Schulfrieden ist also erst dann gut, wenn die eigenen Vorstellungen durchgesetzt wurden. Sonst ist der Schulfrieden zweitrangig, dann nämlich ist er dem Schüren von Unruhe unterzuordnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber beklagen sollten wir uns über Herrn Albig nun wirklich nicht. Denn er ist immer - vor allem wenn er sich zur Bildungspolitik äußert - für eine Überraschung gut. So fiel der SPD-Spitzenkandidat durch ein bahnbrechendes „Bild“-Interview am 16. Februar 2012 auf, in dem er über sein „Lieblingsland“ lästerte. Ich zitiere:
In Wahrheit ist es genau umgekehrt: Nicht 95, sondern gut 5 % sind nach der aktuellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit „unversorgt und ohne bekannte Alternative“. Das ist zwar immer noch zu viel, aber Lichtjahre entfernt von sozialdemokratischen Schreckensszenarien.
Aber man muss Herrn Albig zugute halten, dass er sich, wenn auch spät, noch korrigiert, wenn er sich getäuscht zu haben scheint. Der „Schlei-Bote“ vom 20. Februar 2012 schreibt über eine Rede Albigs im Kreis Schleswig-Flensburg - ich zitiere -:
nen - laut Albig - derzeit 95 % aufgrund ihrer mäßigen Schulleistungen nicht für eine dreijährige Berufsausbildung geeignet erscheinen.“
Das ist - zugegeben - ein anderer Zungenschlag. Es ist genau genommen sogar eine deutliche Verschärfung der „Bild“-Äußerung, bedeutet es doch jetzt, dass nach Ansicht von Herrn Albig fast alle Hauptschulabsolventen Schleswig-Holsteins von ihrer Schule nicht für den weiteren Lebensweg befähigt wurden.
Ich muss sagen: Das hat mich sehr nachdenklich gemacht. Wenn also ein junger Mensch im Sommer 2010 seinen Hauptschulabschluss gemacht hat, wie lange wurde er dabei, Herr Dr. Stegner, unter einer sozialdemokratischen Bildungsministerin im Amt beschult?
Da ich weiß, dass Sie mit Zahlen Probleme haben, sage ich: acht von neun Jahren sozialdemokratischer Bildungsverantwortung. Und der Spitzenkandidat sagt: nicht befähigt für eine dreijährige Berufsausbildung. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.
Ist es Unfähigkeit oder Defätismus, was Herr Albig mit solchen Äußerungen an den Tag legt? Gut ist beides nicht, wenn man sein „Lieblingsland“ regieren will.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich musste in einem langen Prozess lernen, dass es die Sozialdemokraten in unserem Land in vielen Bereichen nicht für nötig erachten, sich an der Wirklichkeit zu orientieren. Ich habe wirklich schon viel erlebt, aber das, was in dem sozialdemokratischen Entwurf für ein sogenanntes Regierungsprogramm steht, muss für jeden vernünftigen Menschen eine intellektuelle Beleidigung sein.
120 Millionen € für die Kommunen, 90 Millionen € für mehr Lehrer, Schulsozialarbeit an jeder Schule, kostenfreies Kita-Jahr, Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung für Lehrkräfte und so weiter. Wir sind auf mehr als 320 Millionen € strukturelle Mehrausgaben gekommen, sehr konservativ gerechnet. Gegenfinanziert werden die 320 Millionen € mit sogenannten Bildungsmangelfolgekosten in Höhe von 120 Millionen €, die Deckungslücke von mehr als 200 Millionen €? - Geschenkt, abge
sehen davon, Herr Dr. Stegner, dass, wenn es diese Bildungsmangelfolgekosten denn gäbe - die gibt es ja; exakt berechnen lassen sie sich allerdings nicht, haben wir gerade in den „Lübecker Nachrichten“ gelesen -, steigen die ja nicht im gleichen Jahr an, in dem Sie Mehrausgaben titulieren, sondern zu einem späteren Zeitpunkt und auch nicht im Landeshaushalt. Das heißt, Sie müssten dann schon intellektuell erklären, wie Sie unter der Schuldenbremse, die wir haben, unter der Verpflichtung von Artikel 59 a LVerf, in zehn gleichen Jahresraten das strukturelle Defizit abzubauen, überhaupt hinkommen wollen. Es zeigt: Weder Sie noch Ihr Spitzenkandidat verstehen etwas von Mathematik und von der Verfassungslage.
Aber lassen wir dazu den Finanzpolitiker Torsten Albig höchst persönlich zu Wort kommen. Ich habe ja gelernt: Sprecher sind diejenigen, die die Gedanken anderer kolportieren und keine eigenen haben. Im Schleswig-Holstein Magazin vom 3. Februar 2012 sagte er im Interview mit Kerstin Tewes zur Bildungsfinanzierung etwas sehr Aufschlussreiches. Wohlgemerkt, es geht um das Regierungsprogramm der SPD bis 2017. Und, Herr Dr. Habeck, das hätten Sie als Schriftsteller wirklich nicht schöner komponieren können. Es ist nichtssagend, klingt aber gut. Ich zitiere:
„Und wir wissen, dass die Kosten, die wir heute haben, indem Kinder in unserem Land schlecht ausgebildet werden, dass wir sie besser dafür nutzen, unsere Schuldenbremse zu bezahlen, als dass wir soziale Ausgaben finanzieren. Wir werden sehr, sehr sparsam im Haushalt Stück für Stück diese Freiräume erkämpfen, und immer wenn wir einen haben, werden wir den nächsten Schritt gehen. Wir werden nichts überstützen, wir werden nicht stolpern. Aber das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, das wird sozialdemokratische Politik sein, auf die können die Menschen sich verlassen. Und wir werden in den nächsten fünf Jahren viel erreichen. Und wenn wir noch nicht alles erreicht haben, dann werden wir für die nächste Wahl noch
Liebe Schleswig-Holsteinerinnen und SchleswigHolsteiner, das ist doch ein Kandidat, wie er aus den Büchern von Dr. Robert Habeck erscheint.
Die Sozialdemokraten treten damit an, nur das zu versprechen, was sie auch halten können. Was Herr Albig hier aber sagt, heißt, dass das Regierungsprogramm nicht eingehalten werden kann. Wer sich da nicht hintergangen fühlt, der kann ja SPD wählen. Und, Herr Kollege Dr. Stegner, nach wie vor wird ja die Zusammensetzung des Landtags bei Wahlen entschieden, nicht durch Beschlüsse der SPD auf ihren Parteitagen oder durch ihre Äußerungen. Warten wir den 6. Mai 2012 in aller Ruhe ab.
Ich freue mich - Sie werden es wieder erleben wie schon beim letzten Mal -, wenn Sie nach dem 6. Mai wieder hier sitzen sollten, auf Ihr Gesicht. Dann werde ich sehen, dass sich Ihre wunderbaren Träume nicht erfüllt haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun könnten Wohlmeinende den Sozialdemokraten zugute halten, dass sie es „nicht so mit Zahlen haben“. Das kennen wir bei Herrn Dr. Stegner ja schon. Nicht nur dass mal irgendwie 30 Millionen € im Bildungsbereich weg sind, und bei der Haushaltsaufstellung hat es bei ihm als Finanzminister 700 Millionen € geheißen statt 1,7 Milliarden €. Das spielt ja auch keine große Rolle bei den Zahlen. Wenn Sie aber eine solche Wunschliste aufstellen und sich zugleich zur Schuldenbremse bekennen,
wundern Sie sich ernsthaft, liebe Sozialdemokraten, wenn Ihnen jegliche Regierungsfähigkeit abgesprochen wird? - Übrigens in diesem Bereich auch von Ihrem potenziellen Wunschkoalitionspartner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich könnte Herrn Habeck jetzt zitieren. Sie unterschreiben ja nichts, was gegen Adam Riese geht. Damit können Sie ja nicht uns gemeint haben, sondern nur die Kollegen Ralf Stegner oder Torsten Albig. Ich stimme Ihnen zu. Es macht auch keinen Sinn, etwas zu unterschreiben, was gegen Adam Riese geht, weil es eben nicht aufgeht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man die Presse sorgfältig liest - das tue ich -, wird augenfällig, dass die Einhaltung der Schuldenbremse für ei
nige Sozialdemokraten nicht als Verpflichtung von Verfassungs wegen angesehen wird, sondern vielmehr als Mittel zum Zweck der Koalitionsbildung. In der „tageszeitung“ vom 6. Februar 2012 heißt es über einen Bericht über den SPD-Parteitag, aus dem ich zitiere:
„Mehrfach mahnte Stegner, der während des Parteitags präsenter war als Spitzenmann Albig, ‚keine ungedeckten Schecks’ auszustellen.“
- Ich beschwere mich darüber gar nicht, ich zitiere doch nur. Dass Sie jetzt schon etwas gegen die „taz“ haben -
„Mehrfach mahnte Stegner, der während des Parteitags präsenter war als Spitzenmann Albig, ‚keine ungedeckten Schecks’ auszustellen.“
„Es gelte, an den grünen Wunschkoalitionspartner zu denken, der auf Einhaltung der Schuldenbremse poche.“
(Vereinzelter Beifall bei der FDP und Beifall des Abgeordneten Dr. Christian von Boetti- cher [CDU] - Heiterkeit bei FDP und CDU)