weiterentwickeln.
Eigenverantwortung bedeutet für uns auch eine gewisse Budgethoheit an den Schulen. Daran wird gerade gearbeitet.
Vor dem Hintergrund, dass wir uns das Ziel der selbstständigen Schule für die gesamte Legislaturperiode vorgenommen haben, ist festzustellen, dass wir auf diesem Weg bereits weiter fortgeschritten sind, als es zu erwarten war. Herzlichen Dank hier an die Landesregierung!