Protokoll der Sitzung vom 22.02.2012

Ich habe noch ein Zitat:

„Die Kosten für einen Studienplatz müssen endlich so angesetzt werden, dass sie einerseits die tatsächlichen Kosten für einen Studienplatz widerspiegeln und andererseits auch zu einer spürbaren Verbesserung der Lehrbedingungen führen.“

Das ist ein Zitat aus einem Beschluss der JusoHochschulgruppen. Ich habe aber leider keine große Zuversicht, dass sich die SPD an diesen Beschluss halten wird.

(Unruhe)

Wir alle haben mitbekommen, wie die SPD auf ihrem Parteitag mit einem Antrag umgegangen ist, der darauf abzielte, dass in der Bildungspolitik überhaupt nicht gestrichen werden solle.

(Glocke des Präsidenten)

Torsten Albig und Ralf Stegner haben sich dort hingestellt und diesen Antrag verhindert, bis er zurückgezogen wurde. Das sind keine guten Voraussetzungen für die nächste Legislaturperiode.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile jetzt der Vorsitzenden der SSW-Fraktion, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung scheint nur sprechfähig zu sein, wenn es um Haushaltskonsolidierung, Schuldenbremse und Einsparungen geht. Sie scheint re

gelmäßig davon überrascht zu werden, dass es auch andere Probleme gibt, gesellschaftliche Fragen eben, die für die Zukunft unseres Landes wichtig sind und die eben nicht von allein verschwinden. Das zeigte uns die Diskussion um das Papier des Bildungsministers.

Auch die Frage, wie mit dem zu erwartenden Studierendenanstieg umgegangen werden soll, macht deutlich, dass alle konzeptionellen Überlegungen mittlerweile in der Garderobe des Finanzministers abgelegt werden.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ansonsten lässt sich nicht erklären, wieso nach den neuesten Berechnungen der Kultusministerkonferenz über einen weiteren Anstieg der Studierendenzahl in den nächsten Jahren - wir hörten schon, dass Schleswig-Holstein 6.000 mehr Studierende bekommen wird -, dann erst einmal Funkstille herrscht. Diese Entwicklung ist - wie auch bereits gesagt wurde - absehbar gewesen. Wir wissen, dass in den alten Bundesländern die letzten geburtenstarken Jahrgänge die Schule im Jahr 2020 verlassen werden. Wir wissen auch, dass mehr junge Leute mit Hochschulzugangsberechtigung durch die doppelten Abiturjahrgänge, durch die Aussetzung der Wehrpflicht und so weiter auf die Hochschulen zukommen.

Für Schleswig-Holstein bedeutet dies konkret, dass die Zahlen insbesondere von 2009 bis 2016 deutlich ansteigen werden. Nichts Neues also. Die Konsequenzen haben wir auch schon ein paar Mal miteinander diskutiert, im Bildungsausschuss und auch hier im Plenum.

Ich rufe noch einmal in Erinnerung, dass sich die Landesregierung, als es um den Hochschulpakt II ging, erst einmal dafür starkmachte, die Studienplätze an andere Bundesländer zu verschachern. Sie kriegte noch eben die Kurve, mehr aber auch nicht. Darum sage ich: Jetzt ist wirklich Handlungsstärke gefragt. Ob diese Landesregierung das leisten kann, wage ich zu bezweifeln. Denn Unterstützung der Hochschulen sieht anders aus als das, was bisher im Gespräch ist und auch, was uns vom Landesrechnungshof als Patentmedizin verabreicht wird, nämlich die Einführung von Studiengebühren.

Was bisher gelaufen ist, ist keine Politik aus einem Guss gewesen. Man soll uns nicht erzählen, dass man in Flensburg oder Lübeck schon vergessen hat, was 2010 anstand. Die großen Demonstrationen in Lübeck sind doch nicht einfach wegzuwischen, auch wenn die Entwicklungen in Lübeck

(Björn Thoroe)

und Flensburg mittlerweile von der Landesregierung gelobt werden. Da ist doch viel Porzellan zerschlagen worden. Darum sage ich: Eine Hochschulpolitik aus einem Guss gibt es nicht.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Hinzu kommt - das darf man auch nicht vergessen -, dass man es nicht nur mit Studienplätzen zu tun hat. Die Universitäten und Hochschulen führen zu Recht an, dass sich auch die Infrastruktur weiterentwickeln muss. Ich spreche das Thema der Mensen an. Ich spreche an, dass die Mittel des Studentenwerks um 900.000 € gekürzt worden sind. Die Begründung für diese Kürzung muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: In Schleswig-Holstein habe man keine Studiengebühren, und darum könne man beim Studentenwerk auch entsprechend kürzen. Das war eine avancierte Argumentation.

Wir haben auch gehört, dass es bei der CAU nicht zuletzt auch einen großen Sanierungsstau gibt, und keiner weiß, wie man dem gerecht werden kann. Ich habe gehört, dass es auch möglich ist, EU-Mittel für solche Sanierungen in Anspruch zu nehmen. Davon habe ich vonseiten der Landesregierung bis jetzt noch nichts gehört. Das heißt, wir brauchen natürlich weiterhin den Bund. Darin sind wir uns alle einig.

Wir brauchen aber auch eine Hochschulpolitik, die nicht nur auf Drittmittel abzielt, und wir brauchen auch eine Hochschulpolitik, die nicht die jungen Leute dazu zwingt, in bestimmte Studienrichtungen zu gehen. Ich sage noch einmal: Wenn man meint, dass man alles erledigen kann, indem man sagt: Jetzt nehmt mal einen Studienplatz an der Fachhochschule in Anspruch - der ist etwas günstiger als Studienplätze an der Uni - dann mag es ja sein, dass das wünschenswert ist, und wir brauchen sowieso mehr Ingenieure. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Junge Leute wollen auch Geisteswissenschaften studieren. Da müssen wir uns der Wirklichkeit stellen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und des Abgeordneten Martin Habersaat [SPD])

Wir wissen alle, dass es nicht einfach ist, Hochschulpolitik mit den besagten leeren Kassen voranzubringen.

(Unruhe)

Darum ist es wichtig, dass die Landesregierung nicht nur die Vorarbeiten für den Hochschulpakt III, den es wahrscheinlich geben wird, schon jetzt in Angriff nimmt, sondern auch, dass man sich auf Bundesebene regelmäßig über weitere Entwicklungen verständigt und auch den Bund mit ins Boot bekommt.

(Glocke des Präsidenten)

Letzte Bemerkung: Auch ich sehe die Entwicklung eher als eine Chance für Schleswig-Holstein. Wir reden immer über die älter werdende Gesellschaft. Wir brauchen junge Menschen in Schleswig-Holstein, und darum brauchen wir auch eine andere Hochschulpolitik, die dieser Entwicklung Rechnung trägt.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Fraktionsvorsitzender Habeck, sich alle paar Wochen in den Landtag zu stellen und einen Notstand für die Hochschulen auszurufen, der am Ende gar nicht eintritt, ist bisher nicht sehr überzeugend gewesen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bisher war es immer so, dass Herr Andresen das übernehmen musste. Diesmal haben Sie es selbst übernommen. Ich sage Ihnen aber, Herr Abgeordneter Habeck, das war kein Deut besser.

(Beifall bei CDU und FDP)

Deshalb gilt auch für Ihre Rede, Herr Habeck, der Satz von Goethe: Getretener Quark wird breit, nicht stark.

(Beifall bei CDU und FDP)

Es ist immer derselbe Aufguss. Der wird immer dünner. Ihre Rede, Herr Habeck, war geradezu ungefährlich und hat mit dem Anspruch an eine Aktuelle Stunde nichts zu tun.

(Beifall bei CDU und FDP)

(Anke Spoorendonk)

Wenn ich mir anhöre, dass Sie auf eine Fragestunde in diesem Haus aus dem Jahr 2010 Rückgriff nehmen müssen, dann sage ich: Das ist nicht sehr aktuell. Wenn ich mich richtig erinnere, ist sie für Sie auch gar nicht gut gelaufen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Insofern ist der Erkenntnisgewinn dieser Aktuellen Stunde und Ihrer Rede - gerade was die Position der Grünen anbelangt - gleich null.

Sie zeichnen auch ein falsches Bild. Anhand von einigen Kennziffern mache ich Ihnen einmal deutlich, wie die Lage der Hochschulen, auch die finanzielle Lage der Hochschulen, tatsächlich ist. Die Steigerung der Hochschulzuschüsse, das heißt die Grundfinanzierung aller Hochschulen in SchleswigHolstein, hat sich zwischen 2009 und 2012 um 5 % erhöht.

(Björn Thoroe [DIE LINKE]: Sensationell!)

Es ist noch nie so viel Geld für Hochschulen ausgegeben worden wie in diesem Doppelhaushalt. Auch das muss man einmal sagen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ein Gradmesser der Leistungsfähigkeit von Hochschulen besteht auch darin - das hat sogar auch Herr Habersaat anerkannt -, ob Sie in der Lage sind, Drittmittel einzuwerben, was es unter den Vorzeichen eines Sparhaushalts noch einmal schwieriger macht. Wenn wir dort den Vergleich aus dem Jahr 2005 - das Jahr 2005 ist die Schlussbilanz von Rot-Grün gewesen - mit dem Jahr 2010 nehmen, werden Sie Erstaunliches feststellen: Die Drittmittelleistungen der schleswig-holsteinischen Hochschulen im Jahr 2005 lagen bei 130 Millionen €, im Jahr 2010 bei 235 Millionen €.

(Martin Habersaat [SPD]: Das ist eine bun- desweite Entwicklung!)

Das ist fast eine Verdoppelung. Das ist das Ergebnis einer Politik, die es den schleswig-holsteinischen Hochschulen ermöglich hat,

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])